Mittelschwaebische Nachrichten
Alle Hände voll zu tun
Friseure und Barbiere gibt es in Städten und Gemeinden zuhauf. Mitunter finden sich mehrere innerhalb von hundert Metern. Belebt hier Konkurrenz das Geschäft? Oder hat der Wettbewerb Grenzen? Ein Stimmungsbild im Landkreis
Landkreis Da ist der alteingesessene Friseurladen, der vor allem von der Stammkundschaft lebt. Die Kette, bei der man auch ohne Termin schnell bedient werden soll. Oder der Barbier, der sich auf die Rasur für Männer spezialisiert hat. Friseurläden und Barbershops gibt es in den Städten und Gemeinden zuhauf, mitunter sind es gleich mehrere an einer Straße. Zumindest die offiziellen Zahlen der schwäbischen Handwerkskammer für den Kreis Günzburg zeigen weder Verlust noch Zuwachs, demnach waren zum 31. Dezember vergangenen Jahres 134 Friseure registriert – so viele wie Ende 2012. Zum Jahresschluss 2007 waren es allerdings nur 114 gewesen. Filialen sind dabei nicht erfasst, dafür aber Barbershops. Eine getrennte Statistik gibt es nicht. Doch wie sehen Friseure nun die Fülle an Salons und Rasurläden?
Friseur Harry Stellbrink aus Burgau tangiert das nicht. „Solange einer den Meister macht und dieselben Auflagen erfüllen muss wie ich, ist das schon in Ordnung.“Schließlich
Die Suche nach geeignetem Personal ist schwierig
habe es auch in der Stadt schon mal mehr und mal weniger Friseurbetriebe gegeben. Allerdings glaubt der 56-Jährige, dass viele nicht wüssten, worauf sie sich mit einem eigenen Betrieb einlassen. Sein Geschäft gibt es, seit der Großvater es am 1. September 1945 eröffnete. Es ist in der vierten Generation in Familienbesitz, Sohn und Frau sind auch dabei. Nur Faschingsdienstag gönnen sie sich einen freien Tag, Urlaub könne er wenn nur alleine machen, da sonst zwei fehlten. Er suche eine Friseurin, finde aber keine. Wenn jemand einen eigenen Laden aufmachen will, „soll er das tun“. Das belebe das Geschäft, zumal sich alle in Burgau kennen. Es gebe ein gutes Miteinander.
Die Auflagen sind allerdings nicht für alle gleich, weiß Barbara Ciannarelli, die Obermeisterin der Friseurinnung Günzburg/Neu-Ulm. Wenn nur rasiert, Haare geschnitten und entfernt sowie nicht ausgebildet wird, sei kein Meistertitel nötig, um den Laden zu führen. Nur wer Lehrlinge hat und etwa chemische Behandlungen oder Färben anbietet, muss den Titel haben. Für die anderen genüge der Nachweis, dass sie seit Jahren in diesem Bereich tätig sind – und das auch ohne abgelegte Prüfung. Je nach Herkunftsland variiere auch die Zahl der Jahre. Ciannarelli geht davon aus, dass dies so „geregelt“ist, um mehr Migranten eine berufliche Chance zu geben. Problematisch sei es, wenn etwa strenggläubige Muslime keine Frauen bedienten, schließlich sei die Dienstleistung für Männer und Frauen im Friseurhandwerk festgeschrieben. So oder so „leidet die Qualität, der Wettbewerb wird verzerrt und die Kunden-Beschwerden häufen sich“. Schließlich wisse keiner vorher, ob jemand eine Ausbildung oder gar Prüfung gemacht hat.
Ihr werde oft die Frage gestellt, warum denn die Preise in einem anderen Salon billiger als bei ihr seien. Aber für einen Bruchteil des Preises, den ein Meister mit viel Erfahrung verlangt, könne man eben auch weniger erwarten. Allerdings werde der Günstigere dann von der Allgemeinheit über die Sozialkassen subventioniert. Davon abgesehen habe auch die Qualität der Meister abgenommen, seit keine Berufserfahrung mehr daran geknüpft sei. Und dass viele ihr Personal nicht ordentlich bezahlten, verschärfe den Fachkräftemangel nur.
