Mittelschwaebische Nachrichten
Mit Rechen, Schaufel und dem richtigen „Bodenfutter“
Der Landkreis und die beiden Heimatzeitungen lassen es an einem besonderen Ort blühen
Waldheim Wer fast alles Gelb sehen will, der sollte in etwa zwei Wochen Waldheim aufsuchen. Denn dann, sagt Landwirt Josef Müller voraus, wird rund um den kleinen Ort der Raps blühen. Günzburgs Landrat Hubert Hafner lässt andere Blumen wachsen. Gemeinsam mit den Redaktionsleitern der Günzburger Zeitung (Till Hofmann), der Mittelschwäbischen Nachrichten (Peter Bauer) und der Kreisfachberaterin für Gartenkultur (Tina Sailer) säte der Kreischef erste Blumensamen unmittelbar an der Friedenskapelle, die am Waldrand in Sichtweite des Dörfchens 1974 erbaut worden ist.
Heidi und Josef Müller gehört der Grund vor der Kapelle, den sie für die Aktion zur Verfügung gestellt haben. Es sind nicht zufällig rund 70 Quadratmeter. Die Zahl ist eine Reminiszenz an das 70-jährige Bestehen der beiden Zeitungen. An der Friedenskapelle soll – für jeden sichtbar – etwas Verbindendes geschaffen werden. Noch immer hat es mancher Bürger nach vier und über vier Jahrzehnten nicht verwunden, infolge der Kreisgebietsreform (1972) und der Gemeindegebietsreform (1978) zu einem größeren Landkreis zu gehören beziehungsweise als Gemeinde die Eigenständigkeit verloren zu haben oder gar einem anderen Landkreis zugeschlagen worden zu sein. Waldheim im Kammeltal ist für die Pflanzaktion aus zwei Gründen ein gut gewählter Platz: Das Dorf liegt der geografischen Mitte des Landkreises am nächsten. Von der Friedenskapelle sind es noch gut 700 Meter Luftlinie bis zum exakten Mittelpunkt. Und: Am Ort der Friedenskapelle wurde im Winter 1936/37 ein Bombenabwurfplatz für Piloten gebaut, die hier mit Beton gefüllten Bomben trainiert haben, um später ihre dann tödliche Fracht möglichst genau ins Ziel zu bringen. Zwei elf Meter hohe Beobachtungstürme sind heute noch stumme Zeugen der Geschehnisse vor 80 Jahren. Und jetzt werden Blumen sprießen.
Der Hauptteil der Arbeit, sagt Kreisgärtner Stefan Weilbach, steht ihm nach den Eisheiligen bevor. In der zweiten Junihälfte, ist er sich sicher, wird vom braunen Acker nichts mehr zu sehen sein und das Feld in voller Blüte stehen.
Am Freitagmittag hat Bäuerin Heidi Müller „aus Freude über die tolle Aktion“spontan die Glocke geläutet, die an dem neben der Friedenskapelle stehenden Beobachtungsturm angebracht ist.
Die richtige Technik des Läutens hat sie raus: Wie es geht, das hat sich die aus Waldheim stammende und in Unteregg bei Roggenburg (Landkreis Neu-Ulm) lebende 52-Jährige vor langer Zeit angeeignet. Ihr Vater hatte der Tochter im Kindesalter aufgetragen, die Glocke zweimal in der Woche zu läuten – am Freitag nach getaner Arbeit und am Sonntag.