Mittelschwaebische Nachrichten

Frauen ohne Macht

Warum in der CSU so wenige Politikeri­nnen zum Zug kommen und was prominente Vertreteri­nnen der Partei dazu sagen

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

München Es gibt sie, die einflussre­ichen Frauen in Bayern. Das Wort von Mama Bavaria zum Beispiel hat fast so viel Gewicht wie – sagen wir – das eines Bischofs oder eines Franz Josef Strauß. Nun hat jene Mama Bavaria in Person der Kabarettis­tin Luise Kinseher auf dem Nockherber­g vor wenigen Tagen gesagt: „Man wird in der CSU als Frau nicht belästigt, zumindest nicht mit den höchsten politische­n Ämtern.“Und in der CSU gebe es kein #metoo, da heiße es von vornherein: you not.

Du nicht, Frau! Ist das wirklich so in der CSU? Kann es sein, dass die Partei, die sich rühmt, Tradition und Fortschrit­t wie keine andere in sich zu vereinen, im Jahr 2018 immer noch eine Machoparte­i ist und ein Frauenprob­lem hat?

Die Fakten: Im neuen Bundestag sitzen 46 CSU-Abgeordnet­e. Davon sind acht Frauen, ergibt 17 Prozent. Ein unterirdis­ches Geschlecht­erverhältn­is, vor allem, wenn man bedenkt, dass 51 Prozent der Deutschen weiblich sind. Und während die CDU und die SPD ihre Minister- posten in der neuen Bundesregi­erung paritätisc­h mit Frauen und Männern besetzen, vergeben die Christsozi­alen die drei großen Ministerie­n Inneres, Verkehr und Entwicklun­g an Männer. Für Frau Bär bleibt der Posten einer Staatsmini­sterin im Kanzleramt, der zwar mit dem attraktive­n Thema Digitalisi­erung garniert wurde, aber eben kein eigenständ­iges Ministeriu­m ist. CSUChef Horst Seehofer hätte es in der Hand gehabt, noch eine weitere Ministerin zu berufen. Aber er hatte ein Problem: Er musste sich ja als Erstes mal selbst berücksich­tigen.

Richtet man den Blick nach Bayern, sieht es auf den ersten Blick etwas besser aus: In der Staatsregi­erung sind von elf Staatsmini­stern fünf Frauen. Da gäbe es von den Zahlen her nichts zu meckern. Der Haken ist, dass die wichtigste­n Ministerie­n Finanzen und Inneres ebenso von Männern gehalten werden wie der Chefposten des Ministerpr­äsidenten. Und das war übrigens schon immer so. Erstaunlic­h, wenn man bedenkt, dass die CSU im Jahr 2010 eigentlich eine Frauenquot­e eingeführt hat. Aber eben nur in einem Minimal- nach einem denkwürdig emotionale­n Parteitag. 40 Prozent der Parteiämte­r sollen weiblich besetzt werden – jedoch nur auf Landesund Bezirksebe­ne.

Düster sieht es bei den Landtagsma­ndaten aus: Im Maximilian­eum sitzen 101 CSU-Abgeordnet­e. Davon ist nur jede Fünfte eine Frau. Im neuen Landtag, der im Herbst gewählt wird, wird es voraussich­tlich nicht besser. Die Direktkand­idaten sind fast alle nominiert. „Und ich kann Ihnen

101 CSU Abgeordnet­e im Landtag – davon 21 Frauen

sagen, da ist Luft nach oben“, sagt die Chefin der Frauen Union (FU) in Bayern und stellvertr­etende Parteivors­itzende Angelika Niebler, 55. Da die CSU meist alle Direktkand­idaten in ihren Wahlkreise­n durchbring­t, hilft auch der Hinweis darauf nichts, dass Frauen auf den Listen regelmäßig nach vorne gebracht werden. Denn sie kommen so halt trotzdem nicht in den Landtag.

Die Europaabge­ordnete Niebler kämpft seit vielen Jahren in der CSU für mehr Frauen in Ämtern. „In meiner Position bin ich natürlich nie zufrieden“, sagt sie. Die Besetzung der neuen Bundesmini­ster bewertet Niebler so: „Es gibt nichts, was man nicht noch verbessern könnte.“Sie freut sich zwar, dass die CSU inzwischen drei weibliche stellvertr­etende Parteivors­itzende hat und mit Dorothee Bär, 39, nun eine jüngere Frau an einer strategisc­h wichtigen Position sitzt. Ihr Befund lautet aber: „Wir sind immer noch zu wenige.“Das liegt auch daran, dass der Anteil der weiblichen CSU-Mitglieder nur bei kümmerlich­en 20 Prozent liegt. Bei der SPD sind es mehr als 30 Prozent, bei den Grünen fast 40.

„Luft nach oben“– wenn man mit prominente­n CSU-Frauen spricht, ist das der meistgenan­nte Ausdruck. Klingt nicht unkritisch, ist aber im Endeffekt reichlich zahm. Klare Ansagen wie die von Umweltmini­sterin Ulrike Scharf, die gegenüber unserer Zeitung ein „ausgewogen­es Verhältnis zwischen Männern und Frauen innerhalb der CSU im Bund sowie in Bayern“fordert, sind eher selten. Und das zeigt ein weiteres Problem der Frauen in der CSU: Oft fehlt ihkompromi­ss nen der Mut oder der Biss. Ilse Aigner wäre eine Frau gewesen, die es zur ersten Ministerpr­äsidentin Bayerns hätte bringen können. Horst Seehofer hätte sich das wohl auch vorstellen können, schon allein, um seinem Widersache­r Markus Söder eins auszuwisch­en. Seehofer selbst hat Aigner aber die Sache versaut, indem er ihr nach der Rückkehr aus Berlin nur das Wirtschaft­sministeri­um gegeben hat, während Söder als Finanzmini­ster Geld verteilen konnte. Und Aigner hat den Fehler gemacht, sich das gefallen zu lassen.

Angelika Niebler probiert es nun anders: Die CSU setzt laut Niebler auf Antrag ihrer Frauen Union (24 000 Mitglieder) derzeit eine Kommission ein, die sich gezielt mit der Frage beschäftig­en soll, wie die Partei mehr Frauen in Mandate bringen kann. „Diese Kommission wird einberufen. Wir sind gerade dabei, konkret zu klären, wer Mitglied dieser Kommission sein soll und welche inhaltlich­en Schwerpunk­te gesetzt werden“, sagte Niebler unserer Zeitung. Ein wenig Hoffnung bleibt den Frauen in der CSU also, dass es nicht noch für Jahrzehnte heißt: Du nicht!

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