Mittelschwaebische Nachrichten
Elon, wir haben ein Problem
Tesla-Chef Musk macht immer neue Ankündigungen – halten kann er sie nicht
Palo Alto Tesla-Chef Elon Musk schien 2017 zunächst wie der große Gewinner, doch dann fielen ihm seine gewagten Versprechen zunehmend auf die Füße. Jetzt ist der Druck auf den schillernden TechMilliardär extrem hoch – Musk muss beweisen, dass er seine Ankündigungen auch umsetzen kann. Zuletzt kamen daran Zweifel auf.
Noch ist der Starkult um Musk riesig, seine Anhänger vergleichen ihn mit legendären Vordenkern wie Steve Jobs oder Henry Ford. Seinen Ruf als Rockstar des Silicon Valley untermauerte Musk jüngst, indem er es auf das Cover des „Rolling Stone“schaffte. Den Titel des Magazins zieren sonst Stars der Popkultur. Im zugehörigen Interview schlug Musk allerdings ungewohnt düstere Töne an, die tief blicken lassen. „Ich habe in den vergangenen Wochen ernsthafte emotionale Schmerzen gehabt“, sagte der 46-jährige Top-Manager. Vor dem Lieferstart von Teslas erstem Mittelklasse-Elektroauto Model 3 im Juli sei er niedergeschlagen gewesen. „Es hat jedes Quäntchen Willenskraft gebraucht, dieses Event durchzuziehen und dabei nicht wie der depressivste Typ dort auszusehen“, räumt Musk offen ein. Das Ereignis wurde mit einer spektakulären Show gefeiert, bei der die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben wurden. Schon da ahnte Musk wohl, dass er sich womöglich übernommen hat.
Für Tesla ist das neue Auto extrem wichtig. Das Model 3 kostet rund 35000 Dollar – weniger als halb so viel wie die bisherigen Luxusmodelle Model S und Model X. Der Wagen soll Tesla von der Nische in den Massenmarkt bringen. Er hat einen Hype ausgelöst wie früher Apples iPhone – Kunden campten vor den Tesla-Filialen, es gibt hunderttausende Bestellungen. Angefacht wurde der Ansturm von Musk selbst. Große Ankündigungen fielen ihm schon immer leicht. Bis 2020 will er die Produktion auf eine Million Autos pro Jahr hochfahren – ein ausgesprochen ambitioniertes Ziel. In diesem Jahr rechnet Tesla damit, etwas mehr als 100 000 Autos an die Kundschaft zu bringen. Seit Firmengründung 2003 wurden bislang gut 250 000 Wagen ausgeliefert.
Um Musks ehrgeizige Vorgaben zu erfüllen, muss Tesla im Hauruckverfahren von einer Oberklasse-Boutique zum Volumen-Hersteller werden. Da das Unternehmen keinerlei Erfahrung mit der Massenfertigung hat, waren die Zweifel in der etablierten Autoindustrie von Anfang an groß. Doch Musk will von Skepsis und Kritik nichts hören. Mit seiner Draufgängerart hatte er nicht nur die Tesla-Fans, sondern auch die Wall Street überzeugt. Zwischenzeitlich war die Euphorie der Anleger so groß, dass Teslas Börsenwert den der US-Autoriesen General Motors und Ford überstieg – obwohl beim Absatz Welten zwischen Tesla und den Rivalen liegen und Musks Firma seit Jahren nur Verluste anhäuft.
Im Herbst wurde Tesla auf den Boden der Realität zurückgeholt: Mit lediglich 260 Model 3 wurden die Produktionsziele im dritten Quartal massiv verfehlt, der Zeitplan für den Anlauf der Serienfertigung musste verschoben werden. Statt Kampfansagen warnte Musk: „Wir stecken tief in der Produktionshölle“. Im November führten Teslas Mammut-Projekte zum
Entscheidend ist der Durchbruch des „Model 3“
höchsten Quartalsverlust in der Geschichte des Unternehmens. Statt sich jedoch mit dem Start des Model 3 aufzuhalten, preschte Musk mit neuen Ankündigungen voran. Er stellte einen E-Laster und eine Neuauflage des E-Sportwagens Roadster vor. Das sorgte für etwas Ablenkung. Doch entscheidend ist, dass Tesla beim Model 3 in die Puschen kommt. Der Einzug in den Massenmarkt muss gelingen, damit Tesla mal profitabel wird. Denn die Konkurrenz schläft nicht. Zwar behandelten die Schwergewichte der Autoindustrie das Thema E-Mobilität lange stiefmütterlich, doch diese Zeiten sind vorbei. GM hat mit dem Chevrolet Bolt EV bereits ein Angebot in der Preisklasse des Model 3 am Start und will bis 2023 weitere Modelle auf den Markt bringen. Auch Ford, VW und viele andere Branchengrößen greifen ebenfalls an.