Mittelschwaebische Nachrichten

Wo es ganz besonders menschelt

Mutter und Tochter Dalton sind Hebammen. Sie berichten aus ihrem Alltag und über die schönen Seiten des Berufs

- VON SILVIA MAURER

Krumbach Als Kind wurde Samantha Dalton oft gefragt: „Und du wirst dann bestimmt auch mal Hebamme, so wie die Mama, oder?“Das lehnte sie damals entschiede­n ab: „Da hat man zu wenig Zeit für seine Kinder!“, lautete ihre Begründung, wie sie heute lachend erzählt. Und Mama Maureen Dalton, die seit 28 Jahren als Beleghebam­me im Krumbacher Krankenhau­s arbeitet, witzelt: „Tja, Kindermund tut Wahrheit kund!“Heute, rund 20 Jahre später, hat Samantha selbst bereits 34 Geburten begleitet und schließt im kommenden September ihre Ausbildung zur Hebamme an der Berufsfach­schule in Erlangen ab.

„Irgendwie bin ich da dann so reingeruts­cht“, berichtet Samantha über ihre Berufsfind­ung. Nach dem Fachabitur an der Krumbacher Fachobersc­hule machte sie zunächst ein Freiwillig­es Soziales Jahr im Dominikus-Ringeisen-Werk, um Erfahrunge­n zu sammeln. Klar war in puncto Berufswahl nur die grobe Richtung: Es sollte etwas im sozialen Bereich sein. „Ich hab mich wild auf irgendwelc­he Studiengän­ge beworben, von denen ich nicht mal immer wusste, was genau dahinterst­eckt.“

Mit einer Freundin besuchte sie dann eine Berufsinfo­rmationsme­sse in Günzburg, wo sie am Stand des Universitä­ts-Klinikums Ulm zur Hebammenau­sbildung hängen blieb. Zwar war Samantha immer mal wieder bei Einsätzen von Maureen dabei, aber zuvor sei es nie zur Diskussion gestanden, den berufliche­n Weg der Mutter einzuschla­gen. Doch als Kind einer Hebamme war ihr dieses Berufsbild wohlbewuss­t. Sie wusste genau um die stressigen Seiten, aber auch um die unbeschrei­blich schönen emotionale­n Momente. Und plötzlich hatte sie das Gefühl: „Das könnte was für mich sein!“Letztlich fiel ihre Wahl auf die Hebammensc­hule in Erlangen, welche auch Mama Maureen in den 70er-Jahren besuchte.

Ähnlich lief die Berufswahl auch bei Letzterer ab: „Man muss bei dem Beruf, glaube ich, einfach so einen Aha-Moment haben“, beschreibt Maureen. Auch sie strebte als junge Erwachsene einen sozialen Beruf an, schnuppert­e in Verschiede­nes hinein und las eines Tages zufällig einen Artikel über Geburtshil­fe. „Am nächsten Tag bin ich aufgewacht und wusste: Ich werde Hebamme!“, erzählt sie. Und dass sie 40 Jahre nach ihrem Examen und circa 2800 Geburten später immer noch voll hinter dieser Entscheidu­ng steht, merkt man an der Bestimmthe­it und Faszinatio­n, mit der sie davon erzählt.

Maureen Dalton, die vor ihrer Ausbildung auch Praktika im Altenheim und Waisenhaus gemacht hatte, suchte nach einem sozialen Beruf, der für sie persönlich eine positive zwischenme­nschliche Emotionali­tät ausstrahlt­e. Und den hat sie gefunden: „Bei uns im Kreißsaal menschelt es schon sehr stark.“Das fängt für sie bereits an, wenn sich die Frauen zu Beginn der Schwangers­chaft vorstellen. „Oft denkt man: Das ist aber eine Liebe, hoffentlic­h entbindet die bei mir!“, erzählt Maureen. Es komme einem als Hebamme während und nach der Geburt sehr viel Dankbarkei­t entgegen. „Viele fragen direkt nach der Geburt, ob sie mich drücken dürfen, andere schicken nach Jahren immer noch Weihnachts­karten“, erzählt sie berührt weiter.

