Mittelschwaebische Nachrichten
Lebenslang Tocotronic
Dirk von Lowtzow singt seine Biografie
Ein kluger Mann wie Dirk von Lowtzow weiß, dass auf der anderen Seite die Dunkelheit lauert. Dort, wo „Die Unendlichkeit“beginnt. Das neue Album von Tocotronic fängt so finster an wie keines der Vorgänger. Was kein Wunder ist, schließlich folgt das Werk dem Lauf des Lebens, und das endet naturgemäß mit dem Tod. Doch statt wie 2014 zukunftsgewandt zu fragen, „wie wir leben wollen“, ist „Die Unendlichkeit“eine Abfolge von Songs über verschiedene Phasen im Leben des Mittvierzigers von Lowtzow und seiner drei Bandkollegen – chronologisch sortiert.
Groß sind nach der düsteren Eröffnung die Kontraste: vom zarten Erleben eines Kindes über Teenager-Verzweiflung in der „Schwarzwaldhölle“bis hin zu mehr oder weniger verschlüsselten Trauer- und Trennungserfahrungen. Je weiter das Album voranschreitet, desto ernster wird der Ton. Wie es so ist mit dem Älterwerden.
Die musikalische und textliche Leichtigkeit, die das „Rote Album“(2016) zum zugänglichsten Album der jüngeren Bandgeschichte machte, hat sich bis auf wenige Stücke verflüchtigt – auch wenn von Lowtzow in seinen Texten doppelzüngig bleibt. Aber es ist ein Vergnügen, wie die einstigen Helden der „Hamburger Schule“auch ihre musikalische Entwicklung Revue passieren lassen: Die Single „Hey Du“etwa („Bin ich was, das du nicht kennst, dass du mich Schwuchtel nennst“) ist ein rotziger Song wie aus frühen TocoJahren und sicher bald Stammgast im Live-Repertoire. Am Schluss singt der Frontmann seiner Band und seinen Fans fast schon ein Liebeslied: „Alles was ich immer hatte, wart ihr (…). Bitte verlasst mich nicht.“Versprochen. ★★★★✩