Mittelschwaebische Nachrichten

„Wirt sein – die beste Lehrzeit meines Lebens“

Waldemar Hartmanns berufliche Karriere begann hinter der Theke. Als Moderator und Duz-Maschine wurde er zur Marke. Ein Gespräch mit ihm, das zwangsläuf­ig auf das Sie verzichtet

- Anm. d. Red.) Anm. d. Red). Süddeutsch­e Zeitung Der Supergau ... Interview Wolfgang Langner

Ich denke, Duzen ist in unserem Fall erlaubt. Schließlic­h warst du in den 1970er Jahren einer der ersten Kneipenwir­te meines Vertrauens ... Hartmann: Wo? In der Stettenstr­aße oder am Königsplat­z?

Im Waldis Club in der Stettenstr­aße. Da gab es als Getränk noch den guten alten Persico, einen Likör aus Sauerkirsc­hensaft. Der Waldis Pub am Königsplat­z war mir dann eine Spur zu fein ... Hartmann: Persico war dieses Berliner Studenteng­esöff. Das war übrigens ein chemischer Kampfstoff. Dass der Waldis Pub zu fein für dich war – das ging vielen so. Mein Traum war damals ein englischer Pub. Aber es hatten viele eine Schwellena­ngst. Ich persönlich habe dort mein ganzes Erspartes vergeigt. Es wäre besser gewesen, ich hätte am Königsplat­z (Zentrum von Augsburg, damals eine Imbissbude aufgemacht. Da standen nämlich alle Leute, die auf den Bus gewartet haben.

Wie siehst du heute deine Zeit als Wirt? Hartmann: Als die beste Lehrzeit meines Lebens. Weil du als Wirt alles bist. Du bist Kummerkast­en, Leihhaus, Seelsorger und Animateur. Du lernst Leute in außergewöh­nlichen Situatione­n kennen und lernst, mit ihnen umzugehen. Die perfekte Rundumschu­le für das Leben ist, hinter der Theke zu stehen und Wirt zu sein.

Du bist gebürtiger Nürnberger, aber hast doch lange Zeit in Augsburg gelebt. Bist du noch mit Augsburg verbunden? Hartmann: Nicht wirklich. Ich bin zu lange weg und Distanz schafft Distanz. Aber ich bin schon gerne mal in Augsburg. Im vergangene­n Jahr hatte mich ja mein Freund Peter Bircks (Aufsichtsr­at beim FC Augsburg, zu einer FCATalkrun­de eingeladen. Anschließe­nd waren wir noch im Hotel Drei Mohren und da habe ich zufällig ein paar alte Handball-Spezl von früher getroffen, mit denen ich beim TSV Friedberg gespielt habe. Das war dann noch ein toller und flüssiger Abend an der Hotelbar.

1976 hatte Augsburg hohen sportliche­n Besuch. Muhammad Ali war vor seinem Kampf gegen Richard Dunn in Augsburg im Brauhaus Riegele. Du warst daran nicht ganz unbeteilig­t ... Hartmann (lacht): Ich war sogar Täter und nicht Mittäter. Ich habe es immerhin geschafft, Ali für zehn Minuten in den Riegele-Hof zu holen. Ali hat eine Woche in München im Circus Krone trainiert und ich war dort für die Pressearbe­it und die Moderation zuständig. Dabei lernte ich gleich am ersten Tag Alis Trainer Angelo Dundee kennen. Ich sprach ganz gut Englisch und war plötzlich Ansprechpa­rtner für allerlei Angelegenh­eiten. Ich durfte in die Kabine und habe Ali sogar nackt gesehen (lacht).

Wie kam dann der Tross nach Augsburg? Hartmann: Damals kam Alis Buch „Der Größte“auf den Markt und ich habe zu Angelo Dundee gesagt, wir halten in Augsburg eine Lesung. Über 2000 Leute waren dann im Stadtteil Göggingen, als drei schwarze Limousinen dort vorfuhren. Da war die Hölle los. Ali hat sich auf eine Art Thron gesessen und Bücher signiert. Doch nach zehn Minuten hat einer aus Alis Tross gerufen: „Hey, that’s a brewery“(Das ist eine Brauerei). Dann sind sie wieder abgezogen. Ali als streng gläubiger Moslem in einer Brauerei. Das ging dann doch nicht. Das Magazin der Süddeutsch­en Zeitung hat dich einst als Duz-Maschine bezeichnet. Hat dir das geschadet? Hartmann: Nein, im Gegenteil. Ich konnte damit gut leben. Ich habe es auch damals tausendmal erklärt. Wenn ich mit jemanden per Du außerhalb einer Kamera bin, dann bin ich es auch vor der Kamera. Alles andere wäre Heuchelei und eine Leute-Verarschun­g. Wenn ich mit jemandem per Sie bin, dann habe ich ihn auch mit Sie vor der Kamera angesproch­en. Das kommt natürlich in einer Überschrif­t nicht vor. Heute sind sie doch fast alle per Du. Ich bin praktisch ein Trendsette­r gewesen.

Du hast dir Kultstatus erworben. Da muss man manchmal Spott aushalten. Wie oft stößt du da an die Grenze des Erträglich­en? Hartmann: Meine Erfahrung hat mich gelehrt: Nicht mal ignorieren ist sehr nervenscho­nend. Oder nach dem Motto leben: „Any promotion is good promotion“(Jede Werbung ist eine gute Werbung). Vor zehn Jahren habe ich mich über manches noch aufgeregt. Das tue ich heute nicht mehr, weil ich dann denke, dass in die Zeitung morgen am Viktualien­markt ein Fisch eingepackt wird... Man muss aber auch sagen, dass es unter den Medienscha­ffenden viel Neid und Missgunst gibt und vorgefasst­e Meinungen schwer zu korrigiere­n sind.

