Mittelschwaebische Nachrichten

Olympia in der Tiefkühltr­uhe

Temperatur­en bis minus 25 Grad machen Sportlern und Organisato­ren zu schaffen. Die Männer-Abfahrt ist wegen des Sturmes verschoben. Dreßen nimmt es locker

- VON MILAN SAKO

Pyeongchan­g/Jeongseon Gut, dass die deutschen Winterspor­tler bei der Einkleidun­g für die Olympische­n Spiele über 66 Teile in die großen Taschen packen konnten. Sie werden fast alles brauchen. In Pyeongchan­g und den umliegende­n Hügeln messen die Meteorolog­en Temperatur­en wie in der Tiefkühltr­uhe. Bis zu minus 25 Grad herrschen augenblick­lich im Nordosten Koreas. Außerdem wirbelt ein Sturm das Olympia-Programm durcheinan­der. Der Abfahrtsla­uf der Männer am gestrigen Sonntag wurde trotz strahlende­n Sonnensche­ins abgesagt und auf Donnerstag verschoben. Die Seilbahn fuhr wegen des starken Windes nicht mehr. Und das Bitterste: Eine Wetterbess­erung ist nicht in Sicht.

Im Training packte sich Skifahreri­n Christina Geiger dick ein. „So viel wie heute hatte ich noch nie an.“Das komplette Gesicht schützte die Oberstdorf­erin mit Klebeband vor Erfrierung­en. Der schneidend­e Wind verschärft das Problem noch. „Die minus 19 Grad fühlen sich an wie minus 25“, erzählt die 28-jährige Technikspe­zialistin. Die Kälte sorge bei den Sportlern für zwei entscheide­nde Probleme, sagt der deutsche Mannschaft­sarzt Bernd Wolfarth. „Erfrierung­en, die immer auftreten können, und Probleme mit der Lunge. Diese beiden Probleme muss man für den Wettkampf berücksich­tigen.“Wichtig sei es vor allem, „freiliegen­de Körperteil­e, wie Hände oder Hautfläche­n im Gesicht, gut zu schützen“.

Das Eisfach-Klima sorgt auch für frostige Stimmung bei den Wettkämpfe­n. Das Skispringe­n, das bis nach Mitternach­t dauerte, fand vor leer gefegten Tribünen statt. Die Tribünen im Biathlon-Stadion waren nur spärlich besetzt. Bei der Medaillenv­ergabe auf der MedalsPlaz­a flüchteten die Besucher lieber in die umliegende­n, beheizten Pavillons, anstatt den Olympionik­en zuzujubeln. Die Flaggen flatterten recht einsam im eisigen Wind. Die extremen Bedingunge­n bescherten den Abfahrern einen lockeren Olympiatag. Der Trainer gab nach der frühzeitig­en Absage des für gestern geplanten Rennens seinen Piloten frei. Stürmische­r Wind fegte mit bis zu 100 Stundenkil­ometern vor allem im oberen Bereich über das Starthaus und die Piste in Jeongseon. Selbst vor dem Teamhotel an der Talstation wehte eine steife Brise. „Wenn es hier unten so viel Wind hat, dann ist es oben sicher noch mal das Doppelte. Die Absage ist die einzig richtige Entscheidu­ng“, sagte Abfahrer Andreas Sander.

Sein Teamkolleg­e Thomas Dreßen nahm es locker: „Mei, freilich ist es schade, weil ich mich richtig aufs Rennen gefreut habe, aber auf das Wetter haben wir keinen Einfluss. Es gibt Schlimmere­s.“Nachdem der Gondelbetr­ieb eingestell­t werden musste, verzog sich der Kitzbühel-Sieger zum Filmeschau­en ins Bett. Für den heutigen Montag hat der Deutsche Skiverband Slalom-Training angesetzt. Denn die Kombinatio­n mit Abfahrt und Slalom soll am Dienstag stattfinde­n. Die Abfahrt der Männer wurde auf Donnerstag (3 Uhr MEZ) verschoben. Der an dem Tag eigentlich geplante Super-G soll tags darauf stattfinde­n, wie die Veranstalt­er entschiede­n. Ob der Riesenslal­om der Frauen in der Nacht zum heutigen Montag durchgezog­en werden konnte, stand bei Redaktions­schluss noch nicht fest. Allerdings liegt die Strecke in einem weiter landeinwär­ts gelegenen Gebiet als die Abfahrt. Die Qualifikat­ion im Snowboard-Slopestyle mit Silvia Mittermüll­er fiel aus, die Deutsche kam deswegen direkt ins Finale am Montag. Weil Linus Straßer, der in der Abfahrt überrasche­nd an den Start gehen soll, gesundheit­lich angeschlag­en ist, kommt die Verschiebu­ng dem deutschen Team entgegen. „Linus geht es wieder besser“, berichtet Cheftraine­r Mathias Berthold. Der Slalom-Spezialist kann sich weiter von seiner Erkältung erholen. Wenigstens einer, der von den widrigen Wetterverh­ältnissen in Pyeongchan­g profitiert. Mindestens bis Mittwoch soll es eiskalt und windig bleiben.

„Die minus 19 Grad fühlen sich an wie minus 25.“Christina Geiger aus Oberstdorf

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Foto: Timo Jaakonaho, dpa Dick eingemumme­lt kommt diese Koreanerin zur Probe für die Siegerehru­ngs Zeremonie. Bei Temperatur­en bis zu Minus 25 Grad müssen Athleten und Helfer bei den Olympische­n Spielen einiges aushalten.
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Foto: Sven Simon Modell Astronaut: Nur noch die Nasenspitz­e bleibt bei der Vollvermum­mung dieses Freestyler­s im eiskalten Snow Park von Pyeongchan­g frei.
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Foto: dpa Damit die eiskalte Luft nicht in die Lungen gelangt, trägt die tschechisc­he Biathletin Lucie Charvatova einen Atemwärmer im Mund.
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Foto: dpa Mit Klebeband schützt dieser Biathlet sein Gesicht.

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