Mittelschwaebische Nachrichten
Luftpostumschläge aus dem fernen Übersee
Georg Schwarz und seine Erinnerungen an eine ganz besondere Briefesammlung
„Glück“? Allein das Wort hat die Menschen über die Zeiten hinweg fasziniert. Viele verbinden Glück auch mit einem speziellen Glücksbringer. Diese Thematik greifen wir in unserer Serie auf. Heute: Georg Schwarz, Bürgermeister in Thannhausen. Thannhausen Inzwischen ist die Kiste Geschichte. Gefressen vom Reißwolf. „Glück ist doch auch loslassen können“, sinniert Thannhausens Bürgermeister Georg Schwarz, als er zum letzten Mal in den sorgfältig sortierten Briefen stöbert. Allesamt handgeschrieben und vor der Zeit von Whatsapp, Facebook und Co. Papiergewordene Erinnerungen aus seiner Schulzeit am Maristenkolleg in Mindelheim, als die jungen Herren ihre üppig bemessene Studierzeit darauf verwendeten, sich mit Brieffreundinnen aus aller Welt auszutauschen.
Ein Luftpostumschlag aus Übersee ist auch dabei. „Erst, als wir et- was älter wurden, deuchte es uns praktikabler, unsere Bekanntschaften mehr in der Nähe zu suchen“, sagt der Bürgermeister und deutet auf einen Umschlag aus Paderborn. „Da trieb uns die Hoffnung, die jungen Damen einmal persönlich kennenzulernen.“
Bereits die nächste Kategorie Briefe zeugt von realen Bekanntschaften und Freundschaften, die zum Teil bis zum heutigen Tag halten. „Die sind alle aus meiner Kölner Zeit“, deutet Georg Schwarz auf einen Stapel. „Da war ich im Rahmen meiner Ausbildung an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Wir waren im dortigen Wohnheim ungefähr 20 Bayern und treffen uns bis heute einmal jährlich für zwei Tage. Nächstes Jahr feiern wir unsere 40-jährige Freundschaft.“
Eine Freundschaft, in der Briefe die räumliche Distanz überbrückten. Und der so manche ernüchternde Erkenntnis aus der Jugendzeit nichts anhaben konnte. „Es war ja in den 70er-Jahren noch nicht üblich, dass Jungs kochen konnten“, erklärt Georg Schwarz näher. „Irgendwie herrschte bei uns jungen Männern aber die Überzeugung, dass Mädchen diese Fertigkeit sozusagen in den Genen stecke.“So geschah es also, dass der junge Postanwärter, vom Hunger getrieben, ein Stockwerk tiefer in den Mädchentrakt marschierte und einer Kollegin den ungenießbar und wanderte in den Müll.“
Das gleiche Schicksal ereilte einen Wurstsalat, bei dem die Ahnungslosen lediglich die bruchstückhaften Erinnerungen aus der mütterlichen Küche in ein Rezept verwandeln wollten. All diese Anekdoten quellen aus der Briefekiste. Und in der Ecke wartet der Reißwolf. In seinen Schlund wandern auch die Glückwünsche zur Hochzeit vor 37 Jahren. In jeder Ecke fein, säuberlich notiert, wie viel der Gratulant geschenkt hat. Für die späteren Danksagungskarten. „Was soll man denn alle die Briefe und Karten noch weiter aufbewahren“, sagt der Bürgermeister. „Diese Kiste hat mich jetzt einen großen Teil meines Lebens begleitet, aber das wirklich Wichtige trägt man doch sowieso im Herzen. Da kommt der Reißwolf nicht hin.“Schnipselwerk sind damit auch die Briefe aus der Jugendzeit im Mindelheimer Maristenkolleg. Manche mit Luftpostumschlag aus Übersee.