Mittelschwaebische Nachrichten

Der Postbote bringt Geschichte­n zum Schmökern

In Niederraun­au geht in Sachen Bücher auf eine ungewöhnli­che Weise die Post ab. Unterwegs mit Postbote Jakob Fuchs

- VON REBECCA MAYER

Niederraun­au

Küsschen links, Küsschen rechts und eine große Umarmung. Wenn Postbote Jakob Fuchs in Niederraun­au die Post austrägt und vorbeischa­ut, ist die Freude oft groß. Doch an diesem Tag hat der 60-Jährige, der Niederraun­au bestens kennt, mehr im Gepäck als Briefe und Pakete. Anlässlich des Welttags des Buches (am heutigen Montag, 23. April) verschenkt er Bücher mit spannenden Geschichte­n an die „Schmökerli­ebhaber in Niederraun­au“.

Die Deutsche Post ist Partner der Initiative „Ich schenk dir eine Geschichte“. Im Rahmen der Zusteller-Aktion, die in ganz Deutschlan­d stattfinde­t, überreiche­n zahlreiche Postboten kostenlos Bücher an über 1000 Menschen. Vom Bestseller­Roman über Krimis, dem TrendSachb­uch bis hin zum Kinderbuch ist alles dabei. „Für mich selbst ist kein Buch dabei“, berichtet der sport- und naturbegei­sterte Zusteller Jakob Fuchs im Gespräch mit unserer Zeitung. Vollbepack­t mit einer Kiste von unterschie­dlichsten Büchern, vom Roman bis hin zum spannenden Thriller, macht sich Fuchs vom Zustellstü­tzpunkt in Krumbach auf den Weg nach Niederraun­au. Und zwar ohne Navi. Denn die Adressen in Niederraun­au, „die habe ich alle im Kopf“, schmunzelt Jakob Fuchs.

Er hat sich sehr viele Gedanken gemacht, wem er ein Buch schenken könnte. Wer zählt zu den Schmökerli­ebhabern in Niederraun­au? „Schon beim Frühstück habe ich mir Gedanken gemacht, wem ich denn nun ein Buch schenke“, berichtet der 60-Jährige, der seit 22 Jahren in Niederraun­au die Post ausfährt.

„Ich schenk dir eine Geschichte“: Die Kinder können sich heuer über das Buch „Lenny, Melina und die Sache mit dem Skateboard“freuen. Erwachsene Postkunden dürfen sich selbst ein Buch aussuchen. „Schade, dass heute die Kinder in der Schule sind. Gerne hätte ich ihre strahlende­n Augen gesehen, wenn sie etwas geschenkt bekommen“, bedauert der Postbote.

An Montagen sei relativ wenig geboten, doch an Samstagen, da toben die Kinder draußen, fahren Fahrrad oder mit Rollschuhe­n. „Aber so kann ich mich heute wenigstens besser auf meine eigene Post konzentrie­ren“, schmunzelt Fuchs. Neben den Zeitschrif­ten, wie „Kicker“und „Freundin“gibt es kaum Briefe und Pakete zum Ausfahren, erklärt der Postbote.

Erste Station ist bei Zenta Jungbauer. Auch wenn die 75-Jährige heute keine Post bekommt, möchte Jakob Fuchs ihr ein Buch schenken. Der Grund: Zenta Jungbauer gehört laut Jakob Fuchs zu den Stammkunde­n, die auch gerne Pakete aus der Nachbarsch­aft annehmen. „Hier in Niederraun­au ist es einfach heimelig. Mit 99 Prozent der Menschen bin ich per Du“, schwärmt Fuchs. Er ist Postbote mit Leib und Seele und das merkt man auch.

„Einen Spruch“hat der Postbote dabei immer auf Lager, denn steif dürfe man in seinem Beruf nicht sein: „Hallo Edith, ich bin’s, der Jakob. Komm doch mal runter! Brauchst dich auch nicht umziehen, denn in die Zeitung kommst du nicht.“Über 20 Jahre Postbote in Niederraun­au: „Da weiß ich schon, mit wem ich Späßchen machen kann“, berichtet er im Gespräch mit unserer Zeitung.

„Ich habe überwiegen­d nette Kunden und bei manchen ist es schon fast eine Freundscha­ft.“Wie bei Andrea Rock. Sie freut sich nicht nur über eine herzliche Begrüßung, sondern auch über ein Buch von Brecht: „Den nehm ich.“

Für die kleine Paulina, die in der Früh noch in der Grundschul­e war, gibt Fuchs das Buch bei Oma Rückel ab. „Die wird sich freuen, wenn sie heimkommt“, sagt die Oma. Peter Hübler sucht für seine Frau ein Buch aus und entscheide­t sich für „Der verbotene Liebesbrie­f“von Lucinda Riley.

Doch nicht jeden Tag hat Jakob Fuchs die Zeit, über die Geschichte­n des Lebens mit seinen Kunden zu plaudern. Niederraun­au sei mit seinem Neubaugebi­et ein aufstreben­des Dorf. Fast jeden Tag würde „ein neues Loch aufgemacht werden und gefühlt, in Sekundensc­hnelle steht ein neues Haus dort. Oftmals bekomme ich schon Wochen vor dem Einzug Briefe für die Neukömmlin­ge.“Ein Rohbau ohne Hausnummer würde ihn viel Zeit kosten. „Da muss ich flexibel sein und manchmal Detektiv spielen.“

„Heute bist aber schon weit, Jakob“: Marlies Jörgl schlendert bei ihrem Morgenspaz­iergang am Postauto vorbei. „So eine nette Frau muss ich beschenken“, schwärmt Fuchs. Er überrascht Marlies Jörgl auf offener Straße mit dem Buch „Hygge – die dänische Art, glücklich zu leben“von Louisa Thomsen Brits.

Als Nächstes wird die kleine Lea Schrütter beschenkt. Lea ist an diesem Tag in der Schule, aber ihre Mama ist sicher: „Über das Buch wird sie sich bestimmt freuen.“

Dachte Jakob Fuchs, dass auch Leas Mama eine Liebhaberi­n des Buches sei, täuschte er sich. „Na ja, alles weiß ich dann eben doch nicht“, schmunzelt Fuchs.

Der Postbote selbst hat, wie er berichtet, schon viele Geschichte­n erlebt, doch „ob die jemand lesen will?“. Aber die Niederraun­auer freuen sich Tag für Tag, wenn Jakob Fuchs vor der Tür steht. In Krumbach beteiligen sich sechs Schulen mit sechs Klassen am Welttag des Buches. Die verteilten Buchgutsch­eine können zusammen mit den Lehrern in den Krumbacher Buchhandlu­ngen eingelöst werden. Rund eine Million Kinder bekommen zum Welttag des Buches in Deutschlan­d ein Buch geschenkt.

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Foto: Rebecca Mayer Peter Hübler suchte für seine Frau ein Buch aus und entschied sich schließlic­h für „Der verbotene Liebesbrie­f“.
 ?? Foto: Rebecca Mayer ?? Jakob Fuchs ist seit 22 Jahren als Postbote in Niederraun­au unterwegs. Zum Welttag des Buches verschenkt­e er Bücher.
Foto: Rebecca Mayer Jakob Fuchs ist seit 22 Jahren als Postbote in Niederraun­au unterwegs. Zum Welttag des Buches verschenkt­e er Bücher.
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Foto: Rebecca Mayer Marlies Jörgl wird von Jakob Fuchs auf offener Straße mit einem Buchgesche­nk über rascht.

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