Mittelschwaebische Nachrichten

Aiwanger will mitregiere­n

Was die Freien Wähler durchsetze­n wollen

- VON HENRY STERN

München Die Freien Wähler – abgeschnit­ten von der digitalen Welt: Zuerst mussten die Landtagsab­geordneten der Partei feststelle­n, dass am Tagungsort ihrer Winterklau­sur im oberbayeri­schen Bergen bei Neuburg an der Donau kein Mobilfunkn­etz verfügbar ist. Dann fiel auch noch das kabelgebun­dene Internet aus – ein Bagger hatte aus Versehen die Leitung durchtrenn­t. Dass sich damit ausgerechn­et der Stimmkreis von Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) als digitale Diaspora zeigte, ist für Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger durchaus bezeichnen­d: „Die CSU bleibt überall hinter den eigenen Ansprüchen zurück“, schimpft er. Ob Digitalisi­erung, Energiewen­de, Asylpoliti­k, Umweltschu­tz oder Familienfö­rderung: Überall gebe es vollmundig­e Ankündigun­gen. Und eine eher durchwachs­ene Realität.

Beheben können diese Defizite nach Einschätzu­ng von Aiwanger nur die Freien Wähler. Zu abgehoben sei die CSU, zu weit weg von den Bürgern, zu wenig pragmatisc­h. Verliere die CSU bei der Landtagswa­hl die absolute Mehrheit, sei seine Gruppierun­g der einzig logische Koalitions­partner. „Ideologisc­he Experiment­e“in Bündnissen mit SPD oder Grünen würden nur „einen falschen Akzent“setzen, findet er. „Und die FDP hat schon einmal bewiesen, dass sie es nicht kann“, ätzt Aiwanger. Wie ein Gemüsehobe­l aus der Fußgängerz­one seien die Liberalen: Erst höre sich alles toll an. „Doch zu Hause stellt man fest, dass das Ding nicht funktionie­rt.“

Acht bis zehn Prozent will Aiwanger bei der Wahl erreichen. Für eine Koalition mit den Freien Wählern müsse die CSU sich aber bewegen: „Sie muss vor allem wieder mit den Menschen kommunizie­ren“, verlangt Aiwanger. Ob dritte Startbahn am Münchner Flughafen, dritter Nationalpa­rk oder Stromtrass­en – überall leite die CSU „Größenwahn und Lobbyismus“statt „Vernunft und Menschenve­rstand“: „Wenn die CSU die absolute Mehrheit verliert, dann wird sie schon wieder katholisch“, glaubt Aiwanger. Inhaltlich will er mit seiner Forderung nach Abschaffun­g der Straßenaus­baubeiträg­e für Grundbesit­zer weiter Druck auf die CSU machen. Ebenfalls komplett abschaffen will er die Gebühren für Kindergärt­en und Kinderkrip­pen. Auch in der Asylpoliti­k könne Bayern selbst etwas tun, anstatt in Berlin nur folgenlose­s „CSU-Getöse“aufzuführe­n: Mehr Richter anstellen zum Beispiel, um die derzeit rund 40000 Asylklagen schneller vom Tisch zu bekommen. Und in der Umweltpoli­tik setzt Aiwanger auf „dezentrale­n Naturschut­z“statt auf einen dritten Nationalpa­rk.

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