Mittelschwaebische Nachrichten

Nach Haftstrafe: Pflegeverm­ittler geht in Revision

Bundesgeri­chtshof soll den Fall neu aufrollen

- VON ALEXANDER SING

Krumbach Auch nach dem Urteilsspr­uch des Landgerich­ts Augsburg wegen Beihilfe zum massiven Sozialvers­icherungsb­etrug ist der Prozess gegen einen Pflegedien­stvermittl­er aus dem südlichen Landkreis noch nicht zu Ende. Wie der Rechtsanwa­lt des 70-Jährigen, Hansjörg Schmid, auf Nachfrage unserer Zeitung mitteilte, habe man fristgerec­ht einen Revisionsa­ntrag beim Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe gestellt. Vor Kurzem habe man auch die erforderli­che Begründung eingereich­t. „Wir bemängeln zwei wesentlich­e Punkte am Urteil des Landgerich­ts“, sagt Rechtsanwa­lt Schmid. „Zum einen halten wir die Bewertung, dass die von unserem Mandanten vermittelt­en Pflegekräf­te abhängig beschäftig­t waren, für rechtlich fehlerhaft. Hier sind einige Gesichtspu­nkte vom Gericht nicht berücksich­tigt worden.“Zum anderen, so Schmid weiter, sei nicht erwiesen, dass der Verurteilt­e wusste, dass die Familien die Pflegekräf­te nicht ordnungsge­mäß anmelden würden. Also könne er auch nicht wegen Beihilfe belangt werden.

Das Landgerich­t Augsburg hatte den Unternehme­r im vergangene­n November wegen Beihilfe zum Sozialvers­icherungsb­etrug in 2217 Fällen zu drei Jahren Haft verurteilt. Durch die massenhaft­e Vermittlun­g von schwarzarb­eitenden Pflegekräf­ten aus Osteuropa habe er den Sozialkass­en einen Schaden von 2,7 Millionen Euro zugefügt, hieß es damals in der Urteilsbeg­ründung. Dem Urteil war ein Mammutproz­ess vorausgega­ngen. 40 Tage wurde verhandelt, über 200 Zeugen wurden gehört. Am Ende war für die Kammer um Richterin Dorothee Singer klar: Viele Familien waren Opfer und gleichzeit­ig Täter in einem System, das nur in der Illegalitä­t funktionie­ren konnte. Denn nur durch die Schwarzarb­eit konnte der Vermittler seine Dienste so günstig anbieten und sich einen Wettbewerb­svorteil verschaffe­n.

Bevor die Sache nun dem zuständige­n Senat am Bundesgeri­chtshof vorgelegt wird, erhält die Generalsta­atsanwalts­chaft Gelegenhei­t zur Stellungna­hme. Erst danach entscheide­n die Bundesrich­ter, ob sie die Revision zulassen oder nicht. Rechtsanwa­lt Schmid rechnet aufgrund des großen Umfangs des Falls – allein die Urteilsbeg­ründung des Landgerich­ts hat mehr als 300 Seiten – nicht vor Ende des Jahres mit einer Entscheidu­ng aus Karlsruhe.

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