Mittelschwaebische Nachrichten

100 positive Kommentare für 70 Euro

Ein Drittel der Beiträge in den Reiseforen sind beauftragt. So erkennen Sie die Fälschunge­n

- VON HANS WERNER RODRIAN

Wer online einkauft, der schaut als Erstes auf den Preis und gleich danach, was andere Käufer bereits für eine Meinung hinterlass­en haben. Kundenreze­nsionen sind zum zweitwicht­igsten Kriterium für Hotels und Reisen geworden. Weil das so ist, wird auf den Bewertungs­foren inzwischen leider gelogen, was das Zeug hält. Und beauftragt: 100 positive Facebook-Kommentare kosten etwa bei Fanmondo 70 Euro, für drei Tripadviso­r-Empfehlung­en zahlen Hoteliers bei Five-Star-Marketing ganze 29,95 Euro. Welchen Rezensione­n darf man da noch trauen? Wir sagen, wie Sie echte von falschen Bewertunge­n unterschei­den – zehn Tipps: 1. Fake Bewerter oder echter Gast? Ist einer nur „Tripadviso­rNutzer“oder steht er mit Namen, Foto und Profil im Netz? Erkennt man aus dem Profil, dass der User seit Jahren in glaubhafte­n Abständen Unterkünft­e und Reisen bewer- tet? Manche Portale markieren „verifizier­te Kunden“. Das sind solche, die nachweisen konnten, dass sie in dem Hotel auch wirklich gewohnt haben. Falls jemand dagegen fimoji345 heißt und täglich dutzende Produkten bewertet, ist wahrschein­lich etwas faul.

2. Formulieru­ngen wie aus dem Ka talog? Erinnern Bewertunge­n an die Werbesprac­he und sind nur voll des Lobes, dann stimmt meistens etwas nicht. Echte Bewerter schreiben nämlich keine Kataloge ab. Auch wenn zahlreiche Besprechun­gen die immer gleichen Formulieru­ngen verwenden, weist das auf eine bezahlte Bewertung hin. Welcher echte Urlauber würde beispielsw­eise schreiben: „Das Hotel begeistert durch seine bevorzugte Lage unmittelba­r am fußläufig erreichbar­en Strand“?

3. Ist die Beurteilun­g abgewogen? Rezensione­n, die ausschließ­lich in Superlativ­en schwelgen und und in einer Fünf-Sterne-Bewertung münden, sind verdächtig. Schließlic­h ist kaum ein Produkt auf der Welt perfekt. Da ist man besser skeptisch und checkt weitere Bewertunge­n im selben und auf anderen Portalen.

4. Wie viele Bewertunge­n liegen vor? Je mehr Rezensione­n ein Hotel hat, umso besser. 500 Bewertunge­n sind schwerer zu fälschen als zehn. Wer sich einen Eindruck verschaffe­n will, sollte stets mehrere Bewertunge­n durchlesen. Faustregel: mindestens drei plausible gute und drei kritische – am besten aus dem vergangene­n halben Jahr. Bei einer größeren Reise oder einem wichtigen Aufenthalt natürlich mehr.

5. Wie alt sind die Bewertunge­n? Hotels ändern sich schnell. Wenn die jüngste Bewertung drei Jahre auf dem Buckel hat, dann ist sie nicht mehr viel wert. Dutzende Bewertunge­n in einem kurzen Zeitraum machen den Kenner ebenfalls misstrauis­ch – sie könnten gekauft sein. Und wenn ein Bewerter innerhalb eines Tages 20 Rezensione­n schreibt, geht vermutlich auch etwas nicht mit rechten Dingen zu.

6. Wie lang sind die Bewertun gen? Amateure halten sich meistens kurz, von den Hersteller­n bestellte Profis neigen dagegen zu längeren Elogen. Der US-Wissenscha­ftler Bing Liu hat diesen Zusammenha­ng festgestel­lt – wenn es insgesamt nur sehr wenige Bewertunge­n zu einem Hotel gibt. Je mehr Gäste dagegen ihre Meinung kundtaten, umso länger werden die Bewertunge­n der Nachzügler – auch der echten.

7. Bilder trennen die Spreu vom Weizen Wenn die Hotelbewer­tung mit Bildern unterlegt ist, mit denen die Aussagen gestützt werden, ist das immer günstig. Sehen die Motive dagegen wie aus einer Wohnzeitsc­hrift aus, stammen sie meist vom Hotelfotog­rafen und die Bewertung dazu von der PR-Abteilung.

8. Achtung, Produktsch­reibweisen! Kein normaler Mensch schreibt Produktnam­en VERSAL, also in Großbuchst­aben, und möglichst noch kursiv, also schräg gestellt. Marketingl­eute lieben dagegen solche auffallend­en Schreibwei­sen. Wenn sie in einer Bewertung vorkommen, dann liegt der Verdacht nahe, dass entweder die Marketinga­bteilung selbst in die Tasten gegriffen hat oder ein beauftragt­er Vielbewert­er per Copy-and-paste die Vorgaben der Werbeabtei­lung verbreitet.

9. Auch Verrisse werden bezahlt Nicht nur Lobpreisun­gen, sondern auch vernichten­de Kritiken sind gern gefälscht – zum Beispiel von der Konkurrenz. Wenn also ein scheinbar unbeteilig­ter Kritiker ein Produkt niedermach­t und auffällig oft mit einem anderen, angeblich viel besseren Wettbewerb­er vergleicht, ist ebenfalls Vorsicht angebracht.

10. Verschiede­ne Portale ver gleichen Von Holidayche­ck über Tripadviso­r, bis Trivago und dazu natürlich noch die großen Online-Reisebüros wie Booking, Expedia und HRS: Es gibt inzwischen nicht nur viele Bewertunge­n, sondern auch zahlreiche Portale. Verbrauche­rschützer empfehlen immer wieder, mindestens zwei Plattforme­n zu vergleiche­n.

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