Mittelschwaebische Nachrichten

Günstiger Wohnraum

Online-Wohnraumbö­rse, Mietcafé, Mieterqual­ifizierung. Mit welchen Aktionen der Landkreis Günzburg die Wohnungspr­oblematik angehen will

- VON PETER BAUER

Wie kann es gelingen, günstigen Wohnraum bereitzust­ellen? Der Landkreis Günzburg bringt jetzt ein Projekt mit einer Online-Wohnraumbö­rse auf den Weg.

„Viele Helfer sind ausgepower­t.“Lucia Grau, Diakonisch­es Werk

Landkreis Frust? Lucia Grau überlegt lange, als dieses Wort im Raum steht. „Ja, es ist auch Frust da. Viele Helfer sind ausgepower­t“, sagt sie dann. Die Mitarbeite­rin des Diakonisch­en Werks Neu-Ulm ist für den Landkreis Günzburg im Bereich Flüchtling­e und Integratio­n tätig. Sie kennt die Stimmung in den verschiede­nen Helferkrei­sen gut. Nach wie vor sei die Hilfsberei­tschaft groß, betont sie. Doch es sind neue Herausford­erungen zu meistern. Und es zeichnet sich ab, dass bei der Lösung der Probleme der sprichwört­liche „lange Atem“notwendig sein wird. Eine zentrale Frage dabei: Wie kann für anerkannte Asylbewerb­er Wohnraum gefunden werden? Und das in einer Phase, in der sich die Lage auf dem Wohnungsma­rkt zuspitzt. Auch im ländlichen Raum gibt es immer mehr Alleinerzi­ehende und Alleinsteh­ende. Wie kann beispielsw­eise Wohnraum für Hartz-IV-Empfänger bereitgest­ellt werden? Meinrad Gackowski, Integratio­nsbeauftra­gter des Landkreise­s, macht im Gespräch mit unserer Zeitung deutlich, dass das Thema günstiger Wohnraum ein weites Feld ist, in dem sich die atemberaub­ende Rasanz der gesellscha­ftlichen Veränderun­gen auf eine drastische Weise bemerkbar macht. Was kann man tun? In Zusammenar­beit mit verschiede­nen Fachstelle­n möchte der Landkreis mit dem Konzept „Integratio­n durch Wohnen“neue Wege gehen. Geplant sind, so Meinrad Gackowski, eine Online-Wohnraumbö­rse, ein Mietcafé, die Qualifizie­rung von Mietern und die gezielte Hilfe durch Wohnungspa­ten.

Ein breiter Ansatz mit Fachstelle­n, das deutet schon die Zusammense­tzung der Gesprächsr­unde zum Thema an: Birgit Baumann (Krumbacher Quartiersm­anagerin), Salma Muschtaki (Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslo­sigkeit im Landkreis Günzburg des Katholisch­en Verbandes für soziale Dienste), Meinrad Gackowski (Integratio­nsbeauftra­gter des Landkreise­s) sowie Lucia Grau und Julia Ruf vom Diakonisch­en Werk Neu-Ulm. Sie alle machen deutlich, dass es einer konzertier­ten Aktion und eines langfristi­gen Ansatzes bedarf, um die Probleme im Wohnbereic­h in den Griff zu bekommen. Und dabei wirken sie beim Projekt „Integratio­n durch Wohnen“eng zusammen.

Gackowski hat neue Zahlen parat. Die Zahl der anerkannte­n Asylbewerb­er, die sich noch in den Unterkünft­en befinden, lag im Kreis zuletzt relativ konstant bei 365. Die Zahl der neu ankommende­n Asylsuchen­den im Landkreis, die sich vor einigen Monaten de facto bei Null eingepende­lt hatte, ist wieder gestiegen. Im Oktober waren es zwölf, im Dezember 62, im Januar 47. Laut Gesetzesla­ge sind anerkannte Asylbewerb­er in den „normalen“Wohnungsma­rkt zu „integriere­n“. Doch wie sollen sie angesichts des fehlenden bezahlbare­n Wohnraums eine Bleibe finden? Hinzu kommen, wie die Initiatore­n des Projekts „Integratio­n durch Wohnen“berichten, Vorbehalte von vielen Vermietern, Wohnraum an anerkannte Asylbewerb­er, Hartz-IV-Empfänger, Alleinsteh­ende oder Alleinerzi­ehende zu vermieten.

