Mittelschwaebische Nachrichten

Zum Jubiläum soll der Landkreis blühen

Dank des Inhalts einer kleinen Papiertüte können unsere Leserinnen und Leser mit ein wenig Pflege etwas Ansehnlich­es gestalten. Warum Landrat Hubert Hafner zuversicht­lich ist, einen „blütenreic­hen Sommer“zu erleben. Und wo sie ihm morgen begegnen werden

- VON TILL HOFMANN Mittelschw­äbischen Nachrichte­n

Günzburg Was haben Roter Fingerhut, Kornblume und die Echte Hundszunge gemeinsam? Nun, das Saatgut dieser und weiterer knapp 40 Blumenarte­n enthält die kleine Papiertüte, die Mitarbeite­r unserer Redaktion in den kommenden Wochen unter Passanten verteilen werden – pro Person eine Tüte, solange Vorrat reicht.

Der Landkreis Günzburg hat die Blumensame­n zur Verfügung gestellt. Anlass ist das Jubiläum unserer Zeitung. Vor 70 Jahren sind die

erstmals erschienen. Vor fünf Jahren hat der Landkreis Günzburg mit den Blühfläche­naktionen begonnen. Dabei kommen verschiede­ne Blumenmisc­hungen zum Einsatz, die der Saatguther­steller anbietet. Samentütch­en wurden 2014, dem ersten Jahr, an Kindergärt­en, Schulen, Vereine und Gemeinden verteilt – und außerdem Blühfläche­n an Kreisstraß­en und Kreisliege­nschaften angesät, wie in allen kommenden Jahren. 2015 bestellte der Landkreis insgesamt 65 Kilogramm Saatgut für rund 26000 Quadratmet­er Blumenwies­en. Jede Kommune erhielt damals eine größere Menge einer „gärtnerisc­hen Mischung“, die am besten in Wohnsiedlu­ngen und an Straßen ausgesät werden kann.

2016 wurde die bislang größte Menge Blumensame­n geordert – 165 Kilogramm waren es. Damals wurden speziell Kinderkrip­pen, Kindergärt­en und Grundschul­en im Landkreis Günzburg bedacht. Im vergangene­n Jahr schließlic­h haben das Saatgut „Schmetterl­ings- und Wildbienen­saum“die Jagdschutz­und Jägerverei­ne Günzburg und Krumbach erhalten. Die Kommunen bekamen einen anderen Mix.

Und was ist heuer? „Da haben wir eine Schippe draufgeleg­t“, sagt Landrat Hubert Hafner. Insgesamt stehen 100 Kilogramm Blumensame­n zur Verfügung. Damit soll zusammenge­nommen eine 50000 Quadratmet­er große Fläche aufblühen. 2017 wurden 82 Kilo gekauft.

Morgen startet die diesjährig­e Samentütch­en-Aktion. Ab 10 Uhr geht es auf dem Platz vor der Redaktion der Günzburger Zeitung in Günzburg los. Hafner selbst wird die zwei Gramm leichten Tüten eine Stunde lang verteilen. Die Aktion endet am Nachmittag gegen 15 Uhr.

Ist das angesichts der zusehends schwindend­en Blumenwies­en, der Insekten und infolge dessen auch der Vögel nicht nur ein bisschen Symbolik? Hafner schüttelt den Kopf. Er ist nicht dieser Ansicht. „Wir wollen auf die bestehende­n Probleme aufmerksam machen, dafür Bewusstsei­n schaffen“, sagt er. Das Engagement des Kreises seit dem Jahr 2014 zeige, „dass wir auf Nachhaltig­keit großen Wert legen“. Außerdem könne jeder, der wolle, seinen kleinen Beitrag leisten.

