Mittelschwaebische Nachrichten
Bescheide bleiben fürs Erste im Rathaus
Bürgermeister reagieren auf die geplante Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und kritisieren die unsichere Rechtslage. Abgeordnete stellen rasche Lösung in Aussicht
Krumbach/Thannhausen Straßenausbaubeitragssatzung: Hinter diesem nicht gerade leicht aussprechbaren Wort steckt ein Reizthema. In den letzten Jahren vor allem auch in Krumbach. Wenn Straßen saniert werden, dann müssen in der Regel auch die Anlieger kräftig mitzahlen – oft bis zu 80 Prozent. In Krumbach gab es deswegen immer wieder heftige Debatten, aber auch in vielen anderen Kommunen wächst der Unmut der Bürger. Das blieb nicht ohne Eindruck auf die Landespolitik. Die Freien Wähler haben ihr Volksbegehren für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge gestartet, die CSU-Fraktion hat vor Kurzem angekündigt, dass Bürger künftig keine Straßenausbaubeiträge mehr bezahlen müssen. Doch was heißt „künftig“? Was bedeutet dies alles für gerade laufende Verfahren?
Erhalten die Städte und Gemeinden finanziellen Ersatz für die Einnahmeausfälle? Müssen gar geplante Sanierungen von Straßen gestrichen werden? Fragen über Fragen, die gerade die Kommunalpolitik, insbesondere die Bürgermeister, regelrecht aufwühlen. In der jüngsten Sitzung des Krumbacher Bauausschusses kündigte Bürgermeister Hubert Fischer an, dass die Stadt bis auf Weiteres keine Bescheide an betroffene Anlieger mehr verschicken werde, auch keine Bescheide für laufende Verfahren. Er sparte nicht mit Kritik an der Politik des Freistaats und bezweifelte, dass der Einnahmeverlust der Kommunen ausreichend kompensiert werde. „Die Erfahrung sagt mir, dass der Freistaat nicht allzu freigiebig ist.“Er kritisierte die derzeit unsichere „Wir wissen Null Komma Null“. Zu klären sei unter anderem, wie geleistete Vorauszahlungen zu bewerten seien, ebenso gebe es bei offenen Widersprüchen Klärungsbedarf, erklärt Fischer auf Nachfrage unserer Zeitung. In verschiedenen Fällen seien Vorausleistungen gezahlt worden, die Endabrechnung würde aber noch nicht vorliegen. In Krumbach seien von der Aussetzung der Bescheidverschickung unter anderem die KarlMantel-Straße und die Robert-Steiger-Straße betroffen. Die Thematik würde sogar noch bis zur Dorferneuerung in Niederraunau zurückreichen.
In welcher Größenordnung bewegen sich in Krumbach jährlich die Anliegerbeiträge? Fischer spricht von einer Summe von rund 500000 bis 600 000 Euro. Er sagt, dass er das Aussetzen der Bescheide zunächst auf seine „Kappe nimmt“, aber in zwei bis drei Monaten das Verfahren vom Stadtrat absegnen lassen möchte. Fischer wünscht sich eine rasche gesetzliche Neuregelung. „Es pressiert.“Im Extremfall würden rund 2000 bayerische Kommunen ihren Straßenbau deutlich einschränken – mit negativen Auswirkungen auf die Tiefbauwirtschaft. Fischer rechnet damit, dass den bayerischen Kommunen eine Summe von rund 400 bis 800 Millionen Euro jährlich fehlen könnte und fordert einen angemessenen Ausgleich.
Sein Thannhauser Amtskollege Georg Schwarz geht von etwa 300 bis 500 Millionen Euro jährlich aus. Wo auch immer der Betrag genau liegt – allein die Größenordnung deutet an, um was es da für die Kommunen geht. Anders als Fischer hat Schwarz wiederholt be- tont, dass er die bestehende Regelung zur Finanzierung von Straßen für ungerecht halte, da sie in Bayern höchst unterschiedlich umgesetzt werde. Wenn beispielsweise ein einzelner Anlieger rund 50 000 Euro Beitrag zahlen müsse, dann sei das kaum zu vermitteln. Aber wie Fischer fordert auch er eine rasche Neuregelung und „Ersatz“vom Freistaat. Auch Schwarz hat das Verschicken von Bescheiden ausgesetzt. Anders als in Krumbach seien in Thannhausen aber in den letzten Jahrzehnten viele Straßen saniert worden. „Der Druck ist bei uns nicht so groß wie in Krumbach“, erklärt Schwarz. Ferner erläutert er, dass die jetzt zurückgehaltenen Bescheide Ende des Jahres 2018 verjähren würden. Auch hier zeige sich der Handlungsbedarf für die Politik. Ähnlich wie Fischer sieht Schwarz umfassenden juristischen Klärungsbedarf. Dabei gehe es unter anderem um bezahlte Vorausleistungen und das Thema Endabrechnung. Schwarz nennt als Beispiel den Kreisverkehr beim V-Markt. Der sei seit rund zwei Jahren in Betrieb, aber die Endabrechnung würde noch nicht vorliegen.
Wie flächendeckend das Thema Ausbaubeiträge derzeit die Kommunalpolitik beschäftigt, macht auch eine Nachfrage bei der Breitenthaler Bürgermeisterin und Vorsitzenden der Verwaltungsgemeinschaft Krumbach, Gabriele Wohlhöfler, deutlich. Auch sie hat das Verschicken von Bescheiden ausgesetzt, sie wünscht sich vom Freistaat eine rasche Neuregelung und finanziellen Ersatz.
Die CSU-Landtagsabgeordneten Alfred Sauter und Dr. Hans Reichhart kündigen im Gespräch mit unRechtslage: serer Zeitung an, dass eine Neuregelung so schnell wie möglich kommen werde und nicht auf die lange Bank geschoben werde. Es gebe Gespräche zwischen der Staatsregierung, der CSU-Fraktion und den kommunalen Spitzenverbänden. Beide halten es für denkbar, dass eine gesetzliche Neuregelung in rund drei Monaten unter Dach und Fach sein könnte.
Beide sagen aber auch, dass die Regelung der vielen Details nicht einfach sei. Dies betreffe unter anderem laufende Verfahren und das Thema der nicht vorliegenden Endabrechnung. Zu klären sei auch die Thematik laufender Klagen. Verständnis haben sie für die Forderung der Kommunen nach finanzieller Kompensation. Die Refinanzierung müsse geklärt werden. Wie sieht diese konkret aus? Sauter betont, dass dies beim Thema Straßenausbau auch eine Frage des zugrunde gelegten Standards sei. Bekanntlich hätten Bürger verschiedenen Kommunen ja vorgeworfen, dass beim Straßenbau immer wieder Luxussanierungen auf Kosten der Anlieger angestrebt würden. Sauter geht davon aus, dass es bei bereits rechtskräftigen Bescheiden auch bleibe. In anderen Fällen könne die Staatsregierung Empfehlungen geben, aber bei der Suche nach Lösungen seien auch die Kommunen gefordert, die sich dann „etwas einfallen lassen“müssten.
Das deutet an, dass es zwischen der Landespolitik und der Kommunalpolitik noch einigen Gesprächsbedarf gibt. Aber Reichhart sagt auch, dass die bisherige Regelung mit Blick auf den zunehmenden Unmut der Bürger „nicht mehr zu halten war“.