Mittelschwaebische Nachrichten
In Windeln eingewickelt
Das Fatschenkind ist eine Verkündigung der Liebe Gottes
Krumbach In der Advents- und Weihnachtszeit wird in Krippenspielen das Geschehen rund um die Geburt Christi nacherzählt. Maler haben wunderbare Krippenbilder gemalt. Krippenschnitzer haben die Heilige Nacht nachempfunden und in die Häuser geholt. Lange bevor der Christbaum Einzug in die gute Stube hielt, stand an Weihnachten die Krippe in katholischen Familien im Herrgottswinkel. Wer nicht schnitzen konnte und sich auch keine geschnitzten Figuren zu leisten vermochte, der begnügte sich mit „Bachenen“. Sie wurden aus Ton gefertigt und gebrannt wie Schüsseln und Teller.
Die Krippen waren sehr verschiedenartig. Manche beschränkten sich nur auf den Stall mit Maria und Josef und dem Jesuskind. Andere zeigen auch noch den Engel, der den Hirten die Frohe Botschaft verkündet. Wieder andere legen Wert auf Hirten und Schafe, die zum Heiland kommen. Auf die heiligen Dreikönige will man auch ungern verzichten. Da kommt dann schon einiges zusammen. Der Herrgottswinkel reicht da nicht mehr aus. Nicht jeder hat so viel Platz in seiner Wohnung zumal, wenn man in Miete wohnt.
Es waren Klosterfrauen, die auf die Idee kamen, eine einzige Weihnachtsdarstellung in ihre bescheidene Klosterzelle zu holen. Sie hielten den Augenblick fest, von dem es heißt: „Ihr werdet ein Kindlein finden in Windeln eingewickelt“. Das war ihr Thema. Sie besaßen nur diese eine Figur, eine Figur des Jesuskindes, das sie nun nach allen Regeln der Kunst einwickelten. Der Fachausdruck für das Einwickeln mit Windeln lautete früher „Fatschen“, daher erhält das in Windeln eingewickelte Jesuskind den Namen „Fatschenkind“.
Die Binden umwickeln nicht nur den Unterleib, sondern den ganzen Körper. Nur das Köpflein bleibt frei. Wer das Fatschenkind betrachtet, der muss eigentlich Mitleid mit dem Kind haben, denn es kann seine Füßchen nicht bewegen. Es kann nicht strampeln. Es kann nicht krabbeln. Es ist zu völliger Hilflosigkeit verdammt.
Auch die Hände haben keine Bewegungsfreiheit. Sie können sich nicht ausstrecken. Sie sind gefesselt. Das Jesuskind liegt da eingeschnürt wie ein Geschenkpaket, das darauf wartet ausgepackt zu werden. Die ganze Hilflosigkeit, das Ausgeliefertsein, die so ein Fatschenkindlein verkörpert, möchte die fromme Ordensfrau, die dieses Kind in ihrer Zelle verehrt, daran erinnern, dass Jesus in die Welt gekommen ist, um den Willen des himmlischen Vaters zu erfüllen.
Nach seinem Tod am Kreuz wird man den toten Heiland ins Grab legen. Man wird ihn mit Leinenbinden einwickeln, um ihn später einbalsamieren zu können. So sind die Binden, die das Jesuskind gleichsam fesseln, schon erste Hinweise auf seinen Tod. Der Tod aber wird nicht das Letzte sein. Der Auferstandene lässt die Binden zurück. Die Leinentücher werden aber später zu Altartüchern, auf denen die Eucharistie gefeiert wird. Das Fatschenkind ist also mehr als ein kleines Kunstwerk - das sind Klosterarbeiten auch -, es ist eine Verkündigung der Liebe Gottes zu uns Menschen, die in der Menschwerdung Gottes ihren höchsten Ausdruck findet und im Tod am Kreuz besiegelt wird.