Mittelschwaebische Nachrichten
So reagiert die Wirtschaft auf die GroKo
Die Vertreter loben die Investitionen in die Bildung und beklagen fehlende Anreize in der Steuerpolitik
Augsburg Seit gestern ist klar: Die Unionsparteien und die SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Das sagen Wirtschaftsvertreter:
● Peter Saalfrank, Hauptgeschäfts führer der Industrie und Handels kammer Schwaben „Aus wirtschaftspolitischer Sicht sendet der Koalitionsvertrag widersprüchliche Signale. Positiv sind die geplanten Investitionen in eine bessere Bildung und die Digitalisierung, auch in die lange vernachlässigten Berufsschulen. Ein großer Schwachpunkt der Einigung ist der Verzicht auf eine Steuerentlastung für hier tätige Unternehmen – und das zu einem Zeitpunkt, an dem wichtige Standortkonkurrenten die Steuern senken.“
● Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsfüh rer der Handwerkskammer für Schwaben (HWK) „Positiv sind die geplanten Bildungsinvestitionen. Hier geht es im Handwerk besonders um gewerbliche Bildung und unsere Ausbildungszentren. Teuer wird wohl die angepeilte Sozialpolitik. Das Thema Steuern ist komplett unbefriedigend verhandelt. Fehlanzeige für Steuersenkungen, dafür nur die Ankündigung, die nicht zu erhöhen. Das Handwerk braucht eine Regierung, die modernisiert und gestaltet. Eine nachhaltige Strategie für die Infrastruktur, die Digitalisierung, sowie sinnvolle, akzeptierbare Einwanderungsgesetze sind elementar wichtig. Diese Themen wurden leider nur gestreift.“
● Bertram Brossardt, Hauptge schäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) „Die Erfolge der Agenda 2010 sind mit diesem Koalitionsvertrag obsolet. Dafür werden wir beim nächsten Abschwung die Rechnung bezahlen. Die Fülle der sozialpolitischen Ver- sprechen verhindert nachhaltiges Wachstum und geht zulasten künftiger Generationen. Diese Beschlüsse überdecken die richtigen Schwerpunkte in den Bereichen Digitalisierung und Bildung, die vorangebracht werden sollen.“● Ingo Kramer, Präsident der Bun desvereinigung der Deutschen Arbeit geberverbände (BDA) „Aus Sicht der deutschen Wirtschaft sind die Ergebnisse in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik enttäuschend, vieles bleibt unvernünftig und bedeutet weniger Flexibilität für die Unternehmen, dafür aber ein Mehr an Belastung. Der Vertrag ist geprägt von rückwärtsgewandter Umverteilung und unverantwortlicher Belastung der jungen Generation, ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen abzusichern.“
● Dieter Kempf, Präsident des Bun desverbands der Deutschen Industrie (BDI) „In der Gesamtschau ist die deutsche Industrie mit dem Koalitionsvertrag unzufrieden. Beim Geldausgeben besteht eine klare Schieflage in Richtung Umverteilung anstatt in Zukunftssicherung. In der Steuerpolitik fehlt trotz guter wirtschaftlicher Lage der Mut zu Entlastungen und zu Strukturreformen. Wir vermissen ein klares Bekenntnis zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung. “
● Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes „Bildung ist der zentrale Baustein für die Arbeit der Zukunft. Deswegen sind die geplanten milliardenschweren Investitionen in Bildung, die digitale Ausstattung von Schulen und die Mindestausbildungsvergütung wichtige Reformimpulse. Darauf lässt sich aufbauen. Das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit ist für viele Frauen, die mehr arbeiten wollen, ein Lichtblick. Auch beim Thema Rente hat sich die Union bewegt. Die sachgrundlose Befristung ist zwar nicht abgeschafft, aber das Ergebnis ist eine wichtige strukturelle Verbesserung. Aber wir als Gewerkschaften bewerten kritisch, dass die prekäre Beschäftigung nicht bekämpft wird. Dass die Parteien an der schwarzen Null festhalten, verstehen wir ebenfalls nicht.“● Klaus Müller, Vorstand des Ver braucherzentrale Bundesverbandes „Im Koalitionsvertrag steckt aus verbraucherpolitischer Sicht viel Gutes: Die Musterfeststellungsklage soll endlich kommen. Die Koalitionäre haben sich außerdem auf ein staatliches Tierwohllabel geeinigt. Für Algorithmen-basierte Entscheidungen sollen dringend benötigte Kontrollmechanismen entwickelt werden. An einigen Stellen hat der Koalitionsvertrag leider blinde Flecken. Bei der Energiewende bleiben Verbraucherbelange auf der Strecke.“