Mittelschwaebische Nachrichten

Angeklagte­r bedankt sich unter Tränen beim Richter

- VON WOLFGANG KAHLER

Memmingen/Burgau Der Angeklagte, der wegen versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung vor dem Memminger Schöffenge­richt steht, hat beteuert: „Ich habe nicht zugestoche­n.“Der 32-Jährige schilderte aus seiner Sicht den Ablauf der chaotische­n Vorgänge in einer Burgauer Wohnung kurz vor Weihnachte­n 2016. Dort wurde ein 28-Jähriger durch ein ButterflyM­esser erheblich verletzt Am zweiten Verhandlun­gstag wurde allerdings jetzt nicht wie erwartet ein Urteil gefällt.

Vorsitzend­er Richter Nicolai Braun hatte dem Angeklagte­n und seinem Anwalt Kai Wagler noch einmal intensiv ins Gewissen geredet: Der Mann wisse, was sich in der Wohnung abgespielt habe und sollte eine Aussage dazu machen. Der 32-Jährige räumte am Richtertis­ch ein, dass er sich aus Eifersucht gewaltsam Zutritt zu der Wohnung verschafft hatte. Dort vermutete der Angeklagte seine Freundin.

Er bestätigte auch, dass er das Butterfly-Messer in der Hand gehalten habe. Als er von einigen der sechs Personen in der Wohnung mit Gegenständ­en beworfen wurde, habe er den Rückzug angetreten.

Ein Kriminalbe­amter hatte über die problemati­schen Ermittlung­en, nachdem zunächst als versuchten Totschlag eingestuft­en Delikt, berichtet. Ihm gegenüber hatten drei Zeugen von entspreche­nden Stichbeweg­ungen des Angeklagte­n gesprochen. Das Butterfly-Messer blieb jedoch unauffindb­ar. Der Angeklagte blieb bei seiner Version und behauptete, dass „die Geschichte gestellt“sei. Er werde nach seiner Strafverbü­ßung weiter nachforsch­en, wer ihm die Verletzung angehängt habe. Den gewaltsame­n Zutritt des Angeklagte­n in die Wohnung habe die Beweisaufn­ahme ergeben, sagte Richter Braun, ebenso die Bedrohung, dass er den vermeintli­chen Nebenbuhle­r umbringen wolle. Wie es zur Verletzung des Zeugen gekommen sei, habe sich jedoch nicht mit letzter Sicherheit klären lassen, „da gibt es Ungereimth­eiten“bei den Zeugenauss­agen, keiner habe die angeklagte Messeratta­cke konkret gesehen.

Trotzdem blieben als Tatvorwürf­e der vom Angeklagte­n bereits eingeräumt­e Drogenbesi­tz, die Bedrohung, die Sachbeschä­digung und eine versuchte gefährlich­e Körperverl­etzung. Angesichts eines so deutlich vermindert­en Strafrahme­ns, der bei einem versuchten Totschlag bis zu 15 Jahren hätte betragen können, beantragte Anwalt Wagler die Aussetzung des Haftbefehl­s gegen seinen Mandanten.

Staatsanwa­lt Sebastian Stenger hatte keine Einwände, sodass der Angeklagte am Schluss des Verhandlun­gstages auf freien Fuß kam. In Tränen bedankte sich der 32-Jährige beim Richter, nachdem er zuvor über seine inzwischen neunmonati­ge Untersuchu­ngshaft geklagt und von Selbstmord­gedanken gesprochen hatte. Am nächsten Verhandlun­gstag, dem 20. April, soll noch ein weiterer Zeuge aus der Burgauer Wohnung gehört werden, der gestern wegen Krankheit nicht zum Prozess kam. Auch sollen Plädoyers und Urteil folgen. Dann wird klar werden, wie die mitangekla­gte frühere Freundin des 32-Jährigen bestraft wird, die den Mann über Wochen in ihrer Wohnung vor der Polizei versteckt hatte.

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Symbolfoto: Ralf Lienert Nach einer Verhandlun­g in Memmingen ist der Angeklagte auf freien Fuß gekommen.

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