Mittelschwaebische Nachrichten
Günzburg im Feiermodus
Mit einer tadellosen Leistung schlägt der VfL auswärts den Tabellenführer klar mit 37:25. Die Mannschaft kommt aus dem Feiern nicht heraus und erlaubt sich zumindest vorsichtige Rechenspiele im Titelkampf
Erlangen Davon hat sicher selbst der glühendste VfL-Fan nicht zu träumen gewagt: Mit einem unglaublichen 37:25 (18:10)-Auswärtserfolg schlagen die Günzburger Handballer den scheinbar übermächtigen Tabellenersten TV Erlangen-Bruck im Bayernliga-Spitzenduell. Der VfL spielte 60 Minuten wie aus einem Guss, leistete sich bei 37 Toren gerade einmal 15 Fehler. Ein seltener Wert.
Eine der wichtigsten Fragen hatte Günzburgs Trainer Stephan Hofmeister im Gespräch mit seinem Kollegen Ben Ljevar bereits vor dem Spiel geklärt, nämlich ob der TV Erlangen überhaupt in die Dritte Liga aufsteigen möchte. In der Vorrunde äußerte sich der Verein in Trainergesprächen nach dem Spiel oder auf der eigenen Homepage immer sehr kryptisch. Diesmal gab es ein klares Bekenntnis zu den Aufstiegsambitionen. Alle drei Brucker Männerteams hoffen in der Saison 17/18 auf einen Aufstieg, besonders träumt man in Erlangen-Bruck aber von einem Stadt-Derby gegen den HC Erlangen II in der Dritten Liga Ost.
Damit bleibt auch nach diesem spektakulären VfL-Coup sechs Spieltage vor Schluss alles beim Alten. Mit sieben Punkten Vorsprung haben die Mittelfranken die Meisterschaft fest in den Händen. Sie muss eigentlich nur eingepackt werden. Vier weitere Teams, darunter der VfL, spielen um den immerhin briefkopftauglichen Titel eines bayrischen Vizemeisters.
Bei den durchaus siegessicheren Gastgebern fehlten mit dem ebenso schnellen wie quirligen Spielmacher und einem von zwei starken Kreisläufern zwei herausragende Kräfte. Ob das schwerer wiegt als die Günzburger Ausfälle von Pascal Buck und Stefan Knittl, den Haupttorschützen der Hinrunde, mögen die Handballexperten für sich entscheiden. Die Stimmung war prächtig in der Halle, nur die Schiedsrichter wirkten von Anfang an zu streng für ein gewohnt hartes, aber herzliches Handballspiel. Der erste Treffer der Partie gelang einem erneut sehr ent- Youngster Jakob Hermann. Daniel Jäger, der nach seiner Verletzungspause wieder so spielte wie vorher, kontrollierte den gefürchteten TV-Torjäger Meyer erfolgreich. Und vorne im Angriff lieferte Raphael Groß als Buck-Vertreter taktisch wertvolle Handballarbeit ab.
Dem Spielfluss tat dies überhaupt keinen Abbruch, schnell stand es 1:5 auf der Anzeigentafel. Bei den Weinroten stimmte der Spagat zwischen innerer Harmonie und äußerer Kampfeslust. Erlangen hatte dem nichts entgegenzusetzen. Zur Halbzeit stand es 10:18. Manuel Scholz hatte bis dahin fünf Treffer erzielt.
In der zweiten Hälfte wurde es taktisch anspruchsvoller. Der Günzburger Rückraum wurde an die kurze Leine genommen, um den VfL-Spielfluss zu unterbinden. Die Kreisläufer leisteten als Spielmacher hinter den Manndeckungen Schwerstarbeit. Ändern sollte sich nichts, mehr als zwei Treffer am Stück gelangen den Nordbayern nie. Das ist zu wenig für eine Aufholjagd, zumal die Günzburger Außen Hermann, Guckler und Lehr immer das Tor machten, wenn die richtige Wurfentscheidung aus spitzen Winschlossenen kel gefragt war. Ganz am Ende hatte der VfL dann mit einem nie erwartbaren 37:25 beim Tabellenersten gewonnen. Selbst die stellvertretende Günzburger Abteilungsleiterin Annette Fiegel-Jensen war da kurz sprachlos, ordnete dann aber noch rechtzeitig Freibier an – nicht nur, weil Neuwahlen anstehen.
Da die Weinroten das Hinspiel mit 34:42 zu Hause noch völlig chancenlos verloren hatten, ist damit immerhin der direkte Vergleich gewonnen, der bei Punktgleichheit entscheiden würde. Zwar kann sich beim VfL niemand vorstellen, dass der TV Erlangen-Bruck nach einer deutlich schwächeren Rück- als Hinrunde und zuletzt 1:5-Punkten die Zielgerade zur bayrischen Meisterschaft nicht nimmt. Sport ist aber manchmal sehr kompliziert und arge Kopfsache.
Die Rückfahrt im Partybus war für die Mannschaft eine einzige Freude. Mittendrin war Pascal Buck, der nach seiner Verletzung mit Schiene feierte. Mal wieder hätte eine Auswärtsfahrt gerne noch länger dauern können. VfL Günzburg Bieber, Rösch; Guckler (1), Jahn (2), Leix, Jakob Hermann (7), Groß (1), Jensen (6), Lehr (7/3), Niko Hermann (1); Jäger (6) und Scholz (6)