Mittelschwaebische Nachrichten
„Ich bin hier, um zu gewinnen“
Nach der vierten Rücken-Operation kann Tiger Woods endlich schmerzfrei spielen. Geläutert kehrt der einstige Superstar zurück – und gehört beim Masters sofort zu den Favoriten
Augsburg Mehr Aufmerksamkeit für die Veröffentlichung ihrer TigerWoods-Biographie hätten sich die Journalisten Armen Keteylan und Jeff Benedict gar nicht wünschen können. Das Buch, in dem sie auf über 500 Seiten 400 Interviews und 300 Pressekonferenzen auswerten und detailgenau den Aufstieg und Fall des ehemals besten Golfprofis der Welt schildern, ist vor knapp einer Woche in den USA erschienen – und mitten hineingeplatzt in ein furioses Comeback, das Tiger Woods kaum mehr jemand zugetraut hatte.
Deshalb könnte sich diese Biographie schnell überholt haben, wenn der schillernde Golfstar in den nächsten Tagen ein weiteres Kapitel seiner aufsehenerregenden Lebensgeschichte schreibt – wie etwa das vom Gewinn seines 15. Major-Titels. Die euphorischen Buchmacher jedenfalls führen Woods bei dem heute in Augusta beginnenden traditionsreichen Masters direkt hinter Favoriten wie Rory McIlroy oder Dustin Johnson.
Dabei hätte Tiger Woods selbst kaum mehr zu hoffen gewagt, dass er es noch einmal zurück in die Weltspitze schafft. „Das ist schon fast witzig. Vor sechs Wochen sah es noch so aus, als würde ich nicht einmal spielen können“, schrieb der 42-Jährige auf seiner Homepage. Jetzt gehört er zu den Titelanwärtern. Geändert hat sich das durch seinen überraschenden zweiten Platz beim PGA-Turnier in Palm Harbour Mitte März und den darauf folgenden fünften Platz bei der Arnold Palmer Invitational: „Wenn mir Anfang des Jahres jemand gesagt hätte, ich hätte eine Chance, bei zwei Turnieren um den Sieg mitzuspielen – dann hätte ich das sofort genommen“, sagte der wieder erstarkte 14-malige Major-Sieger. Anscheinend kann er selbst noch nicht fassen, dass seine lange Leidenszeit tatsächlich beendet sein soll.
Seit 2013 konnte Tiger Woods kein Turnier mehr gewinnen. In den vergangenen dreieinhalb Jahren hat er nur 19 Turniere gespielt. Und die mehr schlecht als recht. Seine zahlreichen, bisweilen schon verzweifelten Comeback-Versuche scheiterten ein ums andere Mal. Immer wieder plagten ihn Schmerzen am lädierten Rücken. Die Folgen einer beispiellosen Golfkarriere, die sein Vater Earl Woods schon in frühen Jahren mit allem Ehrgeiz vorangetrieben hatte. Als knapp Zweijähriger musste das Windeln tragende Wunderkind in einer Fernsehshow seine Golfschwünge und Putts zeigen.
Mit acht Jahren gewann Eldrick Tont „Tiger“Woods sein erstes Amateurturnier, mit 22 Jahren wur- de er jüngster Masters-Sieger. Er dominierte die Golfszene wie kein anderer und stand über Jahre hinweg auf Platz eins der Weltrangliste. Bis sich sportliche wie private Rückschläge häuften. Nach Affären, Eheproblemen und der Behandlung seiner Sexsucht verließ ihn 2009 seine schwedische Ehefrau Erin, mit er Tochter Sam, 10, und Sohn Charlie, 9, hat. Eine Liaison mit der amerikanischen Skirennfahrerin Lindsey Vonn ging in die Brüche. Nach den privaten Problemen begann auch noch der Körper zu streiken. Woods stellte seinen Schwung um, ließ sich mehrfach operieren und versuchte mit allen Mitteln, zurück zu alter Stärke zu finden.
Den letzten Tiefpunkt erlebte der gefallene Superstar, als er vergangenes Jahr schlafend am Steuer seines Autos mit Verdacht auf Medikamentenmissbrauch von der Polizei festgenommen wurde. Die Untersuchungen damals bestätigten: Er hatte einen Cocktail aus Psychopharmaka und Schmerztabletten zu sich genommen. Wahrscheinlich die Folgen seiner vierten und bisher letzten Rückenoperation, die er da gerade hinter sich gebracht hatte.
Aber genau diese leitete schließlich die Wende ein. Bei dem Eingriff war Woods Lendenwirbel fest mit dem Steißbeinwirbel verbunden worden, um seinem Rücken mehr Stabilität zu geben. Eine Operation, für die das Durchschnittsalter bei 58 Jahren liege, hatte Woods einmal sarkastisch angemerkt. Obwohl 16 Jahre jünger, war dieser Eingriff für ihn die letzte Option. Und tatsächlich – danach konnte er immer öfter schmerzfrei trainieren. Innerhalb kürzester Zeit kämpfte er sich vom Weltranglistenplatz 1199 auf 104 zurück. Tendenz steigend. Denn der Rücken hält, auch wenn sein Schwung nicht mehr ganz so geschmeidig wirkt wie früher. „Ich muss erst wieder das richtige Gefühl finden. Aber ich vertraue meinen Händen“, sagte Woods. Die zwei Top-fünf-Platzierungen gaben ihm Selbstvertrauen.
Und nun also Augusta. Ein Turnier, an dem sein Herz hängt, ein Platz, auf dem er sich wohl fühlt. Diesmal ist der viermalige Sieger nicht nur als Dinner-Gast geladen wie im vergangenen Jahr, als er wieder einmal verletzungsbedingt absagen musste. „Es war schwer, die Jungs beim Dinner zu sehen und zu hören, wie begeistert sie sich über das Spiel unterhalten haben“, erinnert sich Woods an diese harte Zeit. Ab heute ist er endlich wieder als Spieler dabei, und die Aussichten auf eine Spitzenplatzierung sind so gut wie selten zuvor. Vor Turnierbeginn gab sich Woods geläutert – aber kämpferisch wie zu seinen besten Zeiten: „Ich habe in meinem Leben eine zweite Chance bekommen. Ich bin ein wandelndes Wunder. Und ich bin hier, um zu gewinnen.“
„Ich muss erst wieder das richtige Gefühl finden. Aber ich vertraue meinen Händen.“
Tiger Woods