Mittelschwaebische Nachrichten
Unwürdiger Rahmen
Ü bertragen auf die Kunst, war Andreas Wellingers Goldsprung eine Viertelstunde nach Mitternacht in der eisigen Nacht von Pyeongchang ein genialer letzter Pinselstrich. Sein erstes, auch von der Konkurrenz beklatschtes Gemälde wird im Museum des deutschen Sports einen Sonderplatz bekommen. Mit 18 Jahren TeamOlympiasieger, mit 22 EinzelOlympionike – Wellinger ist zweifelsohne ein Skisprung-Genie.
Sein Lehrmeister Werner Schuster prophezeit ihm eine Fortsetzung der Blütezeit – vorausgesetzt, er bleibe gesund – und hofft, dass Wellingers Kunst vielleicht sogar eine neue Epoche einläutet. Dass die verstaubten Werke der Altmeister Hannawald und Schmitt endlich einmal abgehängt werden und im Atelier des deutschen Wintersports Platz geschaffen wird für die Arbeiten seiner Schützlinge, ist sicher auch der Verdienst des Bundestrainers. Er hat das Talent Wellinger stets gefördert und ihm die Entfaltungsmöglichkeiten gegeben, die ein heranwachsender Künstler seines Fachs braucht. Wellinger arbeite daran, einen ganz eigenen Stil zu entwickeln, ließe sich aber auch recht leicht wieder einfangen, wenn sein jugendlicher Leichtsinn mit ihm durchgeht.
Wenn es überhaupt etwas an Wellingers Meisterwerk auszusetzen gibt, dann ist es der Rahmen. In Oslo, Otepää oder Oberstdorf hätte alles ins Bild gepasst. Nicht aber in Pyeongchang. Was da unter dem Diktat des IOC und der mächtigen Fernseh-Giganten bei widrigsten Bedingungen für Sportler und Zuschauer geboten wurde, hat Wellingers Gesamtkunstwerk doch einige Kratzer verpasst. Ein dem Abbruch naher Wettkampf und die leeren Zuschauertribünen waren schlichtweg unwürdig für Olympia.
In den Geschichtsbüchern bleibt sein Gold für immer stehen, doch die äußeren Umstände wird sich auch ein so begnadeter junger Mann wie Wellinger auf Jahre hinweg nicht schönmalen können. Schade eigentlich.