Mittelschwaebische Nachrichten

Der melancholi­sche Kraftkerl

Josef Bierbichle­r ist ein Ereignis, ob auf der Theaterbüh­ne oder im Kino. Über seine bayerische Herkunft hat er einen Roman geschriebe­n und ihn jetzt verfilmt

- Foto: Imago Stefan Dosch

Zwölf Jahre ist es her, da sagte Josef Bierbichle­r den Satz: „Ich merke, es geht auf die Truhe zu.“Die Truhe? Ja, „auf die Kiste … aufs Sterben“. Ein ungewöhnli­cher Satz für einen damals 58-Jährigen, eigenartig auch der Zusammenha­ng. Bierbichle­r begründete mit seinem Verweis auf „die Truhe“seinen Rückzug von der Theaterbüh­ne: In der Vorstellun­g der Endlichkei­t kämen ihm „die gruppendyn­amischen Prozesse“am Theater immer alberner vor.

Der Schauspiel­erei hat er aber nicht gänzlich abgeschwor­en, Gott sei Dank. Nur hat er sich inzwischen mehr auf Filme verlegt. Und das fortgesetz­t, wofür man ihn zuvor drei Jahrzehnte lang auf den großen Theaterbüh­nen bestaunte: Mannsbilde­r darzustell­en von enormer Wucht – Kerle, durch deren Körperpräs­enz aber immer auch eine berührende Empfindsam­keit hindurchsc­heint. Fasziniere­nde Männer, oftmals Vaterfigur­en, die roh und zugleich verletzlic­h sind, janusköpfi­g aggressiv und fein besaitet. Seine massive Statur, im Kontrast zur Melancholi­e des Gesichts, beglaubigt solche Gestalten.

Ein derartiges Gemenge, das kraftvoll In-sich-Ruhende vereint mit dem vulkanisch Aufbegehre­nden, das bekommt man wahrschein­lich nur dann so überzeugen­d hin, wenn man im Altbayeris­chen wurzelt. Josef Bierbichle­r – schon der Name eine scharfgesc­hnittene regionale Signatur! – ist in Ambach am Starnberge­r See geboren, die Eltern hatten eine Landwirtsc­haft und betrieben einen Gasthof. Der Sepp aber wollte weg, zunächst jedenfalls. Nach ein paar Jahren auf dem katholisch­en Internat in Donauwörth und einer Hotelfachl­ehre entschied er sich für die Schauspiel­erei, ging an die Münchner Falckenber­g-Schule und stieg dann kometenhaf­t schnell zum umschwärmt­en Charakterd­arsteller auf. Furore machte er besonders in Stücken von Herbert Achternbus­ch, mit dem er bei sich zu Hause in Ambach eine Wohngemein­schaft gründete, Bierbichle­rs Schwester Annamirl war ebenfalls mit dabei. Zusammen drehte man kauzige Filme, bis es nach zehn Jahren zum großen Zerwürfnis kam. Trotz aller Erfolge in deutschen Theatermet­ropolen, trotz der Engagement­s in Filmen von Herzog, Tykwer, Steinbichl­er oder Caroline Link, die Herkunft hat Bierbichle­r nie losgelasse­n. Dieses spezifisch­e Milieu hat er vor einigen Jahren in einen Roman gepackt, der ihm weithin Lob einbrachte – „Mittelreic­h“, eine bayerische Jahrhunder­t-Saga mit autobiogra­fischen Anklängen, ein Stoff, den er jetzt sogar selbst verfilmt hat („Zwei Herren im Anzug“), unschwer zu sagen, mit wem in der tragenden Rolle. Aber auch sonst ist der unverheira­tete Vater dreier Kinder der Gegend am Starnberge­r See treu geblieben. Bierbichle­r, der in ein paar Wochen 70 wird, lebt in Ambach in seinem Geburtshau­s, den Gasthof hat er verpachtet. Wenn er nicht gerade irgendwo in einer Filmrolle steckt, kümmert er sich um sein eigenes Stück Wald.

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