Mittelschwaebische Nachrichten
Die Madonna auf dem Maskenball
Venedig Wie die Madonna dei Miracoli mit einem Auftritt im Karneval eine Ehe anbahnte
Krumbach Venedig gehörte von jeher zu den Hochburgen des Karneval. Die Maskenbälle der Lagunenstadt waren legendär. Sie galten als gesellschaftliche Höhepunkte, zu denen auch die Komponisten ihren Beitrag leisteten. In Opern, die zu diesem Anlass entstanden, spielen Liebesbeziehungen eine große Rolle. Verwechslungen, verursacht durch die Maskierung, und Eifersucht erhöhen die Dramatik des Geschehens, das sich schließlich in Heiterkeit auflöst.
Die Dichterin Gertrud von Le Fort, der wir die „Hymnen an die Kirche“verdanken oder die Novelle „Die Letzte am Schafott“hat in einem ihrer zahlreichen Bücher eine Legende erzählt, die eine zarte Liebesgeschichte zum Hintergrund hat, bei der einer Madonna eine Hauptrolle zukommt. Die Legende spielt sich in Venedig zur Karnevalszeit ab. Ein junger adeliger Venezianer, der das Leben in vollen Zügen genießt und die Herzen der Damenwelt im Sturm erobert, soll in den sicheren Hafen einer christlichen Ehe gelenkt werden. Pater Giacopone erweist sich als geschickter Heiratsvermittler. Er bringt Pompeo Doro, so hieß der junge Lebemann, mit der ebenso hübschen wie gut erzogenen Rosabella zusammen. Während Pompeo Doro eher an eine schnelle Eroberung denkt, hat Rosabella zum Ziel, ihren Freund auf den Pfad der Tugend zu führen. Diese Absicht erkennt Pompeo sehr rasch und verliert sein Interesse an Rosabella. Sie ist darüber nicht nur traurig, sondern sogar verzweifelt, denn sie hat sich in Pompeo unsterblich verliebt. Da nimmt sie ihre Zuflucht bei der Madonna in der kleinen Kirche „Santa Maria dei Miracoli“. Sie schüttet der Madonna ihr Herz aus.
Kurz darauf begegnen sich Pompeo und Rosabella auf einem Ball. Rosabella macht ihrem Freund den Vorwurf, er kümmere sich um alle schönen Frauen auf dem Ball, aber vergesse darüber die allerschönste Frau, die in der Kirche „Santa Maria dei Miracoli“wohne. Verärgert reagiert Pompeo. Er werde sich sofort um sie kümmern, sobald sie zu seinem Maskenball in den Palast käme. Rosabella ist entsetzt über die Arroganz dieses adeligen Schnösels, den sie trotz allem liebt. Bei der Madonna dei Miracoli weint sie sich aus. Und dann geschieht das Unfassbare. Die Madonna erscheint tatsächlich zu dem Maskenball. Man kann sie an ihrer Kleidung erkennen. Den anwesenden Geistlichen treibt diese Blasphemie die Zornesröte ins Gesicht. Sie wollen die Dame mit dem Madonnenkostüm zur Rede stellen, aber Pompeo stellt sich schützend vor sie und noch während des Disputs entschwindet die Dame und lässt nur ihre Maske zurück. Pompeo aber schließt Rosabella in seine Arme.
Bereits wenige Monate später treten die beiden in dem Kirchlein „Santa Maria dei Miracoli“vor den Traualtar. Die Anwesenden erzählen hinterher, die Madonna habe gelächelt. Die Geschichte von der Madonna, die auf einem Maskenball in höchsteigener Person erschienen sei, sprach sich herum. Die Madonna heißt seitdem „Unsere liebe Frau vom Karneval“und sie ist besonders das Ziel von Verliebten in der Zeit des Karnevals.