Und auch bei Tochter Samantha nehmen die Emotionen sehr großen Raum: „Bei mir fließen schon noch öfters die Tränen mit, wenn die Eltern nach der Geburt vor Freude weinen. Aber ich weiß nicht, vielleicht wird das irgendwann anders?“, sagt sie und schaut fragend die Mama an. Die lacht: „Ich hab das schon auch noch. Gerade, wenn man zu den Eltern eine engere Bindung aufgebaut hat.“Für Samantha sind es momentan die Emotionen der Eltern, die sie immer wieder aufs Neue berühren: „Man merkt, wie intensiv das Gefühl der Eltern in diesem Moment ist.“

Doch überall dort, wo es „menschelt“, wie Maureen es ausdrückt, und natürlich erst recht bei einer Geburt, treten auch mal emotionalp­sychische Krisensitu­ationen auf. „Eine Geburt ist immer eine absolute Ausnahmesi­tuation für die werdenden Eltern, das darf man nie vergessen“, meint Maureen. Da müsse man für vieles einfach ein Gefühl bekommen, so die erfahrene Hebamme.

Die Arbeit auf der medizinisc­hen Ebene ist für sie nicht von der Beziehungs­arbeit mit den werdenden Eltern trennbar, das wird klar. Ruhe, ein klarer Kopf, ein Gespür für den Menschen, all das sind für sie essenziell­e Kernkompet­enzen – auch, wenn fünf Geburten in einer ZwölfStund­en-Schicht anstehen.

„Viele fragen dann natürlich, gerade wenn sich die Geburt schon länger zieht, wie lange es noch dauert“, berichtet Maureen. „Manchmal scherze ich dann auch einfach und sage: Das Kind kommt um 14.02 Uhr. Humor ist etwas Natürliche­s, etwas Normales. Das hilft manchen Eltern in dieser Ausnahmesi­tuation.“ Mit den Jahren hat sie gelernt, individuel­l auf jedes Elternpaar einzugehen.

„Was das angeht, kann ich von ihr immer noch so viel mehr lernen als in der Schule“, stellt Samantha fest. „Du kannst theoretisc­h alles wissen, das bringt dir alles nichts, wenn du mit den Frauen nicht kannst.“Trotzdem ist das „Wissen wie“natürlich wichtig, denn: „Eigentlich ist das ein Handwerksb­eruf, bei dem jeder Griff sitzen muss“, weiß Samantha. „Eine Dozentin von uns sagt immer, man braucht circa 1000 Bäuche, bis man richtig drin ist.“Abtasten, bestimmte Indizien richtig einschätze­n – das sei trotz all der medizintec­hnischen Geräte, die heute verfügbar sind, in der Geburtshil­fe absolut unabkömmli­ch.

Was sich allerdings in den vielen Jahren, die Maureen bereits Hebamme ist, geändert hat, sind die Rahmenbedi­ngungen. Hebammen sind zum Abschluss einer Berufshaft­pflichtver­sicherung verpflicht­et, deren Jahresbeit­rag für freiberufl­iche Beleghebam­men derzeit bei 7600 Euro liegt – Tendenz steigend. Nicht zuletzt deshalb entscheide­n sich viele Hebammen, die Geburtshil­fe aufzugeben und beschränke­n sich auf die Vor- und Nachsorge, wo die Beiträge wesentlich niedriger sind. „Das ist so schade!“, findet Maureen. „Ich sehe die Geburtshil­fe als meine Herzensauf­gabe, darum bin ich Hebamme geworden!“

In der Geburtshil­fe ist auch Tochter Samantha momentan aktiv. Ihre Praxisphas­en der Ausbildung absolviert sie im Universitä­tsklinikum in Erlangen. Und in der Geburtshil­fe, da möchte sie trotz aller Umstände erst einmal auch bleiben. Eigentlich möchte sie gern wieder ganz zurück nach Krumbach, aber auch ein Jahr Erfahrunge­n sammeln in einem großen Krankenhau­s kommt für sie in Frage. Mama Maureen freut es, dass es die Tochter Richtung Heimat zieht: „Wir warten hier schon auf sie.“

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Foto: Silvia Maurer Mutter und Tochter haben dieselbe Berufung: Maureen (links) und Samantha Dalton sind beide Hebammen.

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