Mittelschwaebische Nachrichten
Schon der zweite Sensationsfund
Krippenmuseum Nach dem Millionen-Jesulein sorgt jetzt ein Fund aus dem 14. Jahrhundert für Furore. Mindelheim könnte eine weltweit einzigartige Figur beherbergen
Mindelheim Vor ein paar Jahren bereits konnte sich Mindelheims Kulturamtsleiter Christian Schedler über einen Sensationsfund im Mindelheimer Krippenmuseum freuen. Ein wahrer Goldschatz war jahrzehntelang ausgestellt worden, und niemand hatte auch nur eine blasse Ahnung vom eigentlichen Wert der gezeigten Figur. In der ersten Vitrine im Flur war ein hölzernes Jesulein untergebracht, das in einem blauen Kleidchen aus dem 17. Jahrhundert steckte.
Zu sehen war im Grunde nur der Kopf mit ein paar Löckchen. Seit ein paar Jahren weiß man: Das Mindelheimer Jesulein stammt von Michel Erhart aus dem 15. Jahrhundert, einem berühmten Ulmer Bildhauer und Schnitzer. Die Figur hat Millionenwert.
Nun berichtete Schedler fast beiläufig von einem weiteren Sensationsfund. Das Erhart-Jesulein bekommt also Konkurrenz. Der Jugend-, Kultur- und Sozialausschuss war zu Gast im Mindelheimer Krippenmuseum, das derzeit völlig neu konzipiert wird. Nicht mehr Krippe an Krippe werden sich aneinanderreihen, sondern das Thema wird thematisch beleuchtet. Beispielsweise können Besucher den Sternenhimmel über Palästina zur Zeit von Jesu Geburt erleben. In diesem Zusammenhang erwähnte Schedler eine rund acht Zentimeter kleine Jesusfigur, die fast noch wertvoller ist als das Erhart-Jesulein. Es handelt sich „um das älteste Jesulein der Welt“.
Unstrittig in der Forschung ist, dass Jesusfiguren in schwäbischen des Mittelalters quasi erfunden wurden, bevor sie vor allem in Italien üblich wurden. Die fragliche Figur, die jetzt unter Fachleuten Begeisterung ausgelöst hat, stammt ursprünglich aus einem Dominikanerinnenkloster aus Leutkirch, das im Mittelalter aufgegeben worden war. Die Franziskanerinnen hatten das Kloster später neu besiedelt und ein Bett und dieses Jesulein als einzige Hinterlassenschaft vorgefunden.
Nach der Säkularisation im Jahr 1806 war die Figur nach Mindelheim gekommen. Über die UmstänFrauenklöstern de ist offenbar nichts überliefert. Zu sehen ist eine Jesusfigur, die sehr kindlich dargestellt ist. Der kleine Jesus hat sogar eine Hand im Mund, sagte Schedler.
Bisher galt in der kunsthistorischen Forschung, dass solche Figuren erst um das Jahr 1500 geschaffen wurden. Gerüchte, dass es solche Darstellungen womöglich schon früher gegeben hat, „haben wir in den Bereich der Legende verwiesen“, sagte Schedler.
Der Kunstsachverständige sagte, es sei gar nicht ungewöhnlich, dass Neuerungen in der Kunstwelt erst einmal in kleinen Details Einzug halten. In französischen Kathedralen sei das beispielsweise an den Eingangsportalen zu bewundern. Dort seien in der Gotik erstmals neuartige Figurendarstellungen ausprobiert worden.
Die Mindelheimer Figur hat jetzt ein Wissenschaftler näher unter die Lupe genommen. Deshalb befindet sie sich auch nicht in der Kreisstadt. Auch ein Foto gibt es derzeit nicht. Mit Hilfe der Radiokarbonmethode konnte nachgewiesen werden, dass die Figur zwischen 1300 und 1350 entstanden sein muss. Sie ist also deutlich älter als die frühesten Zeugnisse dieser sakralen Kunst.
Mit dieser Figur erfährt das neue Krippenmuseum überregional eine weitere Aufwertung. Da ist sich Christian Schedler ganz sicher. Allerdings hat der Fund auch einen Haken. Für die Figur muss aus Versicherungsgründen ebenso wie für das Erhart-Jesulein eine eigene Panzerglasvitrine angeschafft werden. Bisher ist der Umbau und die Sanierung des Schwäbischen Krippenmuseums mit rund 690 000 Euro beziffert. Der Betrag wird wohl nicht zu halten sein, räumte Schedler ein. Für geplante Computeranimationen werden leistungsfähige Laserbeamer benötigt, von denen einer schon 20 000 Euro kostet.
Bei den Kommunalpolitikern löste das keine großen Kopfschmerzen aus. Der neue Fund hat das Zeug, das als Erlebnismuseum konzipierte Museum zu einem Anziehungspunkt nicht nur für Krippenfreunde zu machen. Bis zum 25. Oktober müssen sich alle Interessierten noch gedulden. Dann wird das neue Museum offiziell eröffnet.