Mittelschwaebische Nachrichten
Gekauftes Lob für 149,90 Euro
Eine Firma will positive Arzt-Bewertungen im Netz an die Weißenhorner Stiftungsklinik verkaufen. Die Verantwortlichen im Krankenhaus sind irritiert, Verbraucherschützer warnen
Sehr kinderfreundlich und hygienisch, aber mit bestenfalls mittelmäßigen Einkaufsmöglichkeiten. So schneidet die Stiftungsklinik Weißenhorn im ÄrzteBewertungsportal Jameda ab. Gerade einmal sechs Patienten haben ihr Urteil abgegeben, die Spanne der Schulnoten reicht von eins bis sechs. Mit 149,90 Euro netto könnte die Stiftung dieses Bild aufpolieren. Das steht in einer E-Mail, die einige Mediziner am Dienstag erhalten haben. „Die Ärzte fanden es unseriös, wie darin geworben wurde“, berichtet Kliniksprecherin Edeltraud Braunwarth. Wie viele Nachrichten bei den Medizinern im Landkreis eingegangen sind, sei unklar. Fest stehe aber: „Auf dieses Niveau wollen wir uns nicht herablassen“, betont Braunwarth.
Erst Ende Februar machte das Portal Jameda Schlagzeilen. Eine Ärztin, die ihr Profil dort löschen lassen wollte, hatte gegen das Portal geklagt. Sie empfand das Geschäftsmodell als ungerecht: Mediziner, die Geld bezahlen, werden prominenter auf der Seite angezeigt als andere. Der Bundesgerichtshof entschied: Die Ärztin hat den Anspruch, dass Jameda ihre Daten löscht. Denn durch die bezahlten Premium-Profile ist das Portal keine neutrale Informationsplattform mehr.
Dass nun ein Unternehmen offen damit wirbt, positive Bewertungen zu verkaufen, irritiert Kliniksprecherin Braunwarth ebenso wie die Ärzte. „Es ist eine Firma, die ganz offen damit umgeht – als wollte sie ein Pfund Kaffee verkaufen.“
dem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt, ist die Rede von einem Paketpreis für fünf positive Google-Bewertungen und drei positive Jameda-Bewertungen, gültig bis 15. März 2018. „Zum Preis von 149,90 Euro netto, damit sparen Sie über 40% zu unseren Shop-Preisen“, heißt es weiter. Auf dem Internetauftritt der Frankfurter Firma, die eine Stadt in Zypern als ihren Hauptsitz angibt, werden auch Bewertungen für Immobilien-, Auto- und Reiseportale angepriesen. Im Schreiben an die Ärzte der Kreisspitalstiftung steht zudem, die Bewertungen nähmen seriöse Produkttester aus der Region vor. Eine Anfrage unserer Zeitung an die betreffende Firma blieb am Dienstagnachmittag unbeantwortet.
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) sieht Portale wie Jameda grundsätzlich kritisch. Immer wieder beklagten Ärzte, dass Patienten sich mit schlechten Bewertungen dafür revanchieren, dass sie beispielsweise nicht wie gewünscht krank geschrieben wurden – was medizinisch nicht notwendig war. Das berichtet Martin Eulitz, der Sprecher der KVB. Über das Schreiben an die Klinikärzte sagt er: „Das ist kein Massenphänomen.“Vanessa Schmidt, Sprecherin des Landesverbands Bayern der Vereinigung Marburger Bund, in der sich Klinikärzte zusammengeschlossen haben, ist weniger überrascht: „So funktionieren all diese Listen“, sagt sie. Gleichwohl betont Schmidt: „Das ist natürlich sehr fragwürdig.“
Ein Standpunkt, den Peter Grieble, der Fachmann für VersicherunIn gen, Pflege und Gesundheit bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg teilt. „Das geht natürlich gar nicht“, sagt er. Das Angebot sei verbraucherfeindlich – und könnte sogar illegal sein. „Wenn die Personen, die Bewertungen abgeben, dass sie bei einem Arzt waren, dann müssen sie auch dort gewesen sein“, betont er. Andernfalls handle es sich um eine Falschaussage.
Grieble lehnt Plattformen aber nicht grundsätzlich ab. Verbraucher könnten davon auch profitieren. Doch dafür müsse beispielsweise klar ersichtlich sein, wie die Urteile zu verstehen sind und dass ein paar Bewertungen kein allgemeingültiges Urteil ergeben. Auch müssten Ärzte die Chance bekommen, auf Kritik antworten zu können.
Aus Sicht der Stiftungsklinik trafen die Werbemails zu einer fast schon ironisch passenden Zeit ein: Erst am Montag hatten die Verantwortlichen darüber debattiert, ob es sich lohne, auf Jameda eigene Profile für die Krankenhäuser anzulegen. Doch das Portal schien den Klinikchefs nicht objektiv genug. „Da wirkt das Ganze jetzt besonders eigenartig“, sagt Sprecherin Braunwarth über die E-Mails des Unternehmens. Vorerst will das Unternehmen die Angelegenheit auf sich beruhen lassen. „Wenn das häufiger passiert, werden wir sehen, was wir machen.“
„Seriöse Produkttester“geben die Urteile ab