Mittelschwaebische Nachrichten
GroKo oder No GroKo?
Raus aus den Kartoffeln, rein in die Kartoffeln: Die Sozialdemokraten streiten darum, ob sie mit der Union wieder eine Regierung bilden oder zumindest Gespräche darüber führen sollen. Zwei Standpunkte aus der Region
Günzburg/Burgau/Bonn Am Sonntag blicken vermutlich nicht nur die Sozialdemokraten in Deutschland nach Bonn. Von dem Votum der knapp 650 erwarteten Delegierten wird es abhängen, ob die SPD überhaupt Koalitionsgespräche mit der Union führen wird. Der Riss geht quer durch die Partei. Das ist auch im Landkreis Günzburg so. Während für den Günzburger Oberbürgermeister Gerhard Jauernig die Große Koalition (GroKo) alternativlos ist, mag Tobias Auinger, 27, davon gar nichts wissen. Nach dem Wahldebakel im September ist für ihn der Platz der SPD auf der Oppositionsbank. Das hat wenige Minuten nach Schließung der Wahllokale auch der SPD-Bundesvorsitzende Martin Schulz so verkündet. Deshalb ist Auinger, im März 2017 in Burgau als Stadtrat nachgerückt und außerdem stellvertretender Landes- und Bezirksvorsitzender der SPDNachwuchsorganisation Juso, von Schulz so enttäuscht. Das eint ihn mit Jauernig, der diese Festlegung des SPD-Chefs als vorschnell und leichtfertig empfunden hat. Wer der beiden SPD-Kommunalpolitiker hat die besseren Argumente?
war in Hochstimmung, als Schulz zum Spitzenkandidaten der SPD gekürt wurde. Da seine Partei am Wahltag so abgewatscht wurde, habe es nur die vom Bundesvorsitzenden ausgesprochene Konsequenz geben können, sich in der Opposition zu erneuern. Der „Umfaller“Schulz hat bei dem Jungsozialisten aus Burgau Kopfschütteln ausgelöst – zumal der ja nach dem Platzen der Jamaika-Träume eine Regierungskoalition erneut kategorisch ausgeschlossen habe. „Die Große Koalition hat im Vergleich zur Bundestagswahl davor 14 Prozentpunkte verloren. Das ist doch kein Wählerwille nach dem Motto: ,Weiter so‘“, sagt Auinger.
Dass Opposition Mist ist, wie es der frühere SPD-Chef Franz Müntefering einmal auf den Punkt gebracht hat, will der Burgauer Stadtrat so nicht unterstreichen. Auinger sagt: „Opposition ist eines der wichtigsten Mittel im demokratischen politischen System. Damit verbun- ist auch die Kontrollfunktion der Regierung. Man muss nicht an der Regierung sein, um Akzente setzen zu können.“Das 28-seitige Sondierungspapier bringe außerdem nicht die inhaltlichen Fortschritte, für die es sich lohnen würde, nochmals in die GroKo zu gehen. „Leuchtturmprojekte wie die Bürgerversicherung und die Abschaffung sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge fehlen“, findet Auinger.
Das sieht Günzburgs Oberbürgermeister Jauernig nicht so. Eine Partei mit einem 20-Prozent-Wahlergebnis könne nicht 100 Prozent ihrer Forderungen durchsetzen. Die sozialdemokratische Handschrift der Sondierungsergebnisse sei „ganz klar an sieben, acht Punkten zu erkennen“, sagt der Rathauschef: Die Solidaritätsrente für Ruheständler nennt er, das Rückkehrrecht von Teilzeit- in Vollzeitjobs, das Verbot des Pestizidmittels Glyphosat, das Abbremsen der MietpreisentwickAuinger lung, ein modernes Einwanderungsgesetz, die Weiterführung des sozialen Wohnungsbaus über das Jahr 2019 hinaus und eine proeuropäisch ausgerichtete Politik zählt der Oberbürgermeister auf.
Dass die SPD-Spitze von ihrer grundsätzlichen Ablehnung an einer Regierungsbeteiligung abgerückt sei, hat aus Jauernigs Sicht nichts mit „Prinzipienlosigkeit“zu tun, wie von SPD-Gegnern der GroKo argumentiert werde. „Diese organisierten Diskussionen gleichen einer Selbstdemontage.“Die bayerischen Sozialdemokraten warnt er „ausdrücklich davor, im Bund zum Gang in die Opposition zu raten, um sich dort zu erneuern und Kraft zu tanken“. Nicht wörtlich, aber sinngemäß begründete Jauernig seinen Hinweis damit, dass die BayernSPD mit dieser Argumentation vor lauter Kraft eigentlich kaum laufen können dürfe nach sechs Jahrzehnten ohne Regierungsverantwortung.
Eine von der SPD tolerierte Minden derheitsregierung sei keine ernsthafte Variante. Allein bei der Vorstellung, dass die Union die Stimmen der AfD benötige, um die eine oder andere politische Forderung durchzusetzen, graue es ihm. Neuwahlen, „bis der Politik das Ergebnis passt“, sind aus Sicht des Oberbürgermeisters ebenso ein Ding der Unmöglichkeit.
Und das Argument des Wählerwillens kontert er folgendermaßen: „Wähler wollen mit ihren Stimmen Einfluss auf die Politik nehmen. Wie sollen künftig unsere Wahlslogans aussehen? ,Für die SPD! Für die Opposition!‘ etwa?“
Wie wird es am Sonntagnachmittag nach angesetzten fünf Stunden Parteitag ausgehen? Da sind sich Auinger und Jauernig wieder einig: Vermutlich nicht sehr deutlich. „Ich habe kein eindeutiges Stimmungsbild“, sagt der Nachwuchspolitiker. Und der OB würde auf das Ergebnis „nicht mit großem Kapitaleinsatz“wetten. Seite 2,