Mittelschwaebische Nachrichten
Unter Drogen Polizisten attackiert
Ein 26-Jähriger hatte im BKH Günzburg zudem einen Mülleimer angezündet. Jetzt stand er vor Gericht
Landkreis Der Mann drehte völlig durch: Im Januar vergangenen Jahres attackierte er zwei Polizisten, schlug um sich, trat und spuckte. Einen knappen Monat später zündete er im Bezirkskrankenhaus einen Papierkorb an und flüchtete. Gestern wurde der 26-Jährige wegen Körperverletzung, Beleidigung, Widerstand und Sachbeschädigung zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
Amtsrichterin Franziska Braun verwies in ihrer Urteilsbegründung ausdrücklich auf die zunehmenden Gewaltexzesse gegen Einsatzkräfte. Eine Geldstrafe, wie von Verteidiger Walter Deistler (Günzburg) beantragt, komme angesichts der Delikte nicht mehr in Betracht, sagte die Richterin. Wie war es zu der Extremsituation gekommen: Die Schwester des Angeklagten beschrieb ihren Bruder als „ruhig und gediegen“. Doch wenige Wochen vor dem Vorfall war der Vater des 26-Jährigen überraschend gestorben, das habe ihn ziemlich mitgenommen. Ende Januar vergangenen Jahres war der Angeklagte betrunken nach Hause zu Mutter und Schwester gekommen und war völlig verändert und extrem depressiv. Schwester und Mutter befürchteten, er könne sich etwa antun und riefen den Rettungsdienst. Wegen der Verfassung des 26-Jährigen kam eine Polizeistreife dazu.
Als die Beamten den jungen Mann beruhigen wollten, flippte der aus. Er schrie, beschimpfte die Polizisten und schlug um sich. Ein Beamter bekam einen Schlag ins Gesicht. Als er auf der Wache in die Arrestzelle gebracht wurde, versuchte er einem Beamten in den Unterleib zu treten. In der Verhandlung entschuldigte sich der Angeklagte: „Ich bin eigentlich kein aggressiver Mensch. Das ist mir alles äußerst peinlich.“An die Ereignisse könne er sich nicht mehr erinnern. Nur knapp vier Wochen später kam es im Günzburger Bezirkskrankenhaus (BKH) zum nächsten Vorfall. Der 26-Jährige war freiwillig zur Behandlung gegangen, ihm wurde eine schizophrene Psychose diagnostiziert. Aber er hielt es in der Klinik nicht aus. Er griff sich einen Plastikpapierkorb, packte Toilettenpapier und einen Pullover hinein und zündete alles an. Durch den Qualm wurde Feueralarm ausgelöst, im dadurch entstehenden Trubel flüchtete der Angeklagte, konnte aber wenig später von der Polizei festgenommen werden. Weil er den Plastikeimer in der Duschwanne platziert hatte, blieb es beim verschmorten Kunststoff und etwas Ruß. Dadurch blieb dem 26-Jährigen eine Anklage wegen Brandstiftung erspart.
Als Sachverständiger bescheinigte Psychiater Andreas Küthmann dem Studenten verminderte Steuerungsfähigkeit im ersten Anklagepunkt. Die psychische Ausnahmesituation sei auf den langjährigen Drogengenuss und Alkoholkonsum des jungen Mannes zurückzuführen. Im zweiten Fall gelte dies jedoch nicht, da habe er bewusst und zielgerichtet gehandelt. Oberstaatsanwalt Christoph Ebert forderte für das „massive Auftreten gegenüber Polizeibeamten“mit Beleidigung und Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten, für die Sachbeschädigung durch den angezündeten Plastikeimer eine Geldstrafe in Höhe von 900 Euro.
Wegen der „einmaligen Verfehlung“seines strafrechtlich nicht vorbelasteten Mandanten, der Reue gezeigt, sich entschuldigt habe und eine freiwillige Therapie mache, hielt Anwalt Deistler eine Geldstrafe von 450 Euro für angemessen. Das sah Richterin Braun anders und verhängte die Freiheitsstrafe mit dreijähriger Bewährung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.