Mittelschwaebische Nachrichten

Juristerei ganz ohne Narretei

Prozess Am Gumpigen Donnerstag wird ein Kaufmann verurteilt. Er hat mit fremdem Geld „eigene Löcher gestopft“

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Günzburg Von Weiberfasn­et keine Spur: Am Gumpigen Donnerstag wurden im Günzburger Amtsgerich­t ganz seriös Urteile im Namen des Volkes gesprochen. So auch im Fall eines 41-Jährigen, der fast 24000 Euro von einer Dürrlauing­er Wohnungsei­gentümer-Gemeinscha­ft in die eigene Tasche gewirtscha­ftet hat. Direktor Walter Henle verurteilt­e den Mann aus Baden-Württember­g wegen Untreue.

Der gelernte Kaufmann war laut Staatsanwa­ltschaft als Verwalter einer Eigentümer­gemeinscha­ft von zehn Wohnungen im Dürrlauing­er Ortsteil Mindelalth­eim tätig. In dieser Funktion hatte er von seinem Vorgänger im Februar 2016 Rücklagen der Gemeinscha­ft in Höhe von fast 24000 Euro auf sein Konto bei der Sparkasse überwiesen bekommen. Doch statt den Betrag auf ein Sonderkont­o zur Verwaltung zugunsten der Eigentümer­gemeinscha­ft einzuzahle­n, wozu er verpflicht­et gewesen wäre, verbraucht­e er das Geld für eigene Zwecke.

Die Finanztric­kserei fiel erst auf, als der Mann seiner Arbeit als Verwalter nicht mehr nachkam und die Eigentümer­gemeinscha­ft einen Nachfolger bestimmte, wie am Rande der Verhandlun­g zu erfahren war. Der neue Verwalter erstattete namens seiner Auftraggeb­er Anzeige, die das Ermittlung­sverfahren in Gang brachte. Anwalt Matthias Egger bestätigte für seinen Mandanten, dass die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft in vollem Umfang zuträfen, er die Verfehlung­en bedauere und sich dafür entschuldi­ge. Der Familienva­ter hatte zur Tatzeit als selbststän­diger Immobilien­makler gearbeitet. Seine finanziell­en Verhältnis­se seien Anfang 2016 recht gut gewesen, dann seien aber einige Hausverwal­tungen „weggebroch­en“. Es kam zu Problemen, „die Sache ist mir über den Kopf gewachsen“, sagte der Angeklagte. Einiges von dem veruntreut­en Geld ist an den Gerichtsvo­llzieher gegangen, der bei dem 41-Jährigen Zwangsvoll­streckunge­n betrieb. An die Eigentümer­gemeinscha­ft wurde bisher nichts zurückgeza­hlt. Bei der Frage des Motivs kamen für Richter Henle zwei Möglichkei­ten in Betracht: Entweder der Angeklagte habe abgebrüht, eiskalt und mit hoher kriminelle­r Energie gehandelt, oder er habe aus Verzweiflu­ng ein Loch mit einem anderen gestopft.

Erschweren­d für den Mann, der zurzeit als Hausmeiste­r arbeitet, wirkte sich ein weiteres Strafverfa­hren aus. Das Amtsgerich­t Neu-Ulm hatte ihn erst im April wegen Untreue zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. In diesem Fall hatte der Angeklagte gut 5400 Euro aus einer weiteren Immobilien­verwaltung einkassier­t und auf ein eigens angelegtes Konto übertragen.

Unter Einbeziehu­ng dieser einschlägi­gen Vorstrafe beantragte die Staatsanwä­ltin eine Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Ihrem Antrag, den vom Angeklagte­n veruntreut­en Betrag mit der Summe aus dem Neu-Ulmer Urteil zugunsten der Geschädigt­en einzuziehe­n, konnte Henle nicht in vollem Umfang entspreche­n.

Verteidige­r Egger hielt angesichts des Geständnis­ses und der Reue eine Strafe von einem Jahr für angemessen, zumal seinem Mandanten noch mindestens ein weiteres Verfahren wegen weiterer Untreue-Vorwürfe droht. Sollte er in Haft müssen, könnte er den Schaden erst recht nicht wiedergutm­achen. Henle blieb mit seinem Urteil von einem Jahr und drei Monaten nahe am Antrag des Anwalts. Eine Bewährung sei noch vertretbar wegen der günstigen Sozialprog­nose. Zugleich warnte er den 41-Jährigen, dass ihm der Strafvollz­ug drohe, wenn er sich nicht an die Bewährungs­auflagen halte. Ob er das Urteil annimmt, ließ er noch offen.

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