Mittelschwaebische Nachrichten

Leipheim ist deutlich älter als bislang gedacht

Archäologi­sche Funde auf einer Baustelle in der Innenstadt zeigen, dass sich bereits vor 7000 Jahren, also zur Jungsteinz­eit, die ersten Menschen auf dem heutigen Stadtgebie­t niedergela­ssen haben

- VON ANGELA BRENNER

Leipheim Auf den ersten Blick lässt sich kaum erahnen, welch historisch­er Schatz auf der Baustelle in der Leipheimer Innenstadt im Boden schlummert. Mehrere Nägel stecken in der Erde, an ihnen hängen Zettel mit Nummern. 270 steht auf einem. Immer wieder sind Kreise in den Boden gezeichnet, sie alle weisen auf historisch­e Funde hin. Und auf eine Sensation: Denn Leipheim ist deutlich älter als gedacht. Etwa 4000 Jahre älter, um genau zu sein. Bereits vor 7000 Jahren haben sich die ersten Menschen dort niedergela­ssen.

Auf dem Gelände gegenüber dem alten Friedhof soll eine neue Wohnanlage entstehen. Wie üblich hat ein Archäologe­nteam die ersten Baggerarbe­iten begleitet. „Wir haben ein paar alte Abfallgrub­en von Handwerker­n aus dem Spätmittel­alter erwartet“, sagt Anja Seidel vom Archäologi­ezentrum Günzburg. Gefunden haben die Archäologe­n Pfostenste­llungen und Keramiksch­erben aus der Jungsteinz­eit. „Damit haben wir nicht gerechnet“, gibt die Archäologi­n zu. Die Geschichte der Stadt Leipheim muss damit neu betrachtet

„Bis jetzt sind wir davon ausgegange­n, dass das Leipheimer Stadtgebie­t circa 1200 bis 1500 vor Christus erstmals besiedelt wurde.“Nicole Schneider, Stadt Leipheim

werden. „Bis jetzt sind wir davon ausgegange­n, dass das Leipheimer Stadtgebie­t circa 1200 bis 1500 vor Christus erstmals besiedelt wurde“, sagt Nicole Schneider von der Stadt Leipheim. Die Funde, die jetzt entdeckt worden sind, stammen aus der Zeit um 5000 vor Christus. „Für die Geschichte Leipheims ist diese Erkenntnis sehr interessan­t“, sagt Bürgermeis­ter Christian Konrad, als er sich vor Ort selbst ein Bild von den Ausgrabung­en macht. Die Funde liefern völlig neue Erkenntnis­se über die Entwicklun­g der Stadt. Auch für den Leipheimer Rathausche­f kamen die Informatio­nen völlig überrasche­nd. „Damit konnte niemand rechnen.“Die Funde liegen nur wenige Meter von der Stadtmauer entfernt, die erstmals im 14. Jahrhunder­t errichtet worden ist.

Ein Rundgang über die Ausgrabung­sstelle bringt Erstaunlic­hes zutage. In mehreren Schichten wurde der Boden bereits abgetragen. Nach der Oberschich­t kommt bereits eine Schicht mit spätmittel­alterliche­n Funden ans Licht. Ein Keramik- der noch fast vollständi­g erhalten ist, ist im Boden versenkt. Er soll, nachdem er wie die restlichen Funde akribisch dokumentie­rt worden ist, geborgen und gesäubert werden. Er wird dann zusammen mit den anderen Keramiksch­eiben, Ziegelspli­ttern und Holzkohler­esten an das Denkmalamt geschickt. Genauso wie Fotos, Skizzen und Dokumentat­ionen über die Befunde, also die Veränderun­gen und Verfärbung­en in den Bodenschic­hten. Dort gehen die Untersuchu­ngen dann weiter. Aufschlüss­e erhoffen sich die Archäologe­n vor allem von den unerwartet­en Funden aus der Jungsteinz­eit. In den Boden hat das Team um Anja Seidel viereckige Löcher gegraben. Aus einem ragen an der Seite Keramikstü­cke heraus. „Das muss ein Grubenhaus gewesen sein“, erklärt Anja Seidel. Ein klares Zeichen dafür, dass die Menschen sich erste Unterkünft­e gebaut haben. In der Jungsteinz­eit, so erklärt Anja Seidel, sind die Menschen dazu übergegang­en, sesshaft zu werden. Es war das Ende der Jäger und Sammler und der Beginn der Viehzucht.

Die Archäologe­n arbeiten mit Spaten, Schaufeln und kleinen Kellen. Vorsichtig heben sie die altertopf, tümlichen Bruchstück­e aus dem Erdreich. „Wir haben wesentlich mehr Siedlungss­puren entdeckt, als zu erwarten war“, sagt Anja Seidel. Etliche Stücke müssen noch geborgen werden. Deutlich hebt sich an einer Stelle ein dunkler Kreis auf der ansonsten hellen Erdschicht ab. Die Archäologe­n schließen daraus, dass dort der Boden einmal verfüllt worden ist und somit vor Tausenden Jahren ein Pfahl an dieser Stelle stand. Bis die Arbeiten der Archäologe­n abgeschlos­sen sind, herrscht auf der Baustelle erst einmal Stillstand. Was dem Leipheimer Bürgermeis­ter etwas Sorge bereitet. „Die Bauherren wissen nicht, wann sie mit dem Arbeiten anfangen können.“Eine Antwort darauf gibt es auch von den Archäologe­n nicht. Bauträger ist die Firma BSG Allgäu. Sie möchte auf dem Gelände eine Wohnanlage bauen. „Die Wohnungen sind weitestgeh­end verkauft“, erklärt Bürgermeis­ter Christian Konrad. „Es gibt daher einen zeitlichen Druck, dass die Wohnungen fertig werden.“Der Bauträger muss nach Auskunft des Archäologi­ezentrums außerdem die Kosten für die Ausgrabung­en tragen, dafür sei er aber auch der Besitzer der historisch­en Funde.

 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r ?? Die alten Gebäude sind längst abgerissen, eigentlich könnten die Bauarbeite­n für eine neue Wohnanlage an der Wallgraben­straße in Leipheim beginnen. Doch Archäologe­n, die die Erdarbeite­n begleitete­n, haben Siedlungsf­unde aus der Jungsteinz­eit gemacht.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r Die alten Gebäude sind längst abgerissen, eigentlich könnten die Bauarbeite­n für eine neue Wohnanlage an der Wallgraben­straße in Leipheim beginnen. Doch Archäologe­n, die die Erdarbeite­n begleitete­n, haben Siedlungsf­unde aus der Jungsteinz­eit gemacht.
 ??  ?? Mit großem Personalau­fwand wird auf dem Gelände nach verwertbar­en Spuren aus der Geschichte gegraben.
Mit großem Personalau­fwand wird auf dem Gelände nach verwertbar­en Spuren aus der Geschichte gegraben.
 ??  ?? Ein mittelalte­rlicher Brunnensch­acht kam zutage.
Ein mittelalte­rlicher Brunnensch­acht kam zutage.
 ??  ?? Archäologi­n Anja Seidle erklärt Bürger meister Christian Konrad die Fundorte.
Archäologi­n Anja Seidle erklärt Bürger meister Christian Konrad die Fundorte.

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