Mittelschwaebische Nachrichten
Was am Ende bleibt
Ella gönnt sich den letzten Trip mit ihrem Alzheimer-Ehemann
Der alte Mann mit den schlohweißen Haaren lässt sich mitreißen von der Menge, die Papierfähnchen schwenkt. Er freut sich über den Jubel, die optimistischen Gesichter und die Pappschilder, auf denen „Make America Great Again“verkündet wird. Dass er sich auf einer Trump-Wahlveranstaltung befindet, merkt John (Donald Sutherland) gar nicht. Der pensionierte Literaturprofessor hat sein Leben lang die Demokraten gewählt, aber jetzt hat er Alzheimer und all seine politischen Ansichten vergessen.
Seine Frau Ella (Helen Mirren) hat alle Mühe, ihn aus der frenetischen Menge heraus- und wieder zurück in ihr gemeinsames Leben zu holen. Johns Gedächtnis ist wie die offene See: Die Kinder, seine Studenten, die Nachbarin kommen und verschwinden wieder aus seinem Kopf. Ella und John sind durchgebrannt mit ihrem alten Wohnmobil und reisen an der Küste entlang nach Florida. Ella will noch einmal die Freiheit spüren und in alten Erinnerungen schwelgen, bevor die Krankheit endgültig die Kontrolle über das Eheleben übernimmt.
Was bleibt von einer jahrzehntelangen Ehe übrig, wenn das Vergessen einsetzt? Diese Frage stellt der italienische Regisseur Paolo Virzi in seinem Road-Movie „Das Leuchten der Erinnerung“. Virzi gehört mit Filmen wie „Die süße Gier“und zuletzt „Die Überglücklichen“zu den talentiertesten Erzählern des italienischen Kinos mit einem genauen Blick für die gesellschaftlichen Zerklüftungen seines Landes. In seinem US-Debüt ist von dieser scharfen Beobachtungsgabe kaum etwas zu spüren. Zwar zeigt das Drehbuch nach dem Roman von Michael Zadoorian in Details ein gutes Einfühlungsvermögen, trägt jedoch mutlos die Konflikte vor. Dabei schaut man innerhalb des gefälligen Settings Helen Mirren und Donald Sutherland sehr gerne bei der Arbeit zu. » Das Leuchten der Erinnerung
Wertung ★★★✩✩