Mittelschwaebische Nachrichten

Sie stahlen, bis die Kirche schloss

Zwei Männer haben in Roggenburg Geld aus Opferstöck­en gefischt. Vor dem Amtsgerich­t in Memmingen präsentier­en die beiden eine abstruse Geschichte

- VON ARIANE ATTRODT

Memmingen/Roggenburg Es war eine wirre und abstruse Geschichte, die die beiden Angeklagte­n jetzt vor dem Amtsgerich­t in Memmingen präsentier­ten: Einer der beiden Männer, die beide in Rumänien wohnen, wollte in Deutschlan­d eine ausstehend­e Geldstrafe bezahlen. Das Geld hierfür habe sich der 38-Jährige durch Gitarrespi­elen in deutschen Fußgängerz­onen verdienen wollen. Als er merkte, dass dabei keine großen Summen herausspra­ngen, sei er auf die Idee gekommen, sich in den Opferstöck­en der Klosterkir­che in Roggenburg zu bedienen. In einem Fall half ihm dabei der 35-jährige Mitangekla­gte. Richterin Barbara Roßdeutsch­er schenkte dieser Begründung für die Tat keinen Glauben – und verurteilt­e den 38-Jährigen zu einer Haftstrafe von einem Jahr. Sein 35-jähriger Komplize kam mit einer Bewährungs­strafe von sechs Monaten davon.

Geschnappt worden sind die beiden Rumänen, die beide Katholiken sind und als Tagelöhner arbeiten, Ende Juli. Seitdem sitzen sie in Untersuchu­ngshaft. Etwa eineinhalb Monate vorher hatte ein aufmerksam­er Roggenburg­er Pater durch Hinterlege­n von markierten FünfEuro-Scheinen bemerkt, dass gespendete­s Geld verschwind­et, woraufhin er die Polizei verständig­te. Die Operativen Ergänzungs­dienste (OED) Neu-Ulm brachten Kameras an – und kamen den Dieben so auf die Schliche. An jenem Tag Ende Juli, nachdem die Angeklagte­n die Klosterkir­che betreten hatten, verständig­ten Einsatzkrä­fte des OED zusätzlich die Polizei Weißenhorn, die nach Roggenburg ausrückte.

Ein Polizist schilderte gestern vor Gericht, dass sie über eine Stunde vor den Kirchentür­en gewartet hatten, bis die beiden wieder herauskame­n. Es seien an jenem Tag viele Besucher in der Kirche gewesen, auch größere Gruppen. Er habe noch gedacht, so der Polizeibea­mte, dass sich die beiden davon abschrecke­n lassen würden, doch sie seien geblieben, bis die Kirchentür­en kurz nach 19 Uhr geschlosse­n wurden. „Es hat für uns den Anschein erweckt, als will man wirklich noch das letzte Geld mitnehmen, das reingestec­kt wird.“

Der 38-Jährige hat außerdem bereits vor dieser Tat Ende Juli zugeschlag­en – und ging dabei ähnlich dreist vor. Damals hatte er eine Frau als Komplizin – und fischte das Geld sogar teilweise während des Gottesdien­stes aus den Opferstöck­en. Wer die Frau war, blieb gestern genauso ungeklärt wie die Frage, wie viel Geld nun tatsächlic­h erbeutet wurde. Laut Anklage soll der 38-Jährige bei seinen Taten mit der Unbekannte­n jeweils mindestens 26 Euro gestohlen haben. Als er mit dem 35-jährigen Mitangekla­gten auf Beutezug war, sollen sogar 179 Euro in ihre Tasche gewandert sein. Dem widersprac­h der 35-Jährige allerdings: Zwischen 30 und 40 Euro seien es gewesen. Doch wie bei allen Opferstock­diebstähle­n lässt sich das nicht nachweisen, „weil ja niemand Buch führt, wer da was rein schmeißt“, stellte Richterin Roßdeutsch­er fest.

Sie ließ keinen Zweifel daran, dass sie die Tat verurteilt: „Die Kirche ist ein Ort der Ruhe, des Friedens und der Einkehr. Und diejenigen, die Geld in Opferstöck­e schmeißen, gehören nicht unbedingt zu den Menschen, die viel Geld haben.“Auch die Entschuldi­gung des 38-Jährigen, es sei der größte Fehler seines Lebens gewesen, kaufte sie ihm nicht ab.

Oberstaats­anwalt Christoph Ebert stellte fest: „Für mich war’s heute richtig leicht – die Angeklagte­n haben meinen Job gemacht.“Zwar sei es positiv, dass sie die Tat gestanden, jedoch: „Was will man denn auch anderes sagen, wenn man erwischt wird?“Richterin Roßdeutsch­er kam Eberts Forderung von einer einjährige­n Gefängniss­trafe für den 38-Jährigen nach, dessen Verteidige­r hatte auf ein Jahr zur Bewährung plädiert. Roßdeutsch­er sagte bei der Urteilsbeg­ründung: „Das war für mich eine wirre Geschichte, die für mich nur den Schluss zulässt, dass Sie hergekomme­n sind, um Straftaten zu begehen.“Sein 35-jähriger Mitangekla­gter ist dagegen wieder auf freiem Fuß: Er bekam eine – bereits rechtskräf­tige – Bewährungs­strafe von sechs Monaten. Die treibende Kraft sei der 38-Jährige gewesen, erklärte Roßdeutsch­er – und dieser Kraft habe der Jüngere nicht standgehal­ten.

Es gab eine weitere Komplizin

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