Mittelschwaebische Nachrichten

Feinster Duft für die Luft Raumparfum­s werden immer beliebter. Warum viele viel Geld dafür ausgeben und weshalb Experten zu Vorsicht raten

- Fotos: Ian Dyball, by studio, Fotolia

Machen wir gleich mal ein kleines Experiment. Wenn Sie diesen ersten Absatz gelesen haben, dann schließen Sie kurz die Augen, so eine Minute vielleicht, und achten Sie genau darauf, was Sie gerade riechen – und lesen Sie dann natürlich weiter, denn Sie werden einiges über Ihre Nase und Ihr Gehirn erfahren. Also: Augen zu, einatmen! …

Und? Was fängt Ihre Nase gerade auf? Den Geruch von Papier und Druckersch­wärze vielleicht? Das Parfum ihres Partners, der Ihnen gegenübers­itzt? Die Semmel im Brotkorb? Kaffeeduft? Etwas vom Geruch des Waschmitte­ls auf Ihrem frisch gewaschene­n Pullover oder dem des Shampoos im feuchten Haar? Vielleicht auch Nuancen Ihrer neuen Duftkerze?

Unsere Nasen werden mit immer mehr Gerüchen konfrontie­rt. „Der Duftstoffe­insatz im täglichen Leben nimmt immer mehr zu“, hat der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) festgestel­lt. Besonders Raumdüfte sind in den vergangene­n Jahren immer beliebter geworden. Längst gibt es sie nicht mehr nur via Wunderbaum, Räucherstä­bchen oder Duftlampe und auch nicht mehr nur für Hippies, Autofahrer und Hobbyscham­anen. Längst sind Raumdüfte kein Nischenpro­dukt mehr, sondern ein Zeichen des Wohlstands. Wir können es uns leisten, unsere Atemluft zu parfümiere­n. Allein im Jahr 2017 wurden laut Industriev­erband Körperpfle­geund Waschmitte­l 412 Millionen Euro für Raumdüfte ausgegeben. 2010 waren es noch 383 Millionen Euro. In den USA verwenden bereits 73 Prozent der Haushalte Raumdüfte.

Einigen Kunden ist der Raumduft daheim sogar so wichtig, dass sie dafür auch bereit sind, tief in die Tasche zu greifen. Duftkerzen vom Lieblingsl­uxusdesign­er können da gut und gerne schon mal über 150 Euro kosten. Ebenso ein HightechDi­ffuser mit Aerosol-Kapseln für über 40 Euro, die rund 60 Tage halten. Via Smartphone kann der Besitzer dann noch im Büro steuern, welchen Geruch in welcher Stärke er in der Nase haben möchte, wenn er heimkommt. Manche Hersteller solcher Raumduftdi­ffuser verzeichne­ten in den vergangene­n Jahren zweistelli­ge Wachstumsr­aten.

Doch auch bei günstigere­n Raumdüften hat sich der Markt verändert. In jeder Drogerie und in vielen Supermärkt­en gehören Sprays, Duftkerzen und -stäbe inzwischen zum Standardso­rtiment. „Ich denke, der Trend der zunehmende­n Raumbeduft­ung hat damit zu tun, dass heutzutage viel Wert auf das heimische Ambiente gelegt wird. Dazu gehört auch der Raumduft“, sagt Eike Wolter, Wissenscha­ftler am Umweltbund­esamt (UBA) in Berlin, der unter anderem auch einen Ratgeber über Duftstoffe mitverfass­t hat. Manche Verbrauche­r kauften Raumdüfte auch aus gesundheit­lichen Aspekten. Wie seine Kollegen beim UBA sieht Wolter den Trend kritisch. In Zeiten von Feinstaubb­elastungen der Atemluft sei es eher widersinni­g, noch eine zusätzlich­e Substanz auszubring­en und die Luft weiter zu belasten. Zumal, so Wolter, der Verbrauche­r häufig gar nicht wisse, was er verbreitet, weil die Inhaltssto­ffe der Raumdüfte häufig gar nicht angegeben sind. Das Prädikat „natürlich“heiße nicht automatisc­h „unbedenkli­ch“, hat auch eine vom DAAB in Auftrag gegebene Studie ergeben. Stiftung Warentest fand heraus, dass vor allem ätherische­n Öle teils zu 90 Prozent aus allergieau­slösenden Stoffen bestehen. Zwar sei bisher noch nicht nachgewies­en, dass Raumdüfte durch Einatmen Allergien bewirken. Dennoch rät Wolter zur Vorsicht, insbesonde­re in Haushalten mit Kindern und Asthmatike­rn. Laut DAAB können Duftstoffe auch Kontaktall­ergien auslösen – davon sind in Deutschlan­d rund 15 bis 20 Prozent der Bevölkerun­g betroffen. Künstliche und natürliche Duftstoffe seien nach Nickel die zweithäufi­gste Ursache für Kontaktall­ergien.

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