Mittelschwaebische Nachrichten
Dealer zeigt Kripo Drogenversteck im Gefrierschrank
Warum ein 26-Jähriger wegen Rauschgiftkriminalität mehrere Jahre hinter Gitter, aber nicht in eine geschlossene Suchtklinik muss
Memmingen/Jettingen Scheppach Im Leben des jungen Angeklagten ist so einiges schiefgelaufen. Bereits mit 13 Jahren nahm er erstmals Suchtmittel, mit 15 Jahren wurde er straffällig. Dann folgten weitere Delikte und mehrfach der Jugendknast. Das beeindruckte den heute 26-Jährigen offensichtlich nicht, er machte weiter und stieg ins Drogengeschäft ein. Wegen Besitz und Handel mit Rauschgift im Kilobereich muss er jetzt zwei Jahre und fünf Monate hinter Gitter.
Auf die Spur des Dealers kam die Neu-Ulmer Kripo durch den Tipp eines Abnehmers. Nach längerer Observation erfolgte Anfang Juli vergangenen Jahres in JettingenScheppach der Zugriff. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Im Rucksack entdeckten die Fahnder mehr als 2000 Euro Bargeld. Bei der Wohnungsdurchsuchung war der Verdächtige überraschend kooperativ, wie ein Kripobeamter als Zeuge bei der Verhandlung des Memminger Schöffengerichts sagte. Er zeigte den Fahndern die Rauschgiftverstecke, unter anderem im Gefrierschrank und in einer Schrankwand. Zunächst habe der 26-Jährige keine Angaben machen wollen, dann sei er plötzlich redselig geworden. Den Drogenhandel habe er wegen finanzieller Schwierigkeiten betrieben. Auf einer Schuldnerliste wurden abgekürzte Namen von Abnehmern gefunden, wie ein weiterer Kripomann aussagte. Durch den Abgleich mit Handydaten wurden diese Personen ermittelt. In der Wohnung des Verdächtigen fielen den Fahndern mehr als ein Kilogramm Amphetamin, Marihuana, Haschplatten sowie 50 Ecstasy-Tabletten in die Hände, wie Staatsanwalt Sebastian Murer auflistete. Die Anklage lautete daher auf Besitz und gewerbsmäßigen Handel von Rauschgift in nicht geringen Mengen. Für seinen Mandanten gab Anwalt Daniel Mahler eine Erklärung ab, in der die Vorwürfe eingeräumt wurden.
Wegen seiner kriminellen Vorgeschichte saß der Angeklagte 2016 schon mehrere Monate in der Justizvollzugsanstalt Kaisheim bei Donauwörth. Dort holte er den Hauptschulabschluss nach. Seine bisherigen Stationen waren eine Bilanz des Scheiterns. Mehrfach hatte er Ausbildungen zum Maurer, Dachdecker und Kraftfahrzeugmechatroniker abgebrochen. Zwischendurch hatte er mal einen Job in einem Autohof, aus dem er wegen seiner Haft rausflog. Bis zum Knastaufenthalt konsumierte er „ziemlich extrem“Drogen und trank, wie der 26-Jährige in der Verhandlung sagte. Schon als 13-Jähriger hatte er erstmals Rauschgift genommen, mit 14 dann Ecstasy ausprobiert und ab 16 regelmäßig unterschiedliche Drogen eingeworfen. Ob er schon mal an eine Therapie gedacht habe, fragte ihn Staatsanwalt Murer. „Wäre gut, wenn ich eine machen würde“, kam als Antwort. Mehrfach war der junge Mann schon in Behandlung im Günzburger Bezirkskrankenhaus, vor allem wegen Panikattacken, wie er auf Fragen des Sachverständigen Andreas Küthmann, Chef der Memminger Psychiatrie, sagte.
Damals waren die Drogen oder gar eine Entgiftung nie ein Thema. In dieser Zeit hat er häufig Medikamente wie Tramadol oder Codein gegen ADHS geschluckt, die beide ebenfalls zur Gruppe der Opiate zählen. Trotz des Drogenmissbrauchs habe er funktioniert, so der Angeklagte, und nur selten verschlafen, wenn er zur Arbeit musste. Sein Vorstrafenregister umfasst sieben Einträge, darunter Diebstahl, Einbruch und Körperverletzung.
Mehrfach verstieß er nach Jugendstrafen gegen Bewährungsauflagen, sodass jetzt noch neun Monate Haft anstehen. Der Sachverständige erkannte zwar eine Abhängigkeit, aber keinen Hang zur Drogeneinnahme. Eine verminderte Steuerungsfähigkeit liege nicht vor. Anhaltspunkte für eine Unterbringung in der geschlossenen Entziehungsanstalt, um weitere schwere Straftaten zu verhindern, seien nicht gegeben. Das empfand Verteidiger Mahler wegen des Drogenkonsums seines Mandanten als Widerspruch. Der Angeklagte habe trotz der Rauschgifteinnahme noch normal funktioniert und habe arbeiten können, sagte der Sachverständige, eine konkrete Beeinträchtigung der Gesundheit liege nicht vor.
Staatsanwalt Murer forderte angesichts der großen Drogenmengen, die keinen minderschweren Fall rechtfertigten, aufgrund der Vorstrafen und zweifacher offener Bewährung zwei Jahre und zehn Monate Haft. Verteidiger Mahler wertete das Geständnis positiv und hielt eine therapeutische Aufarbeitung für notwendig, mit dem Antrag auf ein Jahr und elf Monate Freiheitsstrafe kam er beim Schöffengericht nicht durch. Das Urteil lautete auf zwei Jahre und fünf Monate. Er habe die Drogen nicht verkauft, um Unmengen Geld zu scheffeln, sagte der Angeklagte, sondern weil er keinen Job und die Gelegenheit hatte, günstig an den Stoff zu kommen. Wegen der offenen neun Monate aus der früheren Strafe stehen ihm mehr als drei Jahre Knast bevor. Danach kann er sich einem ambulanten Entzug unterziehen.