Mittelschwaebische Nachrichten

Furcht vor der Afrikanisc­hen Schweinepe­st

Noch wütet die für Wild- und Hausschwei­ne tödliche Viruserkra­nkung in Polen und Tschechien. Experten schätzen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der erste Fall hierzuland­e nachgewies­en wird. Wie kann man sich vorbereite­n?

- VON TILL HOFMANN

Krumbach/Günzburg „Männer sind Schweine“, singt die Berliner Band Die Ärzte. „Stimmt gar nicht“, konstatier­te eine Expertin des Friedrich-Loeffler-Instituts, das sich bundesweit der Gesundheit lebensmitt­elliefernd­er Tiere widmet und Tierseuche­n bekämpft. Denn das Afrikanisc­he Schweinepe­stvirus könne den Männern – im Gegensatz zu Schweinen – nichts anhaben.

So ein Witz ist „unter Veterinäre­n schon mal möglich“, findet Dr. Franz Schmid. Gehört hat er ihn 2016 bei einem Fachkongre­ss in Bad Staffelste­in. Bereits damals befassten sich die Insider mit der Afrikanisc­hen Schweinepe­st, die vor gut zehn Jahren ihren Seuchenzug von Georgien aus angetreten hat. Kontaminie­rte Speiserest­e, die per Schiff ins Land gelangt sind und an Schweine verfüttert wurden, standen am Anfang der Krankheit, die inzwischen 300 Kilometer Luftlinie vom Landkreis Günzburg in Tschechien angelangt ist.

Nach einer witzigen oder flapsigen Bemerkung war dem Leiter des für den Landkreis zuständige­n Amtes für Veterinärw­esen und Verbrauche­rschutz am Mittwochab­end nicht zumute. Zu ernst sind die Bedrohungs­szenarien. Dabei ist es für die meisten Fachleute keine Frage mehr, ob die Afrikanisc­he Schweinepe­st Deutschlan­d erreicht. Vielmehr geht es um den Zeitpunkt. Entspreche­nd will der Landkreis vorbereite­t sein und informiert­e jetzt in Krumbach und vor Wochenfris­t in Autenried eingeladen­e Jäger und Landwirte über die Seuche, deren Folgen und was jeder zur Vorbeugung beitragen kann. Das Interesse war an den übervollen Sälen der Gasthäuser auf einen Blick erkennbar. Für jeweils 100 Zuhörer war bestuhlt worden. Zwischen 140 und 150 Interessie­rte kamen tatsächlic­h.

Obwohl das aggressive Virus dem Menschen nichts anhaben kann, sei der Marktpreis für Scheinefle­isch in den vergangene­n zwei Wochen um zehn Cent pro Kilogramm gefallen. Eine Diskussion darüber reicht offenbar, um den sensiblen Verbrauche­r zum Schweinefl­eisch-Meider werden zu lassen.

165 schweineha­ltende Betriebe gibt es im Landkreis Günzburg, vornehmlic­h im Norden. Dort sind zurzeit insgesamt 36800 Schweine registrier­t. Das Virus der Afrikanisc­hen Schweinepe­st ist ausgesproc­hen aggressiv. In Rumänien wurden in einem aktuellen Fall am 19. Dezember erste Symptome (Fieber, keine Fresslust) beobachtet – und vor Weihnachte­n war das Wirtstier bereits tot noch ehe weitere Krankheits­zeichen wie Bindehaute­ntzündung, Bewegungss­törungen, erhöh- Atemfreque­nz oder Blutungen in der Haut zu erkennen gewesen wären. Der Erreger überlebt selbst in einem toten Wirt noch mehrere Monate und ist infektiös. In einem mit Blut kontaminie­rten Boden beträgt die Überlebens­zeit gut 200 Tage, in Fleischerz­eugnissen sind es bis 400 Tage. Einen wirksamen Impfstoff gibt es nicht.

Deshalb war es Schmid wichtig zu betonen, dass eine Vorbeugung nur dann wirksam sein kann, wenn sich möglichst viele der Problemati­k bewusst sind und sich nicht gleich reflexarti­g für „nicht zuständig“erklären. Der Spaziergän­ger, der im Wald den Kadaver eines toten Wild- sieht, sollte das am besten bei der Gemeinde melden. Wer nicht so gute Ortskenntn­isse hat, kann den genauen Standort mit Hilfe einer Smartphone-App angeben (Hinweise im Internet unter www.tierfund-kataster.de/tfk, Reiter „Fund erfassen“). Das tote Tier muss schnell aus dem Wald geschafft werden. Sollte es vom Virus befallen sein, ist es eine Ansteckung­squelle erster Güte. Außerdem sollten Lebensmitt­el nicht für Wildschwei­ne zugänglich sein.

Dass dieser Hinweis durchaus seine Berechtigu­ng hat, bestätigte Manfred Borchers, der Kreisvorsi­tzende des Jagdschutz- und Jägerte vereins Günzburg. Er berichtete am Mittwochab­end von einem Stau auf einer Autobahn nahe Berlin und wie die Menschen ihre Wartezeit unter anderem damit überbrückt­en, an der Fahrbahn stehende Wildschwei­ne zu füttern. „Leute, denen das Spaß bereitet, befördern so künstlich die Übertragun­g und Verbreitun­g der Seuche“, mahnt Veterinär Schmid.

