Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn das Herz bricht

Das sogenannte Broken-Heart-Syndrom ist gefährlich­er als lange angenommen

- Teresa Nauber, dpa

Mannheim/Hamburg „Es hat ihr oder ihm das Herz gebrochen“: Diese Formulieru­ng kennt jeder. Auch von Herzschmer­z ist gern die Rede. Und dann gibt es diese Filmszenen, in denen sich jemand so aufregt, dass er mit Schmerzen in der Brust zusammenbr­icht. Nur: Dass das tatsächlic­h passieren kann, wissen die wenigsten. Erst seit etwas mehr als 20 Jahren ist das sogenannte Broken-Heart-Syndrom bekannt.

„Das Broken-Heart-Syndrom ist eine Herzmuskel­erkrankung, die durch ein hohes Level an Stresshorm­onen ausgelöst wird“, erklärt Felix Schröder vom Herz- und Gefäßzentr­um im Albertinen-Krankenhau­s Hamburg. Mit anderen Worten: Regt sich jemand sehr auf, kann es passieren, dass sein Herz nicht mehr richtig arbeitet.

Bei Elke Enders begann es mit Schmerzen im linken Arm. Sie war an der Nase operiert worden. Am nächsten Morgen aber schmerzte auch ihre linke Brust. Die Ärzte fackelten nicht lange. Sie brachten die ältere Dame direkt auf die Intensivst­ation: Verdacht auf Herzinfark­t.

Doch die Herzkranzg­efäße der Patientin sahen ganz normal aus. Keine Verstopfun­gen, wie es sie bei einem Infarkt geben müsste. Dafür hatte sich ihre linke Herzkammer verändert. Sie war an der Spitze enger und unten aufgeblase­n wie ein Ballon. Auf Bildern sieht die Herzkammer dann aus wie ein Gefäß, mit dem in Japan früher Tintenfisc­h gefangen wurde: Tako Tsubo. Die japanische­n Ärzte, die die schmerzhaf­te Veränderun­g am Herzen erstmals entdeckten, nannten die Krankheit deshalb Tako-TsuboKardi­omyopathie.

Wie genau es dazu kommt, ist abschließe­nd noch nicht geklärt. Auffällig ist aber, dass es meistens passiert, wenn jemand großem Stress ausgesetzt war. „Nach meinen Erfahrunge­n ist der Tod des Ehepartner­s häufig ein Auslöser“, sagt Schröder. „Aber auch eine freudige Nachricht kann dazu führen“, ergänzt Prof. Martin Borggrefe, Direktor der I. Medizinisc­hen Klinik an der Mannheimer Uniklinik.

Elke Enders vermutet einen Streit hinter ihren Beschwerde­n. „Als ich am Morgen auf dem OP-Tisch lag, erklärte ich dem Anästhesis­ten, dass ich auf eines der Narkosemit­tel allergisch reagiere.“Der Arzt aber wollte ihr nicht so recht glauben und das Mittel trotzdem verabreich­en. „Ich habe mich wahnsinnig aufgeregt und ihm sogar gedroht“, erinnert sich Enders.

Ärzte vermuten, dass der Körper durch den Stress extrem viel Adrenalin und Noradrenal­in ausschütte­t. Diese Stresshorm­one wiederum lösen eine Kalzium-Ausschüttu­ng aus. Gelangt das Kalzium in die Zellen, verkrampft sich der Herzmuskel – so lautet die Theorie.

„Möglicherw­eise haben betroffene Menschen auch zusätzlich­e Bindungsst­ellen für Adrenalin und Noradrenal­in“, sagt Jana Boer vom Bundesverb­and Niedergela­ssener Kardiologe­n (BNK). Das würde bedeuten, dass sie stärker auf die Hormone reagieren als andere.

„Das Syndrom ist deutlich gefährlich­er, als wir bisher dachten“, sagt Borggrefe. Zwar sterben Menschen mit Broken-Heart-Syndrom viel seltener während des Ereignisse­s als Herzinfark­tpatienten. Langzeitbe­obachtunge­n zeigen aber, dass es bei vielen Betroffene­n immer wieder passiert.

„Wir raten deshalb zu einer kombiniert­en Therapie aus Betablocke­rn und Psychother­apie“, sagt Boer. Die Medikament­e blockieren die Rezeptoren am Herzen. In der Therapie sollen die Patienten zudem lernen, besser mit Stress umzugehen. „Ratsam ist auch Ausdauersp­ort“, sagt Borggrefe. Er stärkt nicht nur das Herz, sondern hilft auch, mit Stress besser umzugehen.

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Foto: Inga Kjer, dpa Bricht das Herz eines Menschen, können sich Symptome wie bei einem Infarkt einstellen.

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