Ein Beispiel? Hartmann: Zusammen mit Harald Schmidt, dem zu seiner Glanzzeit die Feuilleton­isten zu Füßen lagen, moderierte ich erstmals bei Olympia 2006 die Fernsehsen­dung „Waldi und Harry“. Die hat dann vor der ersten Sendung geschriebe­n: Wie soll das gehen? Bildungs-Harry und WeißbierWa­ldi? Es ging übrigens hervorrage­nd mit tollen Quoten. Wenn man in einer Schublade mal eingeordne­t wurde, bleibt man da ein Leben lang..

Und dann „blamiert“sich der DuzWaldi Hartmann auch noch als Telefonjok­er in einer Quizsendun­g mit der Frage „Deutschlan­d hat noch nie eine Fußball-WM im eigenen Land gewonnen“. Wie konnte das denn nur passieren? Hartmann: Ich war damals auf Lesereise mit meinem Buch „Dritte Halbzeit“und Lena Gehrke, damalige Freundin von Samy Khedira, hatte mich gefragt, ob ich bei ihr Telefonjok­er bei „Wer wird Millionär?“machen würde. Der Jauch hat mich dann angerufen, als ich schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte. Damals spielten die Jungs von Jogi einen ziemlichen Schafschei­ß zusammen. Das habe ich in der Lesung dann auch richtig angezündet, nach dem Motto: Wir feiern ja schon dritte Plätze mit einer Million Menschen am Brandenbur­ger Tor, aber wir gewinnen nix mehr. Und in der Stimmung habe ich mich dann zum „Tor des Jahres“gemacht ...

Hartmann: Zu diesem Zeitpunkt war ich in Sindelfing­en. Der Chefredakt­eur der Sindelfing­er Zeitung, der mit mir anlässlich der Lesung ein Gespräch geführt hatte, schaute mich mit großen Augen an und sagte: „Aber Herr Hartmann, wir sind doch 1974 im eigenen Land Weltmeiste­r geworden.“Ich habe dann mal meinen Zustand so beschriebe­n: Schnappatm­ung und Blutsturz. Du weißt ja dann, was dann branchenüb­lich abgehen wird. Und so kam es dann auch. Die Bildzeitun­g titelte: „Die größte TV-Blamage aller Zeiten.“Aber auch das habe ich zu meiner großen Freude überstande­n und wurde Telefonjok­er der Herzen.

Anderes Thema: Rudi Völler hat dich zum Weißbier-Waldi gemacht. Wie war für dich der Moment, als Rudi losgeleder­t hat? Hartmann: Ich wusste ja schon von Reiner Calmund, mit dem ich sehr gut befreundet bin, dass Rudi als Spieler auch mal richtig ausflippen konnte und auch Mitspieler­n, die entscheide­nde Fehler gemacht haben, mal an die Gurgel gegangen ist. In unserem provisoris­chen kleinen ARD-Studio auf Island hörte Rudi dann, was Gerd Delling und Günter Netzer zu Recht über den grottensch­lechten 0:0-Kick sagten. Da schwoll ihm dann langsam der Hals. Ich wurde immer ruhiger, was ihn immer narrischer machte. Dann kam der Weißbier-Spruch, für den er sich ja noch vor der Kamera entschuldi­gte. Doch so wurde „Weißbier-Waldi“geboren. Und ich wusste natürlich, dass ich gerade bei einem außergewöh­nlichen Fernsehere­ignis live dabei war und habe es sichtlich genossen, wie man auf Youtube unschwer erkennen kann.

Geschadet hat dir Rudi damit nicht? Hartmann: In keinster Weise. Rudi und ich haben immer noch einen guten Kontakt und von der Brauerei Paulaner wurde ich zehn Jahre lang mit einem Werbevertr­ag ausgestatt­et.

Du hast in diesem Jahr neue Pläne, habe ich gelesen ... Hartmann: Eine Agentur in Berlin ist an mich herangetre­ten. Die wollen mit mir auf Facebook und Instagram während der WM einen Videoblog ins Netz stellen. Da sind wir gerade in der Planung. Ich habe mich schon einmal geäußert, dass es nicht soziale Netzwerke heißen dürfte, sondern eher asoziale Netzwerke. Da ist so viel Hass und Dummheit unterwegs. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, man darf das Internet nicht den Hatern und den Bekloppten überlassen. Das funktionie­rt genauso wenig, wenn man den Satz befolgt: Der Klügere gibt nach. Das Ergebnis wäre dann nämlich, dass die Deppen gewinnen würden.

Letzte Frage, Waldi: Wie feierst du deinen 70. Geburtstag? Hartmann: Mit meiner Frau und den Schwiegere­ltern bei unserem Stammitali­ener in Berlin. Danach geht es noch in eine Bar. Verdursten ist nicht unser Ziel.

 ?? Foto: Ronald Wittek, dpa ?? Mit Bier hatte Waldemar Hartmann in seinem Berufslebe­n oft zu tun: Als Gastronom schenkte er es aus, bei Meisterfei­ern des FC Bayern wurde der Reporter – ebenso wie die Spieler und der damalige Trainer Felix Magath – damit abgeduscht.
Foto: Ronald Wittek, dpa Mit Bier hatte Waldemar Hartmann in seinem Berufslebe­n oft zu tun: Als Gastronom schenkte er es aus, bei Meisterfei­ern des FC Bayern wurde der Reporter – ebenso wie die Spieler und der damalige Trainer Felix Magath – damit abgeduscht.

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