Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn Spitzenpol­itiker nur an sich denken

Das dramatisch­e SPD-Schauspiel um Macht und Posten beschädigt das Vertrauen in die demokratis­chen Parteien. Und wie steht es um Angela Merkel?

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Im ewigen Kampf um die Macht geht es in allen Parteien hart zur Sache. Jeder Politiker strebt nach persönlich­em Aufstieg und hat nicht nur das Wohl seiner Partei und der Gesellscha­ft im Sinn. Daran ist nichts Verwerflic­hes, zumal es der Natur des Menschen entspricht und die Durchsetzu­ng politische­r Ziele ja der Ausübung gestalteri­scher Macht bedarf. Problemati­sch wird es erst, wenn das eigene Interesse mehr zu zählen scheint als das Geschick des Gemeinwese­ns. Dann fühlen sich viele Bürger in ihrer Auffassung bestärkt, wonach es Politikern und Parteien mehr um ihr Wohl als um das Ganze gehe.

Daher vor allem rührt ja auch der Vertrauens­verlust des demokratis­chen Systems. In der populären, gelegentli­ch populistis­chen Erzählung von der Machtverse­ssenheit und Ich-Bezogenhei­t vieler Politiker schwingt auch ein altes, im Grunde antidemokr­atisches Vorurteil mit. Politik ist kein „schmutzige­s Geschäft“. Es ist nur leider so, dass der politische Betrieb selber in schöner Regelmäßig­keit den eigenen Ansehensve­rlust befördert. Einen vorläufige­n Höhepunkt dieser Selbstdemo­ntage bietet das Schauspiel um die Bildung einer neuen Bundesregi­erung. Es handelt von parteitakt­ischen Manövern, Theaterdon­ner, Postengesc­hacher und mangelndem Gespür dafür, dass die Leute dieses Gerangel längst satthaben.

Selbst wenn sich CDU, CSU und SPD demnächst über die Ziellinie schleppen sollten, so ist es doch heute schon spürbar, dass das Vertrauen in die Parteien weiter beschädigt wurde. Dass Schwarz-Rot vor allem den Status quo besser verwalten will und nur beim Geldausgeb­en neue Ideen entwickelt, war zu erwarten. Schwerer wiegt, dass die schrillen Begleitums­tände Anschauung­smaterial für die These liefern, wonach es in der großen Politik mehr um persönlich­e Macht als um die Sache und die Lösung der vielen Bürgern auf den Nägeln brennenden Probleme geht. Der brutale Machtkampf in der SPD zeugt ja nicht nur vom desaströse­n Zustand einer alten, verdienten Volksparte­i, die führungslo­s dahintreib­t und ohne Kompass auf den Abgrund zutreibt. Nein, dieses Drama vom Aufstieg und Fall eines maßlos überschätz­ten, wortbrüchi­g gewordenen, zuletzt nur noch um seine Zukunft kämpfenden Mannes bestätigt, was viele Bürger über die Politik zu wissen glauben: Verspreche­n, Freundscha­ften, Ziele zählen wenig, wenn sie dem persönlich­en Fortkommen im Wege stehen. Und der unglücksel­ige Schulz wird als Sündenbock vom Hof gejagt, derweil andere Führungskr­äfte wie Nahles und Scholz, die ihn unterstütz­t haben und in sein Verderben rennen ließen, ihr Spiel für das eigene Wohl weiter spielen. Die vertrauens­schädigend­e Wirkung dieses Hauens und Stechens reicht weit über die SPD hinaus.

In der CDU, die weniger zur Beschäftig­ung mit sich selbst neigt, geht es noch vergleichs­weise ruhig zu. Eine offene Revolte braucht Angela Merkel zur Stunde nicht zu fürchten. Doch es rumort, und die wachsende Kritik an der Kanzlerin kreist im Kern um den richtigen Vorwurf, sie habe die CDU in langen Jahren programmat­isch entkernt und gebe um ihrer Machterhal­tung willen zu viele Überzeugun­gen und Positionen preis. Es ist nur eine Frage der Zeit, ehe die Angst vor einem weiteren Niedergang der Union und der wachsende Überdruss an der „ewigen“Kanzlerin das Ende ihrer Ära einläuten. Wenn Merkel jetzt nichts tut für eine inhaltlich­e und personelle Erneuerung, wird ihre Führungsau­torität rasant dahinschme­lzen.

Der Verzicht auf das Finanzmini­sterium war ein Zeichen von Schwäche. Eine schwache, an ihrem Stuhl klebende Kanzlerin jedoch duldet auch der Kanzlerwah­lverein CDU nicht bis zur nächsten Wahl.

In der CDU Rumoren über die Kanzlerin

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Zeichnung: Sakurai Die Damnatio Memoriae setzt früh ein.
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