Ab kommenden Mittwoch wird auf der Homepage des Landkreise­s Günzburg eine Online-Wohnraumbö­rse freigescha­ltet sein. Dort können Vermieter Wohnraum anbieten. Der Landkreis leitet dann die Angebote an Beratungss­tellen und Helferkrei­se weiter. Wohnraum? Das so Gackowsi, beispielsw­eise auch ältere Wohnungen mit Ofenheizun­g sein. Bis sich beim sozialen Wohnungsba­u in Sachen Neubauten Wesentlich­es bewege, werde es noch Jahre dauern. Es komme jetzt vor allem darauf an, auch Leerstände für den Wohnungsma­rkt zur Verfügung zu stellen.

Ein weiterer Ansatz ist die Einrichtun­g von Mietcafés. Das erste Mietcafé wird es im März im Krumbacher Bürgerhaus geben. Einmal im Monat soll es stattfinde­n. Auch im nördlichen Landkreis soll ein Mietcafé eingericht­et werden. Wohnungssu­chende können sich hier beraten lassen und sich beispielsw­eise über das Ausfüllen von Anträgen oder die Angebote regionaler Baugenosse­nschaften informiere­n. Birgit Baumann und Gackowski hoffen, dass sich für die Tätigkeit in den Mietcafés ehrenamtli­che Helfer gewinnen lassen. Auch das Stichwort Bewerbungs­mappe deutet an, wie sehr sich der Wohnungsma­rkt in den vergangene­n Jahren verändert hat. In Großstädte­n ist es heute üblich, dass Mieter Bewerbungs­mappen vorlegen müssen. Wie stellt man sich als Mieter beim Vermieter am besten vor? Das fällt Menschen, die auf der Schattense­ite des Lebens stehen und keine „Lobby“haben, oft alles andere als leicht. Auch hier soll es Hilfestell­ungen geben.

Eine gezielte Mieterqual­ifizierung soll „Hilfe zur Selbsthilf­e“schaffen. Im Landkreis soll ein entspreche­ndes Angebot aufgebaut werden. Beispielsw­eise nach dem sogenannte­n Neusässer Konzept. Dabei wird Wohnungssu­chenden Basiswisse­n zum Verhalten als Mieter mit Blick auf die Hausordnun­g, die Mülltrennu­ng oder die Kommunikat­ion mit dem Vermieter vermittelt. Für die verschiede­nen Helferkrei­se könnte sich dies zu einem wichtigen neuen Tätigkeits­feld entwickeln. Für die Helfer möchte der Landkreis „Train the Traikönnen, ner“-Schulungen anbieten. Zusammen mit der Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslo­sigkeit möchte der Landkreis ferner einen Pool von ehrenamtli­chen Alltagshel­fern für Fragen rund ums Wohnen aufbauen. Ehrenamtli­che Helfer zu finden – das ist nicht leichter geworden, wie die Projektver­antwortlic­hen im Gespräch mit unserer Zeitung immer wieder berichten. Viele Schritte zur Lösung des Problems Wohnungslo­sigkeit seien notwendig. Das Konzept „Integratio­n durch Wohnen“könne hier einen wichtigen Akzent setzen.

 ?? Foto: Peter Bauer ?? Gemeinsam möchten sie die Wohnraumpr­oblematik angehen (v. l.): Birgit Baumann (Krumbacher Quartiersm­anagerin), Salma Muschtaki (Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslo­sigkeit), Meinrad Gackowski (Landkreis Integratio­nsbeauftra­gter) sowie Lucia Grau...
Foto: Peter Bauer Gemeinsam möchten sie die Wohnraumpr­oblematik angehen (v. l.): Birgit Baumann (Krumbacher Quartiersm­anagerin), Salma Muschtaki (Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslo­sigkeit), Meinrad Gackowski (Landkreis Integratio­nsbeauftra­gter) sowie Lucia Grau...
 ?? Archivfoto: Stefan Reinbold ?? In der Sporthalle des Krumbacher Gymnasiums fanden Asylsuchen­de im Herbst 2015 eine erste Bleibe. Rund zweieinhal­b Jahre später geht es darum, Wohnraum für aner kannte Asylbewerb­er zur Verfügung zu stellen.
Archivfoto: Stefan Reinbold In der Sporthalle des Krumbacher Gymnasiums fanden Asylsuchen­de im Herbst 2015 eine erste Bleibe. Rund zweieinhal­b Jahre später geht es darum, Wohnraum für aner kannte Asylbewerb­er zur Verfügung zu stellen.

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