Mittelschwaebische Nachrichten
Ärger auch nach der Sitzung
Der Kreistag fühlt sich mehrheitlich nicht zuständig, um über eine mögliche Verbesserung in der Pflege zu entscheiden. Gewerkschaft sieht Amtspflichtverletzung des Landrats
Günzburg Die Gewerkschaft Verdi will dem Günzburger Landrat Hubert Hafner (CSU) nach eigenen Worten keine Ruhe lassen, nachdem im Kreistag am Montag ein gemeinsamer Antrag von Grünen- und SPD-Fraktion von der Tagesordnung gestrichen und an den Verwaltungsrat der Kreiskliniken verwiesen wurde. Die Freien Wähler hatten diesen Antrag zur Geschäftsordnung gestellt, über den – so der Vorwurf der Dienstleistungsgewerkschaft – der Landrat habe abstimmen lassen, ohne dass er den Antrag zuvor rechtlich geprüft habe. FreieWähler-Fraktionsvorsitzender Josef Brandner hielt, wie berichtet, das Kreisparlament nicht für das richtige Gremium, um zu entscheiden, ob der Landkreis 800000 Euro in die Hand nehmen soll mit dem Ziel, in diesem und im nächsten Jahr 16 zusätzliche Pflegestellen in den Kreiskliniken einzurichten.
„Sich hinter Geschäftsordnungen zu verstecken, um überhaupt nicht über das Thema zu diskutieren, finde ich verwerflich“, sagt der in Augsburg sitzende zuständige Verdi-Gewerkschaftssekretär Stefan Jagel. Und im Agieren des Landrats sieht er eine Verletzung von dessen Amtspflicht. Das soll durch die Regierung von Schwaben überprüft werden, kündigt Jagel eine entsprechende Beschwerde an. „Wer sich dann tatsächlich damit an die Aufsichtsbehörde wendet, müssen wir noch klären“, sagt der Gewerkschaftsvertreter auf Anfrage unserer Zeitung.
Er sei fassungslos darüber, dass Hafner im vorberatenden Kreisausschuss sehr wohl eine inhaltliche Diskussion zugelassen habe. Rechtliche Bedenken, sich mit dem Antrag zu beschäftigen, seien nie geäußert worden. Die Mehrheit der Ausschussmitglieder empfahl dem Kreistag, den Antrag abzulehnen. „Und plötzlich will man dann nicht mehr zuständig sein. Das passt überhaupt nicht zusammen.“
Die Gewerkschaft will dafür weiterkämpfen, dass der Landkreis Geld für die Beschäftigung zusätzlichen Pflegepersonals einsetzt und die Sache nicht „einfach nur abschiebt“. Deshalb startet sie nach den Osterferien eine Postkartenaktion an den Landrat. Die Postkarten sollen über den Landkreis verteilt an Infoständen ausliegen oder angefordert werden können.
Die Aufregung kann der Günz- burger Kreischef nicht nachvollziehen. „Es ist ein Antrag von den Freien Wählern gestellt worden. Über den hat der Kreistag abgestimmt.“Konstruktiver, als den Vorstoß von Grünen und SPD abzulehnen, sei es allemal gewesen, deren Antrag von dem Gremium behandeln zu lassen, in das es gehört: dem Verwaltungsrat der Kreiskliniken. Hier säßen auch Vertreter der Antragsteller.
Nach Informationen unserer Zeitung hat SPD-Kreisrat Werner Gloning in jenem Verwaltungsrat bei der jüngsten nicht öffentlichen Sitzung über zusätzliche Pflegestellen überhaupt nicht gesprochen.
Stattdessen werde der Kreistag zu einer „öffentlichen Showveranstaltung“genutzt, so Landrat Hafner. „Showveranstaltung“deshalb, weil jeder genau wisse, dass nicht einmal die ausgewiesenen und genehmigten Planstellen besetzt werden könnten. Im Kreiskrankenhaus Günzburg gibt es seinen Angaben zufolge rechnerisch 185,73 Stellen in der Pflege. Am 26. Februar seien acht weniger besetzt gewesen als zur Verfügung stünden. Mitte März seien es sogar 9,85 Stellen weniger gewesen. „Wenn wir es schaffen, Mitarbeiter für die bereits vorhandenen Stellen zu gewinnen, können wir danach gerne über zusätzliche Pflegekräfte reden. Da bin ich offen.“
Verdi kritisiert den Landkreis Günzburg, weil der dem guten Beispiel des Kreises Donau-Ries nicht gefolgt sei. In Donauwörth habe der Kreistag eine Million Euro in die Hand genommen, um eine Verbesserung der Situation herbeizuführen. „Und die 20 zusätzlichen Stellen sind auch fast besetzt“, sagt Gewerkschaftssekretär Jagel.
Hafner kontert: „Nach dieser Stelleninitiative hat der Landkreis Donau-Ries gerade mal so viel Pflegekräfte wie wir jetzt schon haben. Und weil es dort zehn Prozent mehr Betten gibt als bei uns, sind wir, wenn man das ins Verhältnis setzt, besser aufgestellt.“Ob Verdi davon keine Kenntnis habe oder bewusst wegschaue, wisse er nicht. Auf die vorgehaltene Amtspflichtverletzung und mögliche Schritte der Gewerkschaft, dies von der Regierung von Schwaben überprüfen zu lassen, reagiert er gelassen. „Keine Sorge. Ich kann gut schlafen deswegen.“
Im Verwaltungsrat war das kein Thema