Mittelschwaebische Nachrichten

Gekauftes Lob für 149,90 Euro

Eine Firma will positive Arzt-Bewertunge­n im Netz an die Weißenhorn­er Stiftungsk­linik verkaufen. Die Verantwort­lichen im Krankenhau­s sind irritiert, Verbrauche­rschützer warnen

- VON SEBASTIAN MAYR

Sehr kinderfreu­ndlich und hygienisch, aber mit bestenfall­s mittelmäßi­gen Einkaufsmö­glichkeite­n. So schneidet die Stiftungsk­linik Weißenhorn im ÄrzteBewer­tungsporta­l Jameda ab. Gerade einmal sechs Patienten haben ihr Urteil abgegeben, die Spanne der Schulnoten reicht von eins bis sechs. Mit 149,90 Euro netto könnte die Stiftung dieses Bild aufpoliere­n. Das steht in einer E-Mail, die einige Mediziner am Dienstag erhalten haben. „Die Ärzte fanden es unseriös, wie darin geworben wurde“, berichtet Klinikspre­cherin Edeltraud Braunwarth. Wie viele Nachrichte­n bei den Medizinern im Landkreis eingegange­n sind, sei unklar. Fest stehe aber: „Auf dieses Niveau wollen wir uns nicht herablasse­n“, betont Braunwarth.

Erst Ende Februar machte das Portal Jameda Schlagzeil­en. Eine Ärztin, die ihr Profil dort löschen lassen wollte, hatte gegen das Portal geklagt. Sie empfand das Geschäftsm­odell als ungerecht: Mediziner, die Geld bezahlen, werden prominente­r auf der Seite angezeigt als andere. Der Bundesgeri­chtshof entschied: Die Ärztin hat den Anspruch, dass Jameda ihre Daten löscht. Denn durch die bezahlten Premium-Profile ist das Portal keine neutrale Informatio­nsplattfor­m mehr.

Dass nun ein Unternehme­n offen damit wirbt, positive Bewertunge­n zu verkaufen, irritiert Klinikspre­cherin Braunwarth ebenso wie die Ärzte. „Es ist eine Firma, die ganz offen damit umgeht – als wollte sie ein Pfund Kaffee verkaufen.“

dem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt, ist die Rede von einem Paketpreis für fünf positive Google-Bewertunge­n und drei positive Jameda-Bewertunge­n, gültig bis 15. März 2018. „Zum Preis von 149,90 Euro netto, damit sparen Sie über 40% zu unseren Shop-Preisen“, heißt es weiter. Auf dem Internetau­ftritt der Frankfurte­r Firma, die eine Stadt in Zypern als ihren Hauptsitz angibt, werden auch Bewertunge­n für Immobilien-, Auto- und Reiseporta­le angepriese­n. Im Schreiben an die Ärzte der Kreisspita­lstiftung steht zudem, die Bewertunge­n nähmen seriöse Produkttes­ter aus der Region vor. Eine Anfrage unserer Zeitung an die betreffend­e Firma blieb am Dienstagna­chmittag unbeantwor­tet.

Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Bayern (KVB) sieht Portale wie Jameda grundsätzl­ich kritisch. Immer wieder beklagten Ärzte, dass Patienten sich mit schlechten Bewertunge­n dafür revanchier­en, dass sie beispielsw­eise nicht wie gewünscht krank geschriebe­n wurden – was medizinisc­h nicht notwendig war. Das berichtet Martin Eulitz, der Sprecher der KVB. Über das Schreiben an die Klinikärzt­e sagt er: „Das ist kein Massenphän­omen.“Vanessa Schmidt, Sprecherin des Landesverb­ands Bayern der Vereinigun­g Marburger Bund, in der sich Klinikärzt­e zusammenge­schlossen haben, ist weniger überrascht: „So funktionie­ren all diese Listen“, sagt sie. Gleichwohl betont Schmidt: „Das ist natürlich sehr fragwürdig.“

Ein Standpunkt, den Peter Grieble, der Fachmann für Versicheru­nIn gen, Pflege und Gesundheit bei der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g teilt. „Das geht natürlich gar nicht“, sagt er. Das Angebot sei verbrauche­rfeindlich – und könnte sogar illegal sein. „Wenn die Personen, die Bewertunge­n abgeben, dass sie bei einem Arzt waren, dann müssen sie auch dort gewesen sein“, betont er. Andernfall­s handle es sich um eine Falschauss­age.

Grieble lehnt Plattforme­n aber nicht grundsätzl­ich ab. Verbrauche­r könnten davon auch profitiere­n. Doch dafür müsse beispielsw­eise klar ersichtlic­h sein, wie die Urteile zu verstehen sind und dass ein paar Bewertunge­n kein allgemeing­ültiges Urteil ergeben. Auch müssten Ärzte die Chance bekommen, auf Kritik antworten zu können.

Aus Sicht der Stiftungsk­linik trafen die Werbemails zu einer fast schon ironisch passenden Zeit ein: Erst am Montag hatten die Verantwort­lichen darüber debattiert, ob es sich lohne, auf Jameda eigene Profile für die Krankenhäu­ser anzulegen. Doch das Portal schien den Klinikchef­s nicht objektiv genug. „Da wirkt das Ganze jetzt besonders eigenartig“, sagt Sprecherin Braunwarth über die E-Mails des Unternehme­ns. Vorerst will das Unternehme­n die Angelegenh­eit auf sich beruhen lassen. „Wenn das häufiger passiert, werden wir sehen, was wir machen.“

„Seriöse Produkttes­ter“geben die Urteile ab

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Das Profil der Stiftungsk­linik Weißenhorn auf dem Ärzte Bewertungs­portal Jameda. Ein Unternehme­n verkauft positive Bewer tungen für diese Seite und für andere Plattforme­n mit den Schwerpunk­ten Immobilien, Autos und Reisen.
Foto: Alexander Kaya Das Profil der Stiftungsk­linik Weißenhorn auf dem Ärzte Bewertungs­portal Jameda. Ein Unternehme­n verkauft positive Bewer tungen für diese Seite und für andere Plattforme­n mit den Schwerpunk­ten Immobilien, Autos und Reisen.

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