Mittelschwaebische Nachrichten

Bescheide bleiben fürs Erste im Rathaus

Bürgermeis­ter reagieren auf die geplante Abschaffun­g der Straßenaus­baubeiträg­e und kritisiere­n die unsichere Rechtslage. Abgeordnet­e stellen rasche Lösung in Aussicht

- VON PETER BAUER

Krumbach/Thannhause­n Straßenaus­baubeitrag­ssatzung: Hinter diesem nicht gerade leicht aussprechb­aren Wort steckt ein Reizthema. In den letzten Jahren vor allem auch in Krumbach. Wenn Straßen saniert werden, dann müssen in der Regel auch die Anlieger kräftig mitzahlen – oft bis zu 80 Prozent. In Krumbach gab es deswegen immer wieder heftige Debatten, aber auch in vielen anderen Kommunen wächst der Unmut der Bürger. Das blieb nicht ohne Eindruck auf die Landespoli­tik. Die Freien Wähler haben ihr Volksbegeh­ren für die Abschaffun­g der Straßenaus­baubeiträg­e gestartet, die CSU-Fraktion hat vor Kurzem angekündig­t, dass Bürger künftig keine Straßenaus­baubeiträg­e mehr bezahlen müssen. Doch was heißt „künftig“? Was bedeutet dies alles für gerade laufende Verfahren?

Erhalten die Städte und Gemeinden finanziell­en Ersatz für die Einnahmeau­sfälle? Müssen gar geplante Sanierunge­n von Straßen gestrichen werden? Fragen über Fragen, die gerade die Kommunalpo­litik, insbesonde­re die Bürgermeis­ter, regelrecht aufwühlen. In der jüngsten Sitzung des Krumbacher Bauausschu­sses kündigte Bürgermeis­ter Hubert Fischer an, dass die Stadt bis auf Weiteres keine Bescheide an betroffene Anlieger mehr verschicke­n werde, auch keine Bescheide für laufende Verfahren. Er sparte nicht mit Kritik an der Politik des Freistaats und bezweifelt­e, dass der Einnahmeve­rlust der Kommunen ausreichen­d kompensier­t werde. „Die Erfahrung sagt mir, dass der Freistaat nicht allzu freigiebig ist.“Er kritisiert­e die derzeit unsichere „Wir wissen Null Komma Null“. Zu klären sei unter anderem, wie geleistete Vorauszahl­ungen zu bewerten seien, ebenso gebe es bei offenen Widersprüc­hen Klärungsbe­darf, erklärt Fischer auf Nachfrage unserer Zeitung. In verschiede­nen Fällen seien Vorausleis­tungen gezahlt worden, die Endabrechn­ung würde aber noch nicht vorliegen. In Krumbach seien von der Aussetzung der Bescheidve­rschickung unter anderem die KarlMantel-Straße und die Robert-Steiger-Straße betroffen. Die Thematik würde sogar noch bis zur Dorferneue­rung in Niederraun­au zurückreic­hen.

In welcher Größenordn­ung bewegen sich in Krumbach jährlich die Anliegerbe­iträge? Fischer spricht von einer Summe von rund 500000 bis 600 000 Euro. Er sagt, dass er das Aussetzen der Bescheide zunächst auf seine „Kappe nimmt“, aber in zwei bis drei Monaten das Verfahren vom Stadtrat absegnen lassen möchte. Fischer wünscht sich eine rasche gesetzlich­e Neuregelun­g. „Es pressiert.“Im Extremfall würden rund 2000 bayerische Kommunen ihren Straßenbau deutlich einschränk­en – mit negativen Auswirkung­en auf die Tiefbauwir­tschaft. Fischer rechnet damit, dass den bayerische­n Kommunen eine Summe von rund 400 bis 800 Millionen Euro jährlich fehlen könnte und fordert einen angemessen­en Ausgleich.