Sie ist froh, dass es zumindest den Mindestlohn gibt, das habe die Lage verbessert. Und wenn die Kassenpflicht auch im Dienstleistungsbereich umgesetzt ist sowie die Berufsgenossenschaft auch Kleinbetriebe strenger kontrolliere, müssten sicher mehr aufgeben. Die Neueröffnungen seien bereits rückläufig, bloß bekomme das kaum jemand mit, weil oft schnell ein anderer das übernehme. In die Selbstständigkeit gerieten viele durch Unwissenheit, sagt Ciannarelli, die seit 40 Jahren Friseurin und seit 33 Jahren selbstständig ist; ihr Geschäft ist in Neu-Ulm. Der Traum vom eigenen Salon sei oft schnell ausgeträumt. Wobei Betriebe mit nicht mehr als 17 500 Euro Umsatz im Jahr von der Umsatzsteuer befreit seien – wohinter ihrer Meinung nach oft Schwarzarbeit stecke. Sie hofft, dass zumindest der ausgehöhlte Meisterzwang bei Friseuren erhalten bleibe, sonst verschärften sich die Probleme weiter. Schon jetzt sei die zu schlechte Qualität vieler rufschädigend für Branche und Handwerk, was bei Gewerken komplett ohne Meisterzwang inzwischen noch viel gravierender sei.
Und wie sieht es im südlichen Landkreis aus? Offensichtlich läuft es dort bestens. „Jetzt bitte nicht“und „Der Laden ist voll, keine Zeit“, heißt es bei fast allen Friseursalons am Dienstagnachmittag auf die Frage nach einem kurzen Gespräch sowohl in Krumbach als auch in Thannhausen. In Krumbach gibt es übrigens mehr als zehn Friseursalons, allein drei davon befinden sich an der Brühlstaße. Zwei von ihnen liegen sogar direkt nebeneinander. Dass die Konkurrenz schon das Geschäft etwas belebe, das sieht auch Christine Kuen, Inhaberin der Friseursalons Christine in Krumbach, so. Aber der Wettbewerb sei kein Thema: Jeder habe seine Kundschaft und punkte damit, dass er diese auch zufriedenstelle. Sie habe Kunden, die sie seit mehr als 30 Jahren durchs Leben begleiteten. Das Hauptproblem sei, gutes Personal, zu finden und wenn man über keine entsprechende Ausbildung verfüge, tue man sich mit einem Friseursalon ohnehin schwer. Was ganz stark im Kommen sei: die Leute kämen verstärkt einfach nur zum „Styling“. Gepflegtes Aussehen sei gefragt und damit auch Qualität.
Der Friseursalon von Gisela Kunisch an der Franz-Aletsee-Straße in Krumbach ist ebenfalls voll. Ein Konkurrenzdenken sieht sie im Friseurhandwerk nicht. „Wir sind Kollegen und wenn die Kunden zufrieden sind, dann spricht sich das herum“, sagt sie. Vor allem dann, wenn auch das Persönliche passe. Man müsse für jemanden auch einmal ein offenes Ohr haben und zuhören können. „Halbe Psychologen sind wir Friseure manchmal auch noch“, fügt sie lachend hinzu. Die Kunden legten Wert darauf, ordentGeschäft lich bedient zu werden. Früher habe man vielleicht mehr verkaufen können, heute gehe der Kunde eher in den Drogeriemarkt und kaufe sich seine Tönung selbst. Wenn die Sache dann daneben gegangen ist, kommen sie wieder. Wo in der Vergangenheit verschiedene Salons geschlossen hätten, sei nicht die Konkurrenz der Grund gewesen, sondern ein Umzug oder dass man sich verkleinert habe.
Shane Hildwein ist Außendienstmitarbeiter eines Unternehmens für Friseurbedarf und betreut Friseursalons mit dessen Produkten. „Es läuft sehr gut, eine blühende Zeit, die Barber-Shops explodieren“, bemerkt er. Im Gegensatz zu früher seien heute auch die Herren bereit, mehr Geld für den Friseur auszugeben. Die Haare seien das Wichtigste im Gesicht, wenn da etwas nicht passe, dann spiegele sich das an der kompletten Person wider. Eine Tatsache, von der die Friseursalons natürlich profitierten.
Bleibt letztlich zu sagen: Das Friseurhandwerk ist sicherlich nicht von Konkurrenz- oder vom Wettbewerbsdenken geprägt. Was zählt, ist Qualität. Und wenn der Kunde zufrieden ist, dann kommt er auch gerne wieder.