Mittelschwaebische Nachrichten

Von der Motorsäge bis zum Hochzeitsk­leid

Rund 70 000 Gegenständ­e stranden jedes Jahr am Münchner Flughafen – und damit teils kuriose Geschichte­n

- Kathrin Kretzmann, dpa

München Es waren nur noch wenige Tage bis zur Hochzeit. In ihrem weißen Kleid wollte die junge Frau aus Bayern ihrem Liebsten aus den USA in Nürnberg das Jawort geben. Doch dann die böse Überraschu­ng: Das Hochzeitsk­leid war verschwund­en. Auf der Durchreise hatte sie es im hektischen Gewusel vergessen, in irgendeine­r der vielen Ecken des Münchner Flughafens. „Eine Geschichte, die ich nie vergessen werde“, sagt Josef Rankl, Leiter des Fundbüros. Das Brautkleid ist nur eines der rund 70000 Dinge, die jedes Jahr von Fluggästen verloren werden. Auch die Gegenständ­e, die nichts im Gepäck verloren haben und vom Sicherheit­spersonal entnommen werden, landen in den Regalen des Fundbüros. Dort tummelt sich neben den üblichen Verlusten wie Jacken, Gürteln und Handys auch Absurdes wie Kinderwage­n, Stemmeisen und ganze Biathlon-Ausrüstung­en. „Es gibt – glaube ich – nichts, das ich noch nicht gesehen habe“, sagt Rankl, der seit über 30 Jahren am Münchner Flughafen arbeitet. Dennoch stellt sich der Münchner nach all den Jahren bei manchen Dingen immer wieder die eine Frage: „Warum?“

So auch bei dem Inhalt einer hölzernen Kiste, die er aus dem Regal zieht. Sie sieht fast schon wie eine Schatztruh­e aus. Als er sie öffnet, sind aber keine Goldmünzen oder Juwelen darin, sondern eine Perücke, genauer gesagt eine hochwertig­e, asiatische Geisha-Perücke. Bei einer anderen Sache wundert sich der Fundbürole­iter mittlerwei­le nicht mehr: bei der Motorsäge. „Sie ist zu einem Klassiker geworden. Im Schnitt landet hier eine pro Monat.“

Neben der Frage nach dem Warum seien es auch oft die Geschichte­n hinter so manchem Fundstück, die Rankl und sein Team immer wieder verblüffen. So habe ein Mann seinen Pass am Flughafen vergessen. Bei solchen persönlich­en, identifizi­erbaren Verlusten werde der Eigentümer sofort informiert. Nur ging nicht er selbst, sondern seine Frau ans Telefon. „Sie wusste zwar, dass er unterwegs war. Aber eigentlich sollte er auf Geschäftsr­eise in einer anderen Stadt sein.“Wie diese Geschichte weiterging, weiß Rankl nicht, aber „es blieb sicherlich nicht ohne Konsequenz­en“.

Auch der Fund geheimer Dokumente dürfte denjenigen, der sie vergessen hat, in eine prekäre Situation gebracht haben. „Es waren Entwicklun­gspläne zu den neuesten Technologi­en von einem der großen bayerische­n Automobilh­ersteller.“

Ein halbes Jahr hat der Eigentümer Zeit, sein vermisstes Lieblingss­tück wieder abzuholen. Etwa 50 Prozent der Sachen gehen laut Rankl wieder an den Besitzer zurück. Werden persönlich­e Dinge wie Ausweise oder Bankkarten innerhalb der sechs Monate nicht abgeholt, werden sie vernichtet. Alles andere komme bei Auktionen unter den Hammer. Bis zu zehn Versteiger­ungen veranstalt­et der Flughafen pro Jahr. Der Erlös wird für gemeinnütz­ige Zwecke gestiftet.

Die Geschichte der verzweifel­ten Braut endete übrigens mit einem Happy End. Das Kleid wurde entdeckt und ins Fundbüro gebracht. „Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass sie es wiederbeko­mmt.“Mit Erfolg: Ein Fundbüro-Mitarbeite­r kam ihr auf halber Strecke nach Nürnberg entgegen und übergab ihr das Kleid.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Josef Rankl mit einer Gei sha Perücke, die verloren wurde.

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