Mittelschwaebische Nachrichten
Böse Überraschung für Creaton Mitarbeiter
Es gibt Pläne, die Belegschaft des Dachziegelherstellers in Autenried drastisch abzubauen. Ein schrumpfender Markt für bestimmte Produkte soll der Anlass für diesen Schritt sein
Autenried 2018 – das kann getrost jetzt schon vorhergesagt werden – wird kein gutes Jahr für das Creaton-Werk in Autenried. Jedenfalls nicht für die Mitarbeiter. Denn nach Informationen unserer Zeitung gibt es Pläne, die Belegschaft mit rund 90 Beschäftigten zu halbieren. „Sozialverträglich“, wie Tobias Nazemi von der Essener Agentur Brandrevier betont. Die PR-Agentur vertritt die Creaton-Pressesprecherin in deren Weihnachtsurlaub. Allerdings will das Unternehmen selbst die Dimension des Stellenabbaus nicht bestätigen. „Was wir zum jetzigen Zeitpunkt sagen können ist, dass die am Standort geplanten Maßnahmen Auswirkungen auf den Personalbestand haben werden. Die Verhandlungen mit den Sozialpartnern sind gerade erst gestartet. Noch kann und darf von keiner Seite irgendeine verlässliche Information über Art, Umfang und die Zeitplanung etwaiger Personalanpassungen gegeben werden.“Creaton will dann informieren, „wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind.“
Überrascht wurden die Mitarbei- ter von der Unternehmensführung bei einer Betriebsversammlung bereits am 1. Dezember. Dort wurde den Arbeitnehmern eröffnet, dass die Dienste von etwa jedem Zweiten künftig nicht mehr benötigt würden. Unklar ist noch, wen es erwischen wird. „Deshalb geht die Angst um“, sagt einer der Betroffenen. Besonders problematisch sei die Situation bei denjenigen, die bereits vor 25 Jahren von der Schule gekommen seien und quasi ohne Ausbildung direkt mit den einfachen Arbeiten im Ziegelwerk begonnen hätten. Entsprechend schlecht sei unter den Beschäftigten die Stimmung.
In Autenried werden zwei Arten von Tonziegeln produziert: Im Pressdachziegelwerk (Werk 2) entstehen großflächige Ziegel, in den Werken 1, 1 a und 3 werden die markanten Biberschwanzziegel gebrannt. Und genau bei denen gibt es ein Absatzproblem: „Diese Ziegel werden vor allem für die Dächer von historischen Gebäuden und Kirchen eingesetzt“, erklärt Nazemi. „Dieser Markt schrumpft seit Jahren kontinuierlich.“Offenbar wollte das Management dieser Entwicklung nicht länger tatenlos zuse- hen und hat die Reißleine gezogen. Dass die Geschäfte schon besser gelaufen sind, bekommen die Beschäftigten in Autenried auf andere Weise mit. Unbestätigten Schätzungen zufolge liegen auf dem Firmengelände mehr als zehn Millionen Biberschwanzziegel. „Wir produzieren nur noch auf Halde“, sagt ein Mitarbeiter.
Ist das Geschäftsfeld tatsächlich so schwierig oder sind es auch hausgemachte Fehler, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben? Hinter vorgehaltener Hand werden aus den Reihen der Arbeitnehmer zu geringe vertriebliche Aktivitäten bemängelt. Der Außendienstmitarbeiter eines Landshuter Konkurrenz-Unternehmens grabe Creaton sogar im Landkreis Günzburg das Wasser ab. Die Unternehmensführung beurteilt das als „eine subjektive Wahrnehmung einzelner Personen, die wir nicht bestätigen können. Von der rückläufigen Nachfrage nach Biberschwanzziegeln sind alle Anbieter betroffen. Dass Creaton als Marktführer bei Biberschwanzziegeln dies natürlich stärker zu spüren bekommt, als weniger spezialisierte Anbieter, ist nur natürlich.“
Die Creaton AG gehört bereits seit 2005 zur Etex-Gruppe. Im vergangenen Jahr wurden, wie es Nazemi formuliert, „die Aktivitäten neu gebündelt“. Für Steildächer bietet Creaton „durchdachte“Lösungen aus einer Hand. Das Fassaden-Segment spielt seither bei Creaton keine Rolle mehr. Das Werk im rheinland-pfälzischen Weroth ist daher im vergangenen Herbst verkauft worden.
„Autenried schuf mit Roggden die Voraussetzung, die Creaton zum größten Biberschwanzziegel-Hersteller Europas werden ließ. So entstehen dort am 1934 erbauten Traditionsstandort ,Ott’ jährlich circa 24 Millionen Biberschwanzziegel.“So beschreibt das Unternehmen im Internet Werke in den Landkreisen Günzburg und Augsburg. Lohnenswert scheint inzwischen aber nur noch die Großflächenziegelproduktion. Nach umfangreichen Umbaumaßnahmen vor 15 Jahren, mit einem Investitionsvolumen von 13,8 Millionen in Autenried, soll in diesem Jahr wieder Geld in die Hand genommen werden: 2,2 Millionen Euro für die Entwicklung neuer Produkte. Geplant ist, dass sie im Jahr 2019 auf den Markt kommen. Die Fertigungsmaschinen müssen entsprechend angepasst werden.
Creaton-Vorstand Stephan Führling sprach Anfang Dezember bei der Betriebsversammlung nicht davon, dass Autenried teilweise geschlossen werde. Die Werke für die Produktion der Biberschwanzziegel würden „eingemottet“(und vielleicht später wieder benötigt). Egal, welchen Namen man dem Kind gibt: Den Arbeitern und Angestellten kann niemand das Gefühl mehr nehmen, dass hier etwas unwiederbringlich verloren geht – vielleicht ist es ja bald der eigene Job.