Mittelschwaebische Nachrichten
Worauf sich Firmen einstellen müssen
Die Arbeitsmarktzahlen im Landkreis Günzburg sind eigentlich fantastisch. Und dennoch wird sich das Wachstumspotenzial bald wohl nicht mehr ausschöpfen lassen. Warum das so ist
Günzburg Die Wirtschaft im Landkreis Günzburg brummt. Aber wie lange noch? Eine ökonomische Krise ist nicht in Sicht. Und dennoch könnte es bald passieren, dass die Unternehmen nicht mehr ihr Wachstumspotenzial ausschöpfen können, das sie eigentlich besitzen. Denn es fehlt an geeigneten Fachkräften, um die Aufträge abarbeiten zu können – eine der Schattenseiten der Vollbeschäftigung. Im Landkreis Donau-Ries sei es bereits so weit, dass die Firmen nicht mehr alles abrufen können, weil es am entsprechenden Personal fehlt, erzählte Werner Möritz den Mitgliedern des Wirtschafts- und Strukturbeirats. Der operative Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Donauwörth geht davon aus, dass sich der Mangel im Landkreis Günzburg in „einem Jahr bis eineinhalb Jahren“vergleichbar verschärfen könnte – mit den entsprechenden Folgen.
An Superlativen sparte Möritz nicht, um die derzeitige Lage zu beschreiben. „Normalerweise sprechen wir von einer Sockelarbeitslosigkeit. Jetzt sind wir schon im untersten Sockel drin.“Und trotz dieses ausgesprochen niedrigen Niveaus sinkt die Arbeitslosigkeit noch weiter. Die Zahl der Empfänger von Arbeitslosengeld I ist binnen eines Jahres um 13,9 Prozentpunkte zurückgegangen – von 1421 auf 1223 Personen. Bezieher von Hatz-IVLeistungen (Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu Arbeitslosengeld II) gibt es im Februar 2018 mit 509 auch noch einmal deutlich weniger als im selben Monat des Vorjahres (674). Das entspricht einem Rückgang um 24,5 Prozentpunkte. Für Möritz ist das „äußerst bemerkenswert“.
Die Jugendarbeitslosigkeit sei im Landkreis mit 1,8 Prozent (158 Betroffene zwischen 15 und 24 Jahren) im Februar 2018 so niedrig, dass diese Quote mit anderen in Nordund Westschwaben „wahrscheinlich zu den geringsten in ganz Europa zählt“, bilanzierte der Arbeits- Zum Vormonat ist sie um 8,7 Prozentpunkte zurückgegangen, im Vergleich zum Februar des Vorjahres sind es 32,8 Prozentpunkte. Dagegen hat der Zuwachs an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit 51099 Personen einen neuen Höchststand erreicht. Eine Entwicklung, die Möritz zufolge mit Einheimischen nicht möglich gewesen wäre. Zwischen Juni 2010 und Juni 2017 ist der Anstieg bei diesen Beschäftigungsverhältnissen um 16,2 Prozentpunkte (das entspricht etwas mehr als 7100 Beschäftigungen) fast zur Hälfte durch Zuwanderung bestimmt gewesen. Häufig sind die Menschen dabei aus osteuropäischen EU-Staaten nach Deutschland gekommen. Ohne diemarktexperte. se ausländischen Arbeitskräfte würde das Wachstum in Bayern wie in der Region gebremst. Die allgemeine Beschäftigungsquote liegt im Landkreis über dem bayerischen Schnitt, auch die der älteren Arbeitnehmer (55 bis 65 Jahre), die der Frauen, aber auch bei Teilzeitarbeitsplätzen und Saisonarbeitern.
Dennoch verdienen mehr Landkreis-Bürger außerhalb des Kreises Günzburg ihr Geld, als dass Arbeitnehmer aus anderen Gebieten in den Landkreis Günzburg zum Arbeiten kommen. Ein negativer Pendlersaldo (für den Landkreis Günzburg ein Minus von 2963 Personen: 14263 Beschäftigte pendeln aus, 17 226 Arbeitnehmer arbeiten außerhalb des Kreisgebiets) sei für eine ländliche Region aber nicht ungewöhnlich, so Möritz. Die Auspendler haben am meisten im Landkreis Neu-Ulm (19 Prozent), in der Stadt Ulm (14 Prozent) und in der Stadt Augsburg (11 Prozent) ihre Arbeitsplätze. In den Landkreis zieht es wegen der Arbeit prozentual betrachtet die meisten Menschen aus dem Kreis Dillingen (18 Prozent), gefolgt vom Kreis Neu-Ulm (15 Prozent) und vom Kreis Augsburg (13 Prozent). Betriebe im Landkreis Günzburg profitieren der Statistik zufolge nicht so stark von den Einpendlern wie es Unternehmen in den Landkreisen Neu-Ulm, Dillingen oder DonauRies tun.
Im Kreis Günzburg eine geeignete Mietwohnung zu finden, ist für Arbeitnehmer ohnehin nicht leicht. Das offenbarte eine aktuelle Studie des Wohnungsmarktes in der Region. Einer der Gründe ist, dass der Wohnungsmarkt eigentumsgeprägt ist und es nur rund 14 000 Mietwohnungen im Kreisgebiet gibt.