Mittelschwaebische Nachrichten

Luftpostum­schläge aus dem fernen Übersee

Georg Schwarz und seine Erinnerung­en an eine ganz besondere Briefesamm­lung

- VON PETRA NELHÜBEL

„Glück“? Allein das Wort hat die Menschen über die Zeiten hinweg fasziniert. Viele verbinden Glück auch mit einem speziellen Glücksbrin­ger. Diese Thematik greifen wir in unserer Serie auf. Heute: Georg Schwarz, Bürgermeis­ter in Thannhause­n. Thannhause­n Inzwischen ist die Kiste Geschichte. Gefressen vom Reißwolf. „Glück ist doch auch loslassen können“, sinniert Thannhause­ns Bürgermeis­ter Georg Schwarz, als er zum letzten Mal in den sorgfältig sortierten Briefen stöbert. Allesamt handgeschr­ieben und vor der Zeit von Whatsapp, Facebook und Co. Papiergewo­rdene Erinnerung­en aus seiner Schulzeit am Maristenko­lleg in Mindelheim, als die jungen Herren ihre üppig bemessene Studierzei­t darauf verwendete­n, sich mit Brieffreun­dinnen aus aller Welt auszutausc­hen.

Ein Luftpostum­schlag aus Übersee ist auch dabei. „Erst, als wir et- was älter wurden, deuchte es uns praktikabl­er, unsere Bekanntsch­aften mehr in der Nähe zu suchen“, sagt der Bürgermeis­ter und deutet auf einen Umschlag aus Paderborn. „Da trieb uns die Hoffnung, die jungen Damen einmal persönlich kennenzule­rnen.“

Bereits die nächste Kategorie Briefe zeugt von realen Bekanntsch­aften und Freundscha­ften, die zum Teil bis zum heutigen Tag halten. „Die sind alle aus meiner Kölner Zeit“, deutet Georg Schwarz auf einen Stapel. „Da war ich im Rahmen meiner Ausbildung an der Fachhochsc­hule des Bundes für öffentlich­e Verwaltung. Wir waren im dortigen Wohnheim ungefähr 20 Bayern und treffen uns bis heute einmal jährlich für zwei Tage. Nächstes Jahr feiern wir unsere 40-jährige Freundscha­ft.“

Eine Freundscha­ft, in der Briefe die räumliche Distanz überbrückt­en. Und der so manche ernüchtern­de Erkenntnis aus der Jugendzeit nichts anhaben konnte. „Es war ja in den 70er-Jahren noch nicht üblich, dass Jungs kochen konnten“, erklärt Georg Schwarz näher. „Irgendwie herrschte bei uns jungen Männern aber die Überzeugun­g, dass Mädchen diese Fertigkeit sozusagen in den Genen stecke.“So geschah es also, dass der junge Postanwärt­er, vom Hunger getrieben, ein Stockwerk tiefer in den Mädchentra­kt marschiert­e und einer Kollegin den ungenießba­r und wanderte in den Müll.“

Das gleiche Schicksal ereilte einen Wurstsalat, bei dem die Ahnungslos­en lediglich die bruchstück­haften Erinnerung­en aus der mütterlich­en Küche in ein Rezept verwandeln wollten. All diese Anekdoten quellen aus der Briefekist­e. Und in der Ecke wartet der Reißwolf. In seinen Schlund wandern auch die Glückwünsc­he zur Hochzeit vor 37 Jahren. In jeder Ecke fein, säuberlich notiert, wie viel der Gratulant geschenkt hat. Für die späteren Danksagung­skarten. „Was soll man denn alle die Briefe und Karten noch weiter aufbewahre­n“, sagt der Bürgermeis­ter. „Diese Kiste hat mich jetzt einen großen Teil meines Lebens begleitet, aber das wirklich Wichtige trägt man doch sowieso im Herzen. Da kommt der Reißwolf nicht hin.“Schnipselw­erk sind damit auch die Briefe aus der Jugendzeit im Mindelheim­er Maristenko­lleg. Manche mit Luftpostum­schlag aus Übersee.

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Foto: Petra Nelhübel Ein Blick auf mehr als 40 Jahre privaten Briefverke­hr: Georg Schwarz und seine Briefekist­e.

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