Eine Tüte haben wir hergenomme­n, sie geöffnet, den Inhalt ausgeleert und nachgezähl­t, wie viele Samen, die locker in eine Handfläche passen, tatsächlic­h enthalten sind. „732“lautete immerhin das Resultat. Noch in dieser Woche werden die Bürgermeis­ter aller 34 Landkreisg­emeinden nach dem Start in Günzburg ebenfalls Tüten mit dem Saatgut „Bunter Saum“erhalten – mit der Bitte des Landkreise­s, die Aktion zu unterstütz­en, indem die Samentütch­en in den Rathäusern oder Bürgerbüro­s ausgegeben werden. Der Landrat betont in seinem Anschreibe­n an die Bürgermeis­ter, dass diese Initiative ein „besonderes Herzensanl­iegen“für ihn ist. „Unser schöner, liebenswer­ter Landkreis soll noch bunter und artenreich­er werden.“

Das scheint dringend nötig zu sein. Tina Sailer, die Fachberate­rin des Landkreise­s für Gartenkult­ur, verweist auf Ausführung­en des Naturschut­zbundes Deutschlan­d (Nabu). Demnach ist Untersuchu­ngen in mehreren Bundesländ­ern zufolge die Biomasse der Fluginsekt­en seit 1989 um bis zu 80 Prozent zurückgega­ngen. Nicht nur die Zahl der Arten, sondern auch die der Individuen befindet sich, so die Naturschut­zorganisat­ion, in einem „dramatisch­en Sinkflug“. Zu den möglichen Ursachen gehörten die Fragmentie­rung und Zerstörung von Lebensräum­en, aber auch der Einsatz immer wirksamere­r Insektizid­e. Neben der „Bestäubung­skrise“weist der Nabu auf Vogelarten wie Blaukehlch­en, Mehlschwal­be oder Dorngrasmü­cke hin, die bei einem weiteren Rückgang ihrer wichtigste­n Nahrung Probleme bekämen, den eigenen Nachwuchs aufzuziehe­n. Nach einer Auswertung des Nabu hat Deutschlan­d in zwölf Jahren rund 12,7 Millionen Vogelbrutp­aare verloren – das entspreche einem Minus von 15 Prozent.

Land ratHafn erweist die Kommunalpo­litiker in den Rathäusern auf die Notwendigk­eit, der „Artenverar­mung in der Tier- und Pflanzenwe­lt entgegenzu­wirken“, mit einer Frage hin: „Wussten Sie, dass mit jeder verschwund­enen Pflanzen art in Deutschlan­d auch 20 Tierarten verschwind­en ?“Beider Bürgermeis­ter dienst versammlun­g am 24. April gibt es Nachschlag: An Städte, Märkte und Gemeinden wird die Mischung „Blühende Landschaft“übergeben, die für eine Standzeit von fünf Jahren konzipiert und die auch außerorts geeignet ist. An den Kreisverba­nd der Imker ist das Saatgut mit der Bitte, es weiter zu verteilen, bereits überreicht worden. Der Land rat fordert dazu auf, „sich von der Vielfalt der Blütenbesu­cher überrasche­n und begeistern zu lassen“. Und er freut sich auf einen „blütenreic­hen Sommer“.

Rechtzeiti­g kommen und Blumensame­n mitnehmen

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 ?? Fotos: Letter/Stiftung Naturschut­z/dpa, Laura Loewel, Marion Nickig/dpa, Bernhard Weizenegge­r, Bärbel Schoen ?? Die größten Anteile in der Blumenmisc­hung, die an Bürgerinne­n und Bürger am Dienstag am Günzburger Wätteplatz verteilt oder von Mitarbeite­rn unserer Zeitung an Passanten weitergere­icht wird, sind von Kornrade, Kornblume, Wilde Malve, Ringelblum­e und...
Fotos: Letter/Stiftung Naturschut­z/dpa, Laura Loewel, Marion Nickig/dpa, Bernhard Weizenegge­r, Bärbel Schoen Die größten Anteile in der Blumenmisc­hung, die an Bürgerinne­n und Bürger am Dienstag am Günzburger Wätteplatz verteilt oder von Mitarbeite­rn unserer Zeitung an Passanten weitergere­icht wird, sind von Kornrade, Kornblume, Wilde Malve, Ringelblum­e und...
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Foto: Monika Leopold Miller Diese Tüten werden unter Passanten verteilt.
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