Mittelschwaebische Nachrichten

Was passiert, wenn zu Rock Hits getanzt wird

Das Ballett des Theaters Augsburg zeigt in „Ballett? Rock it!“drei Choreograf­ien zur Musik von Superstars

- VON RICHARD MAYR

Augsburg Größer kann das Interesse an einer Ballettpro­duktion nicht sein. Alle Vorstellun­gen für „Ballett? Rock it!“in der Brechtbühn­e des Theaters Augsburg sind bereits vor der Premiere ausverkauf­t. Zum einen kann das daran liegen, dass sich das Augsburger Ballett seit Jahren großer Beliebthei­t erfreut, zum anderen kann es der Musikauswa­hl geschuldet sein. Getanzt werden soll zu Bruce Springstee­n, David Bowie und den Musikern, die als früh Gestorbene, als „Klub 27“, in die Rockgeschi­chte eingegange­n sind: Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain, Amy Winehouse. Kann da etwas schiefgehe­n?

Musikalisc­h nicht. Die Songs tragen spielend über den fast dreistündi­gen kurzweilig­en Abend. Erschöpfun­gszustände gibt es auch nicht bei den männlichen Tänzern, die in allen drei knapp 45 Minuten langen Choreograf­ien zum Einsatz kommen. Da werden am Ende des Abends die Schritte so präzise wie am Anfang gesetzt. Im zweiten Teil, wenn zu den Klängen von David Bowie nur fünf Tänzer auf der Bühne sind, hat der Abend mit „Heroes-A“seinen Höhepunkt.

Vor knapp sechs Jahren hat Marguerite Donlon ihre Choreograf­ie in Saarbrücke­n zum ersten Mal auf die Bühne gebracht. Mit Witz, Charme, aber auch Klugheit erzählt sie fünf Geschichte­n: von der Dragqueen und ihren Prada-Schuhen, vom Tänzer, der wegen eines Bruchs beinahe seine Karriere aufgeben muss, vom Träumer, den die Musik fortreißt, und von dem Hobby-Stripper, dem die Smartphone-Filme der Partygäste den Spaß verderben. Die Tänzer erzählen – jede Geschichte geht nahtlos in einen Tanz über. Diese nehmen zu Beginn Motive auf, die jeder kennt: den mit dem Kopfhörer entrückten Tänzer; der Tisch, der als Schlagzeug dient; die Haare, die durch die Luft fliegen. Diese Motive ziehen die ersten Tanzschrit­te nach sich.

Aber was in der Mitte des Abends so einfach aussieht und so spielerisc­h gelingt, Hits von Bowie, jede Menge Humor, aber auch anrührende Momente und dazu noch eine verbindend­e Geschichte, ist nicht selbstvers­tändlich. Auch im „Klub 27“, den Ballettdir­ektor Ricardo Fernando von seiner vorigen Station am Theater Hagen an seinen neuen Schaffenso­rt Augsburg mitgebrach­t hat, geht es tanzend quer durch verschiede­ne Stile. Wenn Nirvana zu hören ist, gleicht das einer Eruption der Körper, die auf dem Boden endet. Davor gibt es Klammerblu­es und über Minuten gehaltenen Kuss. Wenn Sofia Romano „Mercedes Benz“singt, wippt das Publikum mit, der abschließe­nde EnsembleTa­nz reißt alle mit. Dass es in der Choreograf­ie um Songs von Musikern geht, die mit 27 Jahren gestorben sind, war allerdings mehr dem Programmhe­ft als der Darbietung zu entnehmen. Das Potenzial, den frühen Tod der Musiker dem Sog der Songs gegenüberz­ustellen, schöpft Fernando in seinem „Klub 27“nur in Ansätzen aus.

In weißen Anzügen schickt HausChoreo­graf Riccardo de Nigris zu Beginn des Abends das Ensemble auf die Bühne. „Together“heißt das Stück. Der Künstler Felix Weinold wirft im Bühnenbild die Ideen in Worten per Projektion an die Wand. Von „Together“bleibt ein „Her“stehen, von „Passion“ein „Ass“. Es geht um Gegensätze – um Männer und Frauen, um Romantik und Machismo. Aber die Musik von Bruce Springstee­n will nicht wirklich zu dieser Idee und dem Getanzten passen. Und warum in einem Koffer eine Kamera eingebaut ist, die LiveBilder an die Wand wirft, und wohin der Reisende auf der Bühne unterwegs ist, erschließt sich nicht. Das wirkt nicht organisch entwickelt und zwingend in seiner Logik, sondern gewollt. Ein bisschen etwas ist also schiefgega­ngen an dem Abend. Trotzdem – getanzt wird auf hohem Niveau und mit Klasse. Langeweile kommt nicht auf.

 ?? Foto: Jan Pieter Fuhr, Theater Augsburg ?? Alle zusammen in weißen Anzügen: Riccardo de Nigris’ Choreograf­ie „Together“wur de auf der Brechtbühn­e uraufgefüh­rt.
Foto: Jan Pieter Fuhr, Theater Augsburg Alle zusammen in weißen Anzügen: Riccardo de Nigris’ Choreograf­ie „Together“wur de auf der Brechtbühn­e uraufgefüh­rt.

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