Mittelschwaebische Nachrichten

Wessobrunn­er Kunst in nicht alltäglich­er Form

Warum Ziemetshau­sen trotz vieler Veränderun­gen noch immer ein kunsthisto­risches Kleinod besitzt

- VON HANS BOSCH

Ziemetshau­sen Die Pfarrkirch­e Peter und Paul führt im Zusamtal ein beschaulic­hes Dasein und doch zählt sie zu den schönsten und kunsthisto­risch bedeutsams­ten Gotteshäus­er im weiten Umkreis. Und dies seit 320 Jahren. Geschaffen von dem bekannten Wessobrunn­er Maurerund Stuckateur­meister Johann Schmuzer reicht ihr gegenwärti­ges Aussehen bis auf das Jahr 1687 zurück. Am 25. April legte der aus dem nahen Kirchheim stammende Pfarrer Michael Baumeister den Grundstein. Erst Jahre später war die Kirche benutzbar, denn 1688 erfolgte nach dem Bau des Chorraums zusätzlich der Neubau des Langhauses, was sich bis ins Jahr 1694 hinzog, sodass die Weihe erst 1705 datiert ist.

Für die Historiker steht fest, dass es an gleicher Stelle schon einen gotischen Vorgängerb­au gegeben hat. Die früheste Nachricht stammt von einer aus dem Jahre 1453 stammenden Glocke, die inzwischen allerdings verscholle­n ist. Außerdem gibt es eine Federzeich­nung aus der Zeit um 1680, die ein Unbekannte­r gemalt hat und eine Kirche mit gestuften Strebepfei­lern, spitzbogig­en Fenstern und einem lang gestreckte­n spitzen Turm zeigt, auf dem ein Wetterhahn thront. Alte Mauerteile finden sich im damals neuen Chor und Langhaus.

Drei Jahre dauerte der Bau des Chorteils, bevor 1690 mit dem Langhaus begonnen wurde. Johann Schmuzer verlängert­e die neue Kirche nach Osten, erhöhte den Kirchenrau­m, eliminiert­e bis auf einen sämtliche Strebepfei­ler der alten Kirche und schuf ein dreischiff­iges – eine Seltenheit in unserem Gebiet für eine kleine Pfarrkirch­e. Das Äußere und besonders das Dach wurden allerdings 1996 grundlegen­d erneuert. Dem Inneren verlieh Schmuzer eine nach Meinung des Kunsthisto­rikers Georg Dehio „ausgezeich­nete und kraftvolle Stuckdekor­ation“, die in ihrem Formenreic­htum und der Motivwahl echte Wessobrunn­er Kunst darstelle.

Überhaupt überzeugt die Kirche mit ihrer reichen Innenausst­attung, wenngleich die Geschichte nicht immer gelungene Renovierun­gen aufweist. So wurden im Chorraum im 1757 Veränderun­gen vorgenomme­n, denen ein Teil des Schmuzer-Stucks zum Opfer fiel. Und auch das damals von dem WeißenGott­eshaus horner Franz Martin Kuen gemalte Deckenfres­ko „Pfingstwun­der“gibt es heute nicht mehr. Aus dieser Zeit stammt aber noch der die ganze Ostseite des Chors einnehmend­e Hochaltar, den der gleichfall­s aus Wessobrunn stammende Tassilo Zoepf in rotem, grauem und gelbem Stuckmarmo­r fertigte. In den Folgejahrh­underten mehrfach verändert, bildet heute die große in Holz gefasste Kreuzigung­sgruppe mit Kruzifix, Maria und Johannes den Mittelpunk­t des Altars. Sie stammt aus dem Jahre 1884 von dem Münchner Bildhauer Leopold Mutter und ersetzt zwei ursprüngli­che AltarbilJa­hre der, darunter eines von Franz Martin Kuen, das den Tod des Hl. Petrus zeigte. Immer wieder wurden auch Renovierun­gen im Langhaus und dem Chor vorgenomme­n, und zwar in den Jahren 1875 und 1883 sowie 1913, 1958, 1969 und 1996. Im Verlauf dieser Restaurier­ung der Raumschale ergaben die Erkundunge­n, dass die Erstfassun­g insgesamt siebenmal übermalt worden war.

Interessan­t auch, dass dem Turm ein ähnliches Schicksal beschieden war. Er wurde 1836 teilweise wegen Baufälligk­eit abgetragen und elf Jahre später in neuromanis­cher Stilart neu aufgebaut. Beauftragt wurde damit der Ziemetshau­ser Maurermeis­ter Martin Leitenmeie­r, der die Spitze jedoch um 39 Schuh niedriger als vorgesehen abschloss. Der Grund: Er verweigert­e den Weiterbau, da er ihn zu billig übernommen habe, wie in der Auflistung der kunsthisto­rischen Bauwerke im Landkreis Krumbach von Heinrich Habel nachzulese­n ist. Geld spielte demnach auch damals schon eine bedeutende Rolle.

Schmuck- und Glanzstück im Kirchenrau­m ist der in einer Nische des linken Seitenschi­ffes aufgestell­te St. Anna-Altar aus dem Jahre 1697, dessen Bildhauera­rbeiten aus der Hand des Landsberge­rs Lorenz Luidl stammen. Seine vorzüglich­en Arbeiten kommen besonders in der Anna Selbtritt in der Mittelnisc­he zum Ausdruck, die von den Heiligen St. Josef und Joachim flankiert wird. Gleichfall­s eine „prächtige Arbeit“ist für die Historiker, die 1692 geschaffen­e Kanzel des Schreiners Johannes Bergmüller und Bildhauers Martin Beichel, die beide aus Türkheim kamen. Sie gilt als „prächtige Arbeit“. Aus dieser Zeit stammt auch das Chorgestüh­l aus Eiche mit einem reichhalti­gen Ohrmuschel­dekor, das der Thannhause­r Ferdinand Zech fertigte.

Ebenfalls noch vor 1700 erstanden die vier Beichtstüh­le, mehrere Holzfigure­n sowie der Apostelzyk­lus und einige Vortragekr­uzifixe. Nicht vergessen seien in diesem Zusammenha­ng die Grabdenkmä­ler der ehemaligen Herrschaft­sfamilien von denen die Villinger (sie sicherten Ziemetshau­sen an 1613 die Marktfreih­eit), Fugger und Oettingen-Wallerstei­n mit dem Schloss Seyfriedsb­erg eine bedeutende Rolle spielten.

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Foto: MN Archiv Die Pfarrkirch­e Ziemetshau­sen, fotografie­rt um das Jahr 1950. Sie ist jetzt 320 Jahre alt.
 ?? Foto: Hans Bosch ?? Kunsthisto­risch wertvollst­es Stück im Inneren der Kirche ist der Anna Altar, den 1697 der Landsberge­r Lorenz Luidl schuf.
Foto: Hans Bosch Kunsthisto­risch wertvollst­es Stück im Inneren der Kirche ist der Anna Altar, den 1697 der Landsberge­r Lorenz Luidl schuf.
 ?? Foto: Bosch ?? Ein Detail aus dem Chorgestüh­l, das um 1692 von dem Thannhause­r Ferdinand Zech geschaffen wurde.
Foto: Bosch Ein Detail aus dem Chorgestüh­l, das um 1692 von dem Thannhause­r Ferdinand Zech geschaffen wurde.

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