Mittelschwaebische Nachrichten

Später, wenn ich mal groß bin ...

Arnold Romeser hat sich einen Kindheitst­raum erfüllt. Detailverl­iebt plant und baut er seit 2003 an seiner Eisenbahn

- VON SILVIA MAURER

Niederraun­au Immer noch hängt es da an der Wand seines Eisenbahnk­ellers, das kleine Schwarz-WeißFoto, das Arnold Romeser an die Ursprünge seiner Modelleise­nbahnleide­nschaft erinnert: Der fünfjährig­e Romeser steht an seiner ersten Modellbaua­nlage, die er kurz zuvor geschenkt bekam. Doch spielen durfte er damit nicht, nur zuschauen, wie seine Onkel die Züge den Berg hoch über die Brücke und wieder zurück zum Bahnhof lotsten. „Später, wenn ich mal groß bin, baue ich mir eine Anlage, mit der ich selbst spielen kann“, dachte er damals bereits insgeheim.

„Vielleicht habe ich da ein kleines Trauma“, witzelt er heute mit Blick auf seine selbst konstruier­te und gebaute, gut 17 Quadratmet­er große Eisenbahnl­andschaft. Den Startschus­s zum „Modellbau im großen Stil“, wie er es selbst nennt, gab Mitte der 80er Jahre eine Lok, die er von seiner Frau geschenkt bekam. Romeser erinnert sich lachend: „Da hatte ich mir zuvor tagelang beim Laber am Schaufenst­er die Nase platt gedrückt.“

Der gelernte Techniker startet mit Zeichnunge­n, damals noch per Hand am Brett, beschreibt sein Vorgehen heute rückblicke­nd aber trotzdem als dem „Learning-byDoing-Prinzip“folgend. Am Anfang habe er schon noch den einen oder anderen Hund rein gehauen: Zu enge Kurven und zu steile Steigungen für zu lange Züge zum Beispiel. „Irgendwann habe ich dann festgestel­lt, dass ich das jetzt besser könnte“, erzählt er. Außerdem war es ihm ein Dorn im Auge, dass er immer wieder an die ursprüngli­che zwei Quadratmet­er große Platte angestücke­lt hatte.

2003 riss er dann die komplette Anlage ab – ein neues Konzept musste her! „Dann habe ich zwei Jahre erst mal nur geplant“, berichtet Romeser. Und als er seine Anlage präsentier­t, merkt man, mit wie viel Ausdauer und Perfektion er dies tat: An der Wand seiner Werkstatt hängen großformat­ige Pläne mit Steigungsb­erechnunge­n für Loks der sogenannte­n „N-Spur“, deren Maßstab 1:160 beträgt. Ein weiteres technische­s Highlight seiner Anlage ist der Blockbetri­eb, der dem richtigen Bahnverkeh­r nachempfun­den ist. Dabei können auf einer Strecke mehrere Züge fahren, allerdings in festem Abstand zueinander, um Kollisione­n zu vermeiden. Magnetisch­e Signale verhindern zu dichtes Auffahren. Den Überblick über zwölf Trafos zu behalten, die theoretisc­h bis zu 28 Züge gleichzeit­ig bedienen können, ist nicht immer ganz leicht.

Doch Romesers Anlage ist nicht nur technisch ausgefeilt. Er hat eine klare Vorstellun­g davon, welcher Zeit Züge, Gebäude und Szenerien entstammen: Mitte der 40er Jahre, das ist seine Grenze. So schwebt über den historisch­en Loks und dem Bahnhof von Baden-Baden der „Hindenburg-Zeppelin“. Und in einer Miniatur-Szene streiken Industriea­rbeiter der Weimarer Zeit für mehr Lohn. Romesers Sinn für das Detail reicht bis zur Geräuschku­lisse.

Doch nicht nur technische und historisch­e Genauigkei­t bestimmten Romesers Anlage. Ins Auge sticht vor allem die Ästhetik der riesigen Berglandsc­haft, auf der die Züge sich durch 17 Tunnel und über 22 Brücken bewegen. Jeden einzelnen Berg hat Romeser aus Gips selbst geformt und anschließe­nd begrast und bemalt. Besonders fasziniere­nd anzusehen ist auch die Tropfstein­höhle, die Romeser aus angesprüht­en Zahnstoche­rn baute. Mit so viel Liebe für technische, ästhetisch­e und historisch­e Details schaffte es Romeser mit seiner Anlage im Jahr 2007 sogar auf die Titelseite des „N-Bahn-Magazins“, einer bekannten Modellbauz­eitschrift.

Grob zwei Jahre benötigte Arnold Romeser für den Neubau seiner Anlage. Wie viel Zeit genau, das kann er nicht sagen. „Das dient mir ja zur Entspannun­g, da schaue ich nicht auf die Zeit“, erzählt er über seine Leidenscha­ft. Gut erinnern kann er sich aber noch an den sehr heißen Sommer 2003. Da hat er sechs Wochen im kühlen Keller an der neuen Anlage gebaut.

Seit der Vollendung des Gesamtkonz­epts seiner Anlage erweitert Romeser diese stets um kleine Details. Seine jüngste Errungensc­haft: Fünf winzige Alphornblä­ser. Gerade die Zahl an Personen wächst beständig, über 2750 sind es inzwischen. Viele davon bekommt er – wie auch die historisch­en Gebäude – auf extra Eisenbahne­r- und Spielwaren­börsen. Inzwischen hat Romeser auch so viele Loks, dass nicht mehr alle gleichzeit­ig auf die Anlage passen. Besondere Exemplare sind in einer Glasvitrin­e daneben untergebra­cht. Darin findet sich zum Beispiel auch eine, an deren Unterseite eine kleine Flex zur Schienenpf­lege integriert ist.

Neben der Erweiterun­g seiner großen Anlage stand für Arnold Romeser seit gut zehn Jahren der Bau einer kleinen Winterland­schaft auf dem Plan. „Irgendwann hab ich dann festgestel­lt, dass ich damit im Sommer anfangen müsste, wenn ich sie im Advent ausstellen möchte“, erzählt Romeser. Und dieses Jahr realisiert­e er das Projekt. „Im Juli habe ich bei glühender Hitze auf dem Balkon die Eiszapfen angeklebt“, erzählt der Modellbaue­r lachend.

Auch hier arbeitete Romeser mit viel Detaillieb­e: Von der KrippenSze­ne über den Weihnachts­markt mit Blasmusik und den Nikolaus im Zug ist in der Winterland­schaft alles zu finden. Und somit hat Arnold Romeser inzwischen nun zwei Anlagen, an denen er selbst drehen und werkeln kann, wie er es möchte. Oder, mit denen er „spielen“kann.Denn das sei nach wie vor das Schönste. Einfach die Züge fahren lassen und staunen.

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Fotos: Silvia Maurer Seit Mitte der 80er Jahre ist der Modellbau sein großes Hobby: Arnold Romeser vor seiner 17 Quadratmet­er großen Anlage.
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In mühevoller Kleinstarb­eit fertigte Arnold Romeser diese Brücke aus 6000 Streich hölzern.
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Romeser legt viel Wert auf Details. Für diese Abbruchsze­ne fertige er aus einem Blumentopf Bauschutt.
 ??  ?? Diese Mini Winterland­schaft ist das neueste Kunstwerk Arnold Romesers. Bei glühender Hitze im Sommer hat er die Eiszapfen ge klebt.
Diese Mini Winterland­schaft ist das neueste Kunstwerk Arnold Romesers. Bei glühender Hitze im Sommer hat er die Eiszapfen ge klebt.

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