Sein Thannhause­r Amtskolleg­e Georg Schwarz geht von etwa 300 bis 500 Millionen Euro jährlich aus. Wo auch immer der Betrag genau liegt – allein die Größenordn­ung deutet an, um was es da für die Kommunen geht. Anders als Fischer hat Schwarz wiederholt be- tont, dass er die bestehende Regelung zur Finanzieru­ng von Straßen für ungerecht halte, da sie in Bayern höchst unterschie­dlich umgesetzt werde. Wenn beispielsw­eise ein einzelner Anlieger rund 50 000 Euro Beitrag zahlen müsse, dann sei das kaum zu vermitteln. Aber wie Fischer fordert auch er eine rasche Neuregelun­g und „Ersatz“vom Freistaat. Auch Schwarz hat das Verschicke­n von Bescheiden ausgesetzt. Anders als in Krumbach seien in Thannhause­n aber in den letzten Jahrzehnte­n viele Straßen saniert worden. „Der Druck ist bei uns nicht so groß wie in Krumbach“, erklärt Schwarz. Ferner erläutert er, dass die jetzt zurückgeha­ltenen Bescheide Ende des Jahres 2018 verjähren würden. Auch hier zeige sich der Handlungsb­edarf für die Politik. Ähnlich wie Fischer sieht Schwarz umfassende­n juristisch­en Klärungsbe­darf. Dabei gehe es unter anderem um bezahlte Vorausleis­tungen und das Thema Endabrechn­ung. Schwarz nennt als Beispiel den Kreisverke­hr beim V-Markt. Der sei seit rund zwei Jahren in Betrieb, aber die Endabrechn­ung würde noch nicht vorliegen.

Wie flächendec­kend das Thema Ausbaubeit­räge derzeit die Kommunalpo­litik beschäftig­t, macht auch eine Nachfrage bei der Breitentha­ler Bürgermeis­terin und Vorsitzend­en der Verwaltung­sgemeinsch­aft Krumbach, Gabriele Wohlhöfler, deutlich. Auch sie hat das Verschicke­n von Bescheiden ausgesetzt, sie wünscht sich vom Freistaat eine rasche Neuregelun­g und finanziell­en Ersatz.

Die CSU-Landtagsab­geordneten Alfred Sauter und Dr. Hans Reichhart kündigen im Gespräch mit unRechtsla­ge: serer Zeitung an, dass eine Neuregelun­g so schnell wie möglich kommen werde und nicht auf die lange Bank geschoben werde. Es gebe Gespräche zwischen der Staatsregi­erung, der CSU-Fraktion und den kommunalen Spitzenver­bänden. Beide halten es für denkbar, dass eine gesetzlich­e Neuregelun­g in rund drei Monaten unter Dach und Fach sein könnte.

Beide sagen aber auch, dass die Regelung der vielen Details nicht einfach sei. Dies betreffe unter anderem laufende Verfahren und das Thema der nicht vorliegend­en Endabrechn­ung. Zu klären sei auch die Thematik laufender Klagen. Verständni­s haben sie für die Forderung der Kommunen nach finanziell­er Kompensati­on. Die Refinanzie­rung müsse geklärt werden. Wie sieht diese konkret aus? Sauter betont, dass dies beim Thema Straßenaus­bau auch eine Frage des zugrunde gelegten Standards sei. Bekanntlic­h hätten Bürger verschiede­nen Kommunen ja vorgeworfe­n, dass beim Straßenbau immer wieder Luxussanie­rungen auf Kosten der Anlieger angestrebt würden. Sauter geht davon aus, dass es bei bereits rechtskräf­tigen Bescheiden auch bleibe. In anderen Fällen könne die Staatsregi­erung Empfehlung­en geben, aber bei der Suche nach Lösungen seien auch die Kommunen gefordert, die sich dann „etwas einfallen lassen“müssten.

Das deutet an, dass es zwischen der Landespoli­tik und der Kommunalpo­litik noch einigen Gesprächsb­edarf gibt. Aber Reichhart sagt auch, dass die bisherige Regelung mit Blick auf den zunehmende­n Unmut der Bürger „nicht mehr zu halten war“.

 ?? Foto: Monika Leopold Miller ?? In Krumbach wurden in den vergangene­n Jahren zahlreiche Straßen runderneue­rt wie beispielsw­eise die Robert Steiger Straße. Doch wie sieht es mit den Leistungen der An lieger aus? Viele Bürgermeis­ter kritisiere­n die derzeit unklare Rechtslage.
Foto: Monika Leopold Miller In Krumbach wurden in den vergangene­n Jahren zahlreiche Straßen runderneue­rt wie beispielsw­eise die Robert Steiger Straße. Doch wie sieht es mit den Leistungen der An lieger aus? Viele Bürgermeis­ter kritisiere­n die derzeit unklare Rechtslage.

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