Mittelschwaebische Nachrichten
Söders Kabinett ist ein erstes strategisches Meisterstück
Der neue Regierungschef zieht bei der Berufung von Ministern, Staatssekretären und Beauftragten alle klassischen Register der Machtausübung
Bayern hat eine neue Staatsregierung. Sie wird 207 Tage im Amt sein. Dann wird neu gewählt. Viel Zeit zum Regieren wird also nicht sein. Doch darum geht es im Kern auch gar nicht. Der Zweck des spektakulären Manövers unter der Regie des neuen Ministerpräsidenten Markus Söder ist bekanntlich ein ganz anderer: Die allein regierende CSU will sich vor der Landtagswahl am 14. Oktober herausputzen, um beim bayerischen Wähler nach der versemmelten Bundestagswahl einen möglichst frischen und dynamischen Eindruck zu erwecken.
Söder hat seinem Ruf als Großmeister in Sachen Selbstvermarktung gestern alle Ehre gemacht. Er hat – zumindest auf den ersten Blick – ein Meisterstück abgeliefert: neue Köpfe, neue Ressorts, neue Schwerpunkte und ein neues Etikett, auf dem „Zukunftskabinett“steht. Söders Botschaft lautet: Ich packe an, und zwar mit Wucht.
Besonders spannend sind zunächst allerdings die Botschaften, die er nach innen, in Partei und Fraktion, hinein sendet. Er verfährt nach den klassischen Regeln der Machtausübung.
Regel Nummer eins: Zeig, dass du hart sein kannst.
Söder hat seinem engen Vertrauten und Unterstützer im parteiinternen Machtkampf, Ludwig Spaenle, den Stuhl vor die Tür gesetzt. Er hat ein Exempel statuiert, das all seinen Parteifreundinnen und -freunden vor Augen führt, dass niemand sich sicher fühlen kann, in welchem Amt auch immer.
Regel Nummer zwei: Zeig, dass du unabhängig bist.
Selbstverständlich hat Söder seinen Vorgänger Horst Seehofer nur mit Unterstützung der Landtagsfraktion aus dem Amt drängen können. Mit der externen Berufung der bislang parteilosen Medizinprofessorin Marion Kiechle aber demonstriert er, dass er sich deshalb nicht zum Diener der Fraktion machen lässt und ab jetzt auch aus eigener Kraft und Herrlichkeit tätig sein will. Mit dem Würzburger Abgeordneten Oliver Jörg hätte es in den Reihen der Abgeordneten einen profilierten jungen Hochschulexperten gegeben, dem das Wissenschaftsministerium auf den Leib geschnitten gewesen wäre.
Regel Nummer drei: Mache dir möglichst viele Freunde.
Die Zahl der Posten im Kabinett ist durch die Verfassung strikt begrenzt. Nicht jeder Landtagsabgeordnete, der sich zum Minister oder Staatssekretär berufen fühlt, kann auch berufen werden. Söder umgeht das Problem durch die Aufstockung der Zahl der „Beauftragten der Staatsregierung“. Früher gab es drei, jetzt gibt es sieben. Dafür mag es im Einzelfall gute inhaltliche Begründungen geben. Und auch rechtlich ist das in Ordnung. Aber es ist eben auch ein Machtinstrument. Söder sichert sich Gefolgschaft, indem er weiteren Parteifreunden die Gelegenheit gibt, sich zu profilieren.
Zu verübeln ist dem neuen Regierungschef diese strategische Vorgehensweise nicht. Er hat nur einen Schuss, und der muss sitzen. Die Situation für die CSU hat sich geändert. Die Partei hat die Alleinregierung in Bayern nicht länger gepachtet. Sie kann nicht mehr davon ausgehen, dass ihr die absolute Mehrheit in den Schoß fällt. Die CSU muss kämpfen.
Söders erklärtes Ziel ist es, das aufgesplitterte „bürgerlich-konservative Lager“, wie er es nennt, so weit wie möglich wieder unter dem Dach der Volkspartei CSU zu vereinen. Dazu braucht er in der Landespolitik ein Signal des Aufbruchs. Gestern hat er erst mal nur seine Mannschaft präsentiert. Wie sie spielt und ob sie politisch tatsächlich etwas voranbringt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Und danach entscheidet der Wähler, ob das Meisterstück wirklich eines war.
Die CSU hat die Alleinregierung nicht mehr gepachtet