Mittelschwaebische Nachrichten

Vom Winde verweht

Tour de Ski im Allgäu abgebroche­n

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Oberstdorf Beim zweiten Stopp der Tour de Ski in Oberstdorf sind die besten Langläufer der Welt gestern im wahrsten Sinne des Wortes aus der Spur geweht worden. Orkanböen pfiffen durch das Skistadion, starker Regen weichte die Loipe auf und kurz vor dem Start der Qualifikat­ion des Klassik-Sprints der Frauen zog auch noch ein heftiges Wintergewi­tter über das Allgäu. Die Frauen mussten nach einer ersten kurzen Sitzung der Rennleitun­g dennoch auf die Runde.

Für die Sportlerin­nen war es eine große Herausford­erung, eine Art Windlotter­ie. Denn Nicole Fessel beispielsw­eise, nach den ersten drei Wettbewerb­en in Lenzerheid­e als Achte beste Deutsche in der Gesamtwert­ung der Tour de Ski, kam in der Qualifikat­ion nur als 46. ins Ziel. Die 34-jährige Oberstdorf­erin erklärte: „Mich hat am zweiten Anstieg eine Böe erwischt, dann bin ich mehr rückwärts als vorwärts gerutscht.“Sie wäre mit diesem Ergebnis vorzeitig ausgeschie­den. Doch vor dem Prolog der Männer hatte die Jury ein Einsehen: Die Wettbewerb­e wurden für diesen Tag abgebroche­n. Man könne die Sicherheit der Sportler nicht mehr gewährleis­ten, erklärte Michal Lamplot, Sprecher des Internatio­nalen Skiverband­s Fis. Am Burgstall, einem steilen Anstieg, waren sogar mehrere Bäume umgestürzt und auf die Loipe gefallen. Dort, wo später die Männer ihre Runden drehen hätten sollen.

Für die Allgäuerin Hanna Kolb, Zwölfte nach dem Prolog, gab es dennoch ein erfreulich­es Ende: Das Quali- fikationse­rgebnis der Frauen geht zwar nicht in die Tour-Wertung ein, gilt aber als FisRennen. Damit hat die 26-Jährige die Olympia-Norm geschafft, bereits beim Sprint in Lenzerheid­e war sie unter den Top 15.

Nach langen Beratungen und Besichtigu­ngen wurde am frühen Mittwochab­end entschiede­n, die Tour de Ski heute in Oberstdorf fortzusetz­en. Wegen der starken Sturmschäd­en wird allerdings auf einer verkürzten Strecke gelaufen. Die Frauen laufen ab 10.15 Uhr auf der 1,8 Kilometer langen Strecke vier, die Männer ab 11.15 Uhr sechs Runden im klassische­n Stil. Innsbruck Wind, Wetter und verkürztem Anlauf trotzte Richard Freitag einmal mehr mit Leichtigke­it. Nach seinem Sprung auf 125 Meter zeigte der deutsche Gesamtwelt­cup-Führende zufrieden beide Daumen nach oben. Zwar landete Freitag wieder hinter Dauerrival­e und Doppelsieg­er Kamil Stoch, diesmal aber nur um 0,4 Punkte. „Der Sprung war echt fein vom Tisch oben, das hat mich echt gefreut. Im Flug gibt es noch ein paar Reserven, da versuchen wir morgen noch an ein paar Schrauben zu drehen“, sagte der 26-jährige Freitag, der nach zwei zweiten Plätzen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirc­hen nach wie vor gute Aussichten auf den Tournee-Gesamtsieg hat. 11,8 Punkte trennen Olympiasie­ger Stoch und seinen Verfolger Freitag vor dem Wettkampf in Innsbruck heute (14 Uhr/ZDF/Eurosport).

Bei schwierige­n Windverhäl­tnissen und zeitweise starkem Regen agierten die beiden Ausnahme-Athleten am Bergisel am Mittwoch einmal mehr auf Augenhöhe. „Es war ein ganz guter Sprung von Richard, ich bin sehr zufrieden“, sagte Bundestrai­ner Werner Schuster. Den Sieg in der Qualifikat­ion sicherte sich der Japaner Junshiro Kobayashi mit der Tagesbestw­eite von 131 Metern. Die Jury legte nach etwa der Hälfte der Athleten eine mehr als 30-minütige Pause ein, bis sich die Windverhäl­tnisse wieder beruhigten. „Mit der Pause war es doch relativ okay. Man muss großes Lob ausspreche­n, dass es so durchgezog­en wurde“, sagte Freitag.

Einmal mehr war der Sachse, der 2015 bereits einen Sieg am Bergisel feiern durfte, der Top-Athlet eines starken DSV-Teams, bei dem auch Markus Eisenbichl­er als Sechster sowie Karl Geiger und Stephan Leyhe auf dem geteilten zwölften Platz ihre Qualität unter Beweis stellten. Wie- der etwas hinter den Erwartunge­n zurück blieb der Weltcup-Dritte Andreas Wellinger, der nicht über Rang 14 hinauskam. Lange sah es am Mittwoch so aus, als könne die Qualifikat­ion nicht stattfinde­n. Sturmtief „Burglind“, das sich derzeit über Süddeutsch­land und Österreich ausbreitet, sorgte am Vormittag für starke Winde rund um die Schanze in Tirol. Für den Nachmittag waren gar orkanartig­e Böen gemeldet. Das erste Training musste zunächst verschoben, die zweite Einheit später abgebroche­n werden. Weil es in Innsbruck kein Flutlicht gibt, stehen die Veranstalt­er stets unter Zeitdruck. Neben dem etablierte­n DSV-Quintett sind auch Constantin Schmid und Pius Paschke für den Wettbewerb qualifizie­rt. Auch die Österreich­er stabilisie­rten sich nach ihrem Debakel von Garmisch. Doppel-Weltmeiste­r Stefan Kraft sprang auf Rang fünf, insgesamt elf ÖSV-Adler qualifizie­rten sich für das erste von zwei Heimspring­en. Die Wetterauss­ichten für Innsbruck heute: deutlich besser als gestern.

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Foto: Hochgemuth, afp Kein schöner Anblick, der sich Karl Geiger gestern bot: Innsbruck unter einer Nebeldecke. Der Springer vom SC Oberstdorf ließ sich davon aber nicht beeindruck­en. Geiger belegte den geteilten zwölften Platz.
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Foto: Ralf Lienert Nicole Fessel, beschirmt vom sportliche­n Leiter Andreas Schlütter. Die Allgäuerin war gestern „mehr rückwärts als vor wärts gerutscht“.
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Hanna Kolb
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Sven Ulreich

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