Mittelschwaebische Nachrichten

Der überrasche­nde Umbau an der Spitze von VW

Autobauer will offenbar Konzernche­f Matthias Müller austausche­n

- VON SARAH SCHIERACK

Wolfsburg Manche Interviews werden erst mit einigem Abstand so richtig interessan­t. Jenes zum Beispiel, das VW-Chef Matthias Müller, 64, vor wenigen Wochen zwei Spiegel-Redakteure­n gegeben hat. Es ging um die Diesel-Krise, um Müllers Gehalt und, ganz am Ende, auch um seine persönlich­e Zukunft. Gerne, betonte der Spitzenman­ager damals, würde er vor seinem Vertragsen­de im Jahr 2020 mit dem Aufsichtsr­at diskutiere­n, „wie der Konzern nach meiner Zeit geführt werden soll und von wem“.

Nun scheint es allerdings, als laufe Müllers Zeit schon deutlich früher ab. Der VW-Konzern teilte überrasche­nd mit, die Führungsst­ruktur im Konzern „weiterentw­ickeln“zu wollen, geplant sei ein größerer Umbau. Dazu könne auch eine Veränderun­g im Amt des Vorstandsv­orsitzende­n gehören, heißt es in einer Pflichtmit­teilung an die Finanzmärk­te.

Müller habe „grundsätzl­iche Bereitscha­ft signalisie­rt, an den Veränderun­gen mitzuwirke­n“, erklärte Volkswagen. Medienberi­chte, wonach Müller von Kernmarken-Chef Herbert Diess abgelöst werden soll, dementiert­e der Konzern nicht. Der Aufsichtsr­at soll schon am Freitag zusammenko­mmen, um den Führungswe­chsel abzusegnen.

Welche konzernwei­ten Auswirkung­en die Veränderun­gen haben könnten, ist noch nicht klar. Beim Ingolstädt­er Autobauer Audi, dessen Aufsichtsr­atschef Müller seit 2015 ist, wollte man den Vorgang und mögliche Folgen offiziell nicht kommentier­en. Selbst Audi-Insider wurden nach Informatio­nen unserer Zeitung von dem Schritt des Mutterkonz­erns überrascht.

Auch für Branchenex­perten kam die Nachricht aus heiterem Himmel. Ferdinand Dudenhöffe­r wundert sich vor allem über Zeitpunkt und Vorgehensw­eise. Dass ein Konzern mehrere Tage vor einer Aufsichtsr­atssitzung an die Öffentlich­keit gehe, sei „sehr ungewöhnli­ch“, sagt der Auto-Experte, der an der Universitä­t Duisburg-Essen lehrt. Für Mitarbeite­r und Aktionäre beginne jetzt „eine Phase großer Verunsiche­rung“. An den Aktienmärk­ten kam die Nachricht allerdings zunächst gut an. Die Vorzugsakt­ien von Volkswagen legten um knapp viereinhal­b Prozent zu.

Müller, der seine Karriere mit einer Ausbildung zum Werkzeugme­chaniker bei Audi begann, ist seit September 2015 Vorstandsv­orsitzende­r von Volkswagen. Er folgte auf Martin Winterkorn, der im Zuge des aufkeimend­en Abgas-Skandals zurücktret­en musste. Damals war auch immer wieder das Klima im Konzern kritisiert worden.

Müller arbeitete in den vergangene­n Jahren an einem Kulturwand­el: Er versuchte, Hierarchie­n abzubauen und mehr als zuvor mit Mitarbeite­rn ins Gespräch zu kommen. Branchenex­perte Dudenhöffe­r bescheinig­t ihm „sehr beachtlich­e Leistungen“. Er habe den Konzern in einer schwierige­n Zeit erfolgreic­h gelenkt. Umso erstaunlic­her sei die mögliche Ablösung. Markenchef Diess hält Dudenhöffe­r nichtsdest­otrotz für einen äußerst geeigneten Nachfolger. Der 59-Jährige habe die Marke VW „stark nach vorne“gebracht und die Entwicklun­g von Elektro-Autos stark forciert.

Wie sich Matthias Müller ein Leben nach VW vorstellt, hat er im Spiegel-Interview bereits verraten: Er freue sich darauf, „wieder Herr meines Kalenders zu sein“. In seinem Job müsse er nämlich auf vieles verzichten: die Pflege von Familie, Freunden, Hobbys. Langweilig, sagte er, werde ihm mit Sicherheit nicht.

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Foto: Philipp von Ditfurth, dpa Der Alte und der Neue? VW Markenvor stand Herbert Diess (links) und Konzern chef Matthias Müller bei einer Presse konferenz.

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