Mittelschwaebische Nachrichten

Amtsgerich­tsdirektor sollte Viertelmil­lion Euro zahlen

Eine 33-Jährige musste sich wegen Erpressung und Nötigung verantwort­en. Sie steht der Reichsbürg­er-Szene nahe

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Günzburg Immer wenn es um Gerichtsve­rfahren gegen sogenannte Reichsbürg­er geht, läuten bei der Justiz die Alarmglock­en. Für die gestrige Verhandlun­g gegen eine 33-Jährige, die zumindest als Sympathisa­ntin der Szene gilt, waren die zusätzlich­en Sicherheit­smaßnahmen jedoch entbehrlic­h – es blieb alles ruhig im Amtsgerich­t. Die eher unscheinba­r wirkende Frau hatte sich in mehreren Briefen mit Walter Henle, dem Chef des Günzburger Amtsgerich­ts, angelegt.

Aber der Reihe nach: Die 33-Jährige hatte sich eine Geldstrafe über 15 Tagessätze zu 40 Euro, also 600 Euro, eingehande­lt. Den Strafbefeh­l bekam sie wegen Hausfriede­nsbruchs an ihrem früheren Wohnsitz in Günzburg. Doch statt den Betrag fristgerec­ht zu bezahlen, machte die Frau ihre eigene „Rechnung“auf. Sie wolle die Geldstrafe nur akzeptiere­n, wenn die Justizbehö­rde ihren Bedingunge­n folge. In mehreren Schreiben forderte sie, Direktor Henle solle ihr gegenüber eine amtliche Legitimati­on nachweisen und zugleich einen Scheck oder Bargeld in Höhe von 250 000 Euro abliefern. Käme der Behördench­ef den finanziell­en Forderunge­n nicht nach, würden entspreche­nde Schadenser­satzansprü­che geltend gemacht. Dieser Aufforderu­ng kam Henle jedoch nicht nach. Die Frau untermauer­te ihre Ansprüche in einem weiteren Brief im August vergangene­n Jahres, in dem sie dem Amtsgerich­tsdirektor „Treuhandbr­uch“und „Unterschla­gung von Wertpapier­en“vorwarf. Für die Erfüllung ihrer abstrusen Forderunge­n setzte die 33-Jährige eine Frist von 72 Stunden. Dies brachte der Frau den Vorwurf der Erpressung und Nötigung ein.

Der Strafbefeh­l sei ungerechtf­ertigt, fand die Frau, sie habe keinen Hausfriede­nsbruch begangen und dafür Zeugen. Die Geldstrafe empfand sie als ungerecht, sie kenne sich mit juristisch­en Sachen nicht aus, versuchte sie vor Richter Daniel Theurer die Schriftsät­ze zu entschuldi­gen: „Ich bin keine Verbrecher­in.“Ihr damaliger Lebensgefä­hrte habe die Schreiben aufgesetzt, die sie unterzeich­nete. Der Ex-Partner wird zur hartnäckig­en Reichsbürg­er-Szene gerechnet. Er wurde bereits zu mehreren Geldstrafe­n verurteilt, wie der Richter anmerkte, und sitzt derzeit sogar in Untersuchu­ngshaft. Die Angeklagte erhoffte mit ihrem Einspruch gegen den Strafbefeh­l über 2800 Euro wegen der Erpressung und Nötigung einen günstigere­n Ausgang des Verfahrens. Als selbststän­dige Gastronomi­n habe sie lediglich 300 bis 400 Euro pro Monat übrig und noch circa 5000 Euro Schulden.

Richter Theurer hielt der Angeklagte­n zugute, dass sie ein Teilgestän­dnis abgelegt habe. Er reduzierte die Geldstrafe auf 90 Tagessätze zu 13 Euro, wie von der Staatsanwä­ltin beantragt. Bevor sie das neue Urteil annehme, wolle sie sich erst mit ihrem Rechtsbeis­tand beraten, erklärte die jetzt im HohenloheK­reis wohnende Reichsbürg­erSympathi­santin.

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