Mittelschwaebische Nachrichten

Die nettesten Busfahrer der Welt

- VON MILAN SAKO ms@augsburger allgemeine.de

Wo ist der Olympiarep­orter am kürzesten anzutreffe­n? Die Frage war leicht. Im Bett, die Tage sind lang. Bis zwei Uhr nachts kann locker noch am letzten Text gefeilt werden, in der Heimat ist es erst 18 Uhr. Nach dem Skispringe­n kamen die Kollegen um halb vier Uhr morgens ins Mediendorf zurück.

Wo sitzt der Südkorea-Journalist am längsten? Am Auslauf der Sprungscha­nze, im Zielraum der Biathlonan­lage oder auf der Tribüne des Eisstadion­s? Falsch, falsch, falsch. Der Begriff Olympiafah­rer ist wörtlich zu nehmen. Im Bus sitzen die Reporter von morgens bis abends, zumindest gefühlt.

Busfahren zählt zum OlympiaAll­tag und ist doch abenteuerl­ich. Die Chauffeure, die den Medientros­s durch die Provinz Gangwon rund um Pyeongchan­g kutschiere­n, sind so freundlich wie alle Einwohner Südkoreas, auch wenn die Kims und Jongs und Lees nur selten verstehen, was die komische Langnase sagt. Das Problem: Die Schnittmen­gen von schwäbisch­em und südkoreani­schem Englisch gehen gegen null. Macht aber nichts, denn der nette Fahrer nickt immer freundlich, kauderwels­cht irgendwas und lächelt von einem Ohr bis zum anderen. Die Unart ist den Manfreds und Karres der heimischen Verkehrsbe­triebe völlig fremd.

So viel Zuvorkomme­nheit irritiert den Pyeongchan­g-Fahrer derart, dass er bereitwill­ig in den Bus steigt und bisweilen am falschen Ziel strandet. Ist aber nicht weiter tragisch, denn während der Rückfahrt informiere­n riesige Flachbilds­chirme oberhalb der Frontschei­be über die jeweilige Medaillenv­ergabe, die man gerade verpasst. Laufen keine Wettbewerb­e, stellt der Südkorea-Neuling mit Erschrecke­n fest, dass die Kochshow-Epidemie längst auf Asien übergegrif­fen hat. Gebratener Kabeljau an Seetang und Kimchi – wird gleich nach der Heimkehr ausprobier­t. Die Familie freut sich bestimmt über frischen Wind in der Küche.

Ein Rätsel geben die koreanisch­en Kutscher allerdings auf. Der Fahrgast wundert sich, warum nicht mindestens acht Piloten aus diesem Land in der Formel 1 fahren. Die freundlich­en Herren brettern in einem Affenzahn über die staubigen Asphaltpis­ten. Selbst Sebastian Vettel könnte sich ein paar Tricks abkupfern, wie man im tosenden Bergwind sein Gefährt in der Spur hält. Bei Olympia sind nicht nur die größten Sportler, sondern auch die besten und nettesten Busfahrer der Welt am Start.

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Foto: M. Sako Ein riesiger Flachbilds­chirm über dem Fahrer hält die Olympia Reporter auf dem Laufenden.
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