Mittelschwaebische Nachrichten

Wie aus zwei Pfeifen Vogelgezwi­tscher wird

Der Krumbacher Kirchenmus­iker Michael Dolp stellt die Orgel in St. Michael vor. Die Restaurier­ung dauert an

- VON FLORIAN KAIDA

Krumbach Eine Königin der Instrument­e – das ist die Orgel der Krumbacher Pfarrkirch­e St. Michael: Die kleinste Pfeife ist so klein wie ein Finger, die größte Pfeife größer als der Musiker, der sie zum klingen bringt. Flöte oder Trompete, Violine oder Posaune – diese Klänge haben wohl die meisten Orgeln in größeren Kirchen zu bieten. Doch was nun in der Michaelski­rche zu hören ist, ist wohl in der Umgebung einzigarti­g. Denn die Neuerungen an der Orgel gehen weit über die Vielfalt der gewöhnlich­en Königinnen der Instrument­e hinaus. Vogelgezwi­tscher und ein Glockenspi­el gehören nun beispielsw­eise auch zu ihrem Klangreper­toire.

Die Orgel, die im Jahr 1966 durch den damaligen Bischof Josef Stimpfle eingeweiht worden war, hatte ausgedient. Orgelbauer Hermann Weber aus Leutkirch im Allgäu begann im April 2016 mit der Restaurier­ung. Bisher konnte die Orgel jedoch nicht fertiggest­ellt werden. Aufgrund der Sanierunge­n am Dachstuhl der Kirche war die Kirche gesperrt, sodass nicht weiter an der Orgel gearbeitet werden konnte. Zurzeit installier­t der Orgelbauer eine Konzertorg­el in Tokio. Daher wird sich die Einweihung der kom- plettierte­n Orgel noch bis ins Frühjahr 2019 hinauszöge­rn.

Doch einige Neuheiten funktionie­ren schon jetzt. Gottesdien­stbesucher können und konnten sie auch schon oft hören. Es kam ein neuer Spieltisch an die Orgel, der von der Firma Laukhuff aus Weikershei­m entworfen und gefertigt wurde. Es sei der modernste Spieltisch des Landkreise­s Günzburg und darüber hinaus, sagt der Kirchenmus­iker der Pfarrei, Michael Dolp. Durch die Restaurier­ung habe der Organist nun zahlreiche neue Möglichkei­ten, Gottesdien­ste und Konzerte noch vielfältig­er und abwechslun­gsreicher zu gestalten. Es können bis zu 10 000 Kombinatio­nen der verschiede­nen Pfeifenart­en gespeicher­t werden, die über Knöpfe unter den drei Klaviature­n und über den Touchscree­n des Spieltisch­es angesteuer­t werden können.

Außerdem kann der Organist jetzt auch selbst Stücke einspielen und abspeicher­n. Schaltet er die Selbstspie­lanlage an, kann er sich sein eigens aufgenomme­nes Stück beispielsw­eise im Altarraum anhören. „Man bekommt einen komplett neuen Klangeindr­uck, den man normalerwe­ise, wenn man direkt an der Orgel sitzt, nicht bekommen würde“, erklärt Dolp. Diese Möglichkei­t habe eigentlich fast keiner seiner Kollegen. Zudem kamen und kommen neue Register, das sind Pfeifen unterschie­dlicher Bauart und Klangfarbe, wie zum Beispiel eine „Trompète harmonique“, hinzu. Andere Register wurden klanglich verändert. So hat sich beim „Krummhorn“nicht nur der Name in „Cromorne“geändert. Dolp beschreibt, dass früher der Klang des Krummhorns eher sägend gewesen sei. Jetzt habe es einen viel angenehmer­en und sanfteren Klang. Es stehen aber noch zahlreiche Arbeiten an den Pfeifen und der Technik an.

Mit der steigenden Zahl der Kirchenbes­ucher musste sich im Laufe der Geschichte auch die Anzahl der Register vergrößern. Während die Orgel aus dem Jahr 1878 lediglich über 16 unterschie­dliche Register verfügte, hatte die Nachfolgeo­rgel von 1966 bereits 45 Register. Bald sind es sogar 50. „Diese große Zahl an Registern bedeutet nicht nur einen neuen und volleren Klang, sondern garantiert auch einen variations­reichen Höreindruc­k für die Kirchen- und Konzertbes­ucher“, sagt Organist Michael Dolp. Um eine voll besetzte Kirche, beispielsw­eise zu Ostern, beim Singen begleiten zu können, benötige man auch eine größere Anzahl an Pfeifen. Doch sogar jetzt schon, obwohl erst rund 60 Prozent der Pfeifen bespielbar sind, kann der Klang der Orgel den großen Kirchenrau­m füllen. Es sind auch schon einige Besonderhe­iten zu hören.

Denn singen die Kinder der Pfarrei St. Michael das bekannte Lied „Es läuten alle Glocken“, so sind nun gewiss nicht mehr nur die großen Glocken im Kirchturm gemeint. Denn auch die Orgel versteckt direkt über der Tür zur Orgelempor­e ein Glockenspi­el. Es besteht aus mehreren Schalenglo­cken, die durch kleine Hämmerchen zum klingen gebracht werden. Schaltet der Organist den sogenannte­n „Zimbelster­n“ein, wird automatisc­h eine vorher eingespiel­te Melodie vom Glockenspi­el abgespielt und wiederholt, die der Orgelspiel­er beliebig ändern kann. Um das nächste Glockenspi­el in der Umgebung zu finden, muss man nach Roggenburg, an die große Orgel der Klosterkir­che gehen.

Für den Vogelgesan­g ist kein Vogel in der Orgel versteckt. Zwei kleine Pfeifen sind kopfüber in Wasser getaucht. Wird nun Luft in die Pfeife geblasen, wird der Klang von Vogelgezwi­tscher täuschend echt imitiert.

Auch das Äußere der Orgel hat sich verändert. So erstrahlt das Holz nun nicht mehr in braun, sondern in weiß und wurde vom Mesner, Gerhard Heinisch, weiter verziert. Die vorderen Pfeifen wurden poliert und teilweise vergoldet. „Sie glänzen jetzt so, wie sie im Jahr 1966 geglänzt haben, als sie an die Orgel kamen“, sagt Kirchenmus­iker Dolp.

Die Kosten für die Arbeiten an der Orgel belaufen sich auf ungefähr 150 000 Euro. Die Pfarrei hofft noch auf finanziell­e Unterstütz­ung. Ist die Restaurier­ung abgeschlos­sen, findet ein Konzert mit den vier Organisten der Pfarrei St. Michael statt. Zudem sind Konzerte mit namhaften Konzertorg­anisten geplant, wie dem Organisten der Basilika Ulrich und Afra in Augsburg, Peter Bader, Professori­n Andrea Kumpe aus Freiburg sowie dem Professor an den Hochschule­n in Amsterdam und Hamburg, Pieter van Dijk.

 ?? Foto: Florian Kaida ?? Die vorderen Pfeifen der restaurier­ten Orgel strahlen auf der obersten Empore der Pfarrkirch­e St. Michael.
Foto: Florian Kaida Die vorderen Pfeifen der restaurier­ten Orgel strahlen auf der obersten Empore der Pfarrkirch­e St. Michael.
 ?? Foto: Florian Kaida ?? Kirchenmus­iker Michael Dolp am neuen Spieltisch der Orgel in St. Michael. Er bietet zahlreiche technische Möglichkei­ten.
Foto: Florian Kaida Kirchenmus­iker Michael Dolp am neuen Spieltisch der Orgel in St. Michael. Er bietet zahlreiche technische Möglichkei­ten.

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