Hygienemaß­nahmen sollten Jäger und Landwirte beachten. Die häufigsten „Problemste­llen“auf dem Hof sind dabei die Verladeram­pe, das Kadaverlag­er, das Futter- und Einstreula­ger, die Schutzklei­dung, die Einfriedun­g sowie betriebsei­geschweins ne Kontrollen. Das alles, so Franz Schmid, dürfe nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Ist die Afrikanisc­he Schweinepe­st erst einmal in den Landkreis gelangt, müssen drastische Maßnahmen ergriffen werden. Zwei Fallbeispi­ele zeigte der Leiter des Veterinära­mts am Günzburger Landratsam­t den Besuchern. Im ersten Szenario (siehe auch Grafik), das derzeit glückliche­rweise keine Realität ist, wird ein durch die Afrikanisc­he Schweinepe­st getötetes Wildschwei­n nahe Hammerstet­ten (Gemeinde Kammeltal) angenommen. Drei Zonen werden daraufhin eingericht­et: Die Kernzone mit einem Radius von drei Kilometern; der gefährdete Bezirk (Radius: 15 Kilometer), in dem Jagdverbot herrscht; und die Pufferzone (Radius: weitere 15 Kilometer), in der die Wildschwei­n-Population intensiv bejagt werden soll. Eine Dezimierun­g von 80 bis 90 Prozent der Tiere ist das Ziel.

Als die anwesenden Jäger dies hörten, quittierte­n sie es mit Lachen. Denn die Praxis sieht ganz anders aus: Schon jetzt muss er im Schnitt ungefähr 35 Stunden im Wald verbringen, bevor er ein Wildschwei­n überhaupt zu Gesicht bekommt, sagt Fritz Faist. Der 62-Jährige teilt sich mit zwei Mitjägern das Revier Hagenried (bei Münsterhau­sen). Von Schießen sei da noch gar nicht die Rede.

Im „gefährdete­n Bezirk“dürfen Schweine weder in einen noch aus einem Betrieb verbracht werden. Eine Ausnahme gibt es nur in jener 15-Kilometer-Zone, wenn der Betrieb 24 Stunden vor dem Versand klinisch untersucht worden ist. Aber durch wen? Tierärztli­ches Fachperson­al ist im Landratsam­t auf zwei Vollzeitst­ellen, eine Dreivierte­lstelle und zwei Halbtagsst­ellen verteilt. Genehmigt werden müsste der Transport unmittelba­r zur Schlachtun­g in einer Schlachtst­ätte innerhalb des gefährdete­n Bezirks. Doch von größeren Schlachthö­fen wären die Schweineba­uern in der Zone faktisch abgeschnit­ten. Rund 25000 Tiere sind in dem Beispiel betroffen.

Das und weitere Maßnahmen sollen verhindern, dass der Erreger von der Wildsau auf das Hausschwei­n übertragen wird. Geschieht es doch, ist ein Sperrbezir­k im Radius von drei Kilometern um den Ausbruchsb­etrieb vorgesehen und ein Beobachtun­gsgebiet, das zehn Kilometer rund um den betroffene­n Hof reicht. Alle Schweine in einem solchen Betrieb müssen getötet werden. Sowohl im Sperrbezir­k wie auch in der Beobachtun­gszone sind weder Hausschlac­htungen erlaubt noch ist es ein Transport der Schweine. Die Afrikanisc­he Schweinepe­st könnte so nicht nur infizierte­n Tieren innerhalb kurzer Zeit den Garaus bereiten. Durch erhebliche Handelsbes­chränkunge­n im Seuchenfal­l und dem Zusammenbr­echen des Schweinefl­eisch-Marktes wäre es dann durchaus möglich, dass Schweineha­lter vor dem wirtschaft­lichen Ruin stehen.

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 ?? Foto/Grafik: Gregor Fischer,dpa/Christian Beinhofer ?? Wie umfangreic­h die Maßnahmen sind, wenn ein Wildschwei­n nachweisli­ch durch die Afrikanisc­he Schweinepe­st umkommt, zeigt diese Grafik. Die umliegende­n Landkreise Neu Ulm, Dillingen, Augsburg und Unterallgä­u sind dadurch ebenfalls betroffen – und auch das benachbart­e baden württember­gische Gebiet.
Foto/Grafik: Gregor Fischer,dpa/Christian Beinhofer Wie umfangreic­h die Maßnahmen sind, wenn ein Wildschwei­n nachweisli­ch durch die Afrikanisc­he Schweinepe­st umkommt, zeigt diese Grafik. Die umliegende­n Landkreise Neu Ulm, Dillingen, Augsburg und Unterallgä­u sind dadurch ebenfalls betroffen – und auch das benachbart­e baden württember­gische Gebiet.
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Dr. Franz Schmid

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