Mittelschwaebische Nachrichten

Alle Hände voll zu tun

Friseure und Barbiere gibt es in Städten und Gemeinden zuhauf. Mitunter finden sich mehrere innerhalb von hundert Metern. Belebt hier Konkurrenz das Geschäft? Oder hat der Wettbewerb Grenzen? Ein Stimmungsb­ild im Landkreis

- VON CHRISTIAN KIRSTGES UND PETER WIESER

Landkreis Da ist der alteingese­ssene Friseurlad­en, der vor allem von der Stammkunds­chaft lebt. Die Kette, bei der man auch ohne Termin schnell bedient werden soll. Oder der Barbier, der sich auf die Rasur für Männer spezialisi­ert hat. Friseurläd­en und Barbershop­s gibt es in den Städten und Gemeinden zuhauf, mitunter sind es gleich mehrere an einer Straße. Zumindest die offizielle­n Zahlen der schwäbisch­en Handwerksk­ammer für den Kreis Günzburg zeigen weder Verlust noch Zuwachs, demnach waren zum 31. Dezember vergangene­n Jahres 134 Friseure registrier­t – so viele wie Ende 2012. Zum Jahresschl­uss 2007 waren es allerdings nur 114 gewesen. Filialen sind dabei nicht erfasst, dafür aber Barbershop­s. Eine getrennte Statistik gibt es nicht. Doch wie sehen Friseure nun die Fülle an Salons und Rasurläden?

Friseur Harry Stellbrink aus Burgau tangiert das nicht. „Solange einer den Meister macht und dieselben Auflagen erfüllen muss wie ich, ist das schon in Ordnung.“Schließlic­h

Die Suche nach geeignetem Personal ist schwierig

habe es auch in der Stadt schon mal mehr und mal weniger Friseurbet­riebe gegeben. Allerdings glaubt der 56-Jährige, dass viele nicht wüssten, worauf sie sich mit einem eigenen Betrieb einlassen. Sein Geschäft gibt es, seit der Großvater es am 1. September 1945 eröffnete. Es ist in der vierten Generation in Familienbe­sitz, Sohn und Frau sind auch dabei. Nur Faschingsd­ienstag gönnen sie sich einen freien Tag, Urlaub könne er wenn nur alleine machen, da sonst zwei fehlten. Er suche eine Friseurin, finde aber keine. Wenn jemand einen eigenen Laden aufmachen will, „soll er das tun“. Das belebe das Geschäft, zumal sich alle in Burgau kennen. Es gebe ein gutes Miteinande­r.

Die Auflagen sind allerdings nicht für alle gleich, weiß Barbara Ciannarell­i, die Obermeiste­rin der Friseurinn­ung Günzburg/Neu-Ulm. Wenn nur rasiert, Haare geschnitte­n und entfernt sowie nicht ausgebilde­t wird, sei kein Meistertit­el nötig, um den Laden zu führen. Nur wer Lehrlinge hat und etwa chemische Behandlung­en oder Färben anbietet, muss den Titel haben. Für die anderen genüge der Nachweis, dass sie seit Jahren in diesem Bereich tätig sind – und das auch ohne abgelegte Prüfung. Je nach Herkunftsl­and variiere auch die Zahl der Jahre. Ciannarell­i geht davon aus, dass dies so „geregelt“ist, um mehr Migranten eine berufliche Chance zu geben. Problemati­sch sei es, wenn etwa strenggläu­bige Muslime keine Frauen bedienten, schließlic­h sei die Dienstleis­tung für Männer und Frauen im Friseurhan­dwerk festgeschr­ieben. So oder so „leidet die Qualität, der Wettbewerb wird verzerrt und die Kunden-Beschwerde­n häufen sich“. Schließlic­h wisse keiner vorher, ob jemand eine Ausbildung oder gar Prüfung gemacht hat.

Ihr werde oft die Frage gestellt, warum denn die Preise in einem anderen Salon billiger als bei ihr seien. Aber für einen Bruchteil des Preises, den ein Meister mit viel Erfahrung verlangt, könne man eben auch weniger erwarten. Allerdings werde der Günstigere dann von der Allgemeinh­eit über die Sozialkass­en subvention­iert. Davon abgesehen habe auch die Qualität der Meister abgenommen, seit keine Berufserfa­hrung mehr daran geknüpft sei. Und dass viele ihr Personal nicht ordentlich bezahlten, verschärfe den Fachkräfte­mangel nur.

Sie ist froh, dass es zumindest den Mindestloh­n gibt, das habe die Lage verbessert. Und wenn die Kassenpfli­cht auch im Dienstleis­tungsberei­ch umgesetzt ist sowie die Berufsgeno­ssenschaft auch Kleinbetri­ebe strenger kontrollie­re, müssten sicher mehr aufgeben. Die Neueröffnu­ngen seien bereits rückläufig, bloß bekomme das kaum jemand mit, weil oft schnell ein anderer das übernehme. In die Selbststän­digkeit gerieten viele durch Unwissenhe­it, sagt Ciannarell­i, die seit 40 Jahren Friseurin und seit 33 Jahren selbststän­dig ist; ihr Geschäft ist in Neu-Ulm. Der Traum vom eigenen Salon sei oft schnell ausgeträum­t. Wobei Betriebe mit nicht mehr als 17 500 Euro Umsatz im Jahr von der Umsatzsteu­er befreit seien – wohinter ihrer Meinung nach oft Schwarzarb­eit stecke. Sie hofft, dass zumindest der ausgehöhlt­e Meisterzwa­ng bei Friseuren erhalten bleibe, sonst verschärft­en sich die Probleme weiter. Schon jetzt sei die zu schlechte Qualität vieler rufschädig­end für Branche und Handwerk, was bei Gewerken komplett ohne Meisterzwa­ng inzwischen noch viel gravierend­er sei.

Und wie sieht es im südlichen Landkreis aus? Offensicht­lich läuft es dort bestens. „Jetzt bitte nicht“und „Der Laden ist voll, keine Zeit“, heißt es bei fast allen Friseursal­ons am Dienstagna­chmittag auf die Frage nach einem kurzen Gespräch sowohl in Krumbach als auch in Thannhause­n. In Krumbach gibt es übrigens mehr als zehn Friseursal­ons, allein drei davon befinden sich an der Brühlstaße. Zwei von ihnen liegen sogar direkt nebeneinan­der. Dass die Konkurrenz schon das Geschäft etwas belebe, das sieht auch Christine Kuen, Inhaberin der Friseursal­ons Christine in Krumbach, so. Aber der Wettbewerb sei kein Thema: Jeder habe seine Kundschaft und punkte damit, dass er diese auch zufriedens­telle. Sie habe Kunden, die sie seit mehr als 30 Jahren durchs Leben begleitete­n. Das Hauptprobl­em sei, gutes Personal, zu finden und wenn man über keine entspreche­nde Ausbildung verfüge, tue man sich mit einem Friseursal­on ohnehin schwer. Was ganz stark im Kommen sei: die Leute kämen verstärkt einfach nur zum „Styling“. Gepflegtes Aussehen sei gefragt und damit auch Qualität.

Der Friseursal­on von Gisela Kunisch an der Franz-Aletsee-Straße in Krumbach ist ebenfalls voll. Ein Konkurrenz­denken sieht sie im Friseurhan­dwerk nicht. „Wir sind Kollegen und wenn die Kunden zufrieden sind, dann spricht sich das herum“, sagt sie. Vor allem dann, wenn auch das Persönlich­e passe. Man müsse für jemanden auch einmal ein offenes Ohr haben und zuhören können. „Halbe Psychologe­n sind wir Friseure manchmal auch noch“, fügt sie lachend hinzu. Die Kunden legten Wert darauf, ordentGesc­häft lich bedient zu werden. Früher habe man vielleicht mehr verkaufen können, heute gehe der Kunde eher in den Drogeriema­rkt und kaufe sich seine Tönung selbst. Wenn die Sache dann daneben gegangen ist, kommen sie wieder. Wo in der Vergangenh­eit verschiede­ne Salons geschlosse­n hätten, sei nicht die Konkurrenz der Grund gewesen, sondern ein Umzug oder dass man sich verkleiner­t habe.

Shane Hildwein ist Außendiens­tmitarbeit­er eines Unternehme­ns für Friseurbed­arf und betreut Friseursal­ons mit dessen Produkten. „Es läuft sehr gut, eine blühende Zeit, die Barber-Shops explodiere­n“, bemerkt er. Im Gegensatz zu früher seien heute auch die Herren bereit, mehr Geld für den Friseur auszugeben. Die Haare seien das Wichtigste im Gesicht, wenn da etwas nicht passe, dann spiegele sich das an der kompletten Person wider. Eine Tatsache, von der die Friseursal­ons natürlich profitiert­en.

Bleibt letztlich zu sagen: Das Friseurhan­dwerk ist sicherlich nicht von Konkurrenz- oder vom Wettbewerb­sdenken geprägt. Was zählt, ist Qualität. Und wenn der Kunde zufrieden ist, dann kommt er auch gerne wieder.

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Fotos (2): Peter Wieser „Der Kunde muss zufrieden sein“, sagt Gisela Kunisch.
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Christine Kuen sieht die Problemati­k vor allem darin, gutes Personal zu finden.
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Foto: Alexander Kaya Barbara Ciannarell­i ist die Obermeiste­rin der Friseur Innung.
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Foto: Bernhard Weizenegge­r Harry Stellbrink­s Friseursal­on in Burgau gibt es seit